OGH 4Ob71/73

OGH4Ob71/7325.9.1973

SZ 46/89

Normen

DHG §3
VersVG §67
VersVG §158c
VersVG §158
DHG §3
VersVG §67
VersVG §158c
VersVG §158

 

Spruch:

War der Beklagte Versicherer aus der Kaskoversicherung leistungsfrei, steht dem Versicherer ein Anspruch gegen den klagenden Dienstnehmer nicht zu, weil § 158 f. VersVG nur gegen den Versicherungsnehmer und Mitversicherte - wozu der Lenker des Fahrzeuges, das die Kaskoversicherung betrifft, nicht gehört - anwendbar ist und eine Anwendung des § 67 VersVG in diesem Fall ausgeschlossen ist, weil diese Bestimmung Leistungspflicht des Versicherers voraussetzt

War der beklagte Versicherer aus der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nicht leistungspflichtig, kann er gegen den klagenden Dienstnehmer als Mitversicherten gemäß § 158f. VersVG die Ansprüche dritter Personen, die er als Versicherer gemäß § 158c VersVG befriedigen mußte, geltend machen. Diese Ansprüche sind daher nicht nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz zu beurteilen; dem Kläger steht allenfalls ein Anspruch auf Vergütung gegen seinen Dienstgeber im Sinne des § 3 DHG zu

OGH 25. September 1973, 4 Ob 71/73 (LGZ Graz 2 Cg 7/73; ArbG Graz 1 Cr 5/73)

Text

Der Kläger ist Kraftfahrer bei der Firma Franz F in Graz. Diese hat bei der beklagten Partei eine Kaskoversicherung und eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung hinsichtlich eines LKW-Zuges abgeschlossen.

Am 26. März 1971 kippte dieser LKW-Zug der vom Kläger gelenkt wurde, um, wodurch die Ladung des Anhangers und der Anhanger selbst beschädigt wurden; überdies wurden ein Absicherungsgitter und eine Blinkerbeleuchtung, die bei der Unfallstelle angebracht waren, schwer beschädigt. Die beklagte Partei forderte am 24. Feber 1972 den Kläger auf, Leistungen, die sie erbracht habe, zu ersetzen, und zwar 88.578 S aus der Kaskoversicherung und 5715 S aus der Autohaftpflichtversicherung. Die Beklagte vertrat in ihrem Schreiben den Standpunkt, daß sie gemäß § 61 VersVG von der Verpflichtung zur Leistung frei sei, weil der berechtigte Lenker den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit dadurch herbeigeführt habe, daß er durch Alkoholgenuß in seiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt gewesen sei. Die Beklagte wies den Kläger unter Bezug auf § 12 Abs. 3 VersVG darauf hin, daß er den bestrittenen Versicherungsanspruch zur Vermeidung seines Verlustes nur innerhalb von sechs Monaten vom Tage der Zustellung ihres Schreibens im Wege der Klage bei dem zuständigen Gericht geltend machen könne. Die Beklagte ersuchte den Kläger weiters, den Betrag von 94.293 S innerhalb von vier Wochen zu ersetzen bzw. innerhalb dieser Frist geeignete Vorschläge für die Rückzahlung zu unterbreiten.

Der Kläger behauptet in der beim Landesgericht für ZRS Graz überreichten Klage, daß der Unfall nicht durch eine Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit infolge Alkoholgenusses oder einen Fahrfehler, sondern durch ein technisches Gebrechen am Anhänger des LKW-Zuges verursacht worden sei. Eine Leistungsfreiheit der Beklagten als Kasko- und Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer sei daher nicht gegeben. Überdies seien ihre Anspruche vom Dienstgeber des Klägers abgeleitet und daher die Ersatzpflicht des Klägers nach den Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes zu beurteilen, darnach sei der Ersatz aber zu erlassen oder doch zu mäßigen, weil das Verhalten des Klägers jedenfalls nicht den Grad einer groben Fahrlässigkeit erreicht habe. Er begehre daher die Feststellung, daß die beklagte Partei auf Grund des Kaskoversicherungsvertrages Pol. Nr. A 425.013-3 und auf Grund des Haftpflichtversicherungsvertrages Pol. Nr. A 425.014 verpflichtet ist ihm aus dem Unfall vom 26. März 1971 Deckung zu gewähren und ihm gegenüber den vom Unfallsgegner oder von wem immer erhobenen Schadenersatzansprüchen bis zur Höhe der im Versicherungsvertrag vereinbarten Versicherungssumme klag- und schadlos zu halten.

Die Beklagte machte Unzuständigkeit des ordentlichen Gerichtes und Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes geltend und behauptete, daß die Erklärung ihrer Leistungsfreiheit und die Erhebung des Rückgriffsanspruches dem Kläger gegenüber zu Recht erfolgt sei, weil dieser den Unfall grob fahrlässig verschuldet habe.

Das angerufene Landesgericht für ZRS Graz erklärte sich mit Beschluß vom 22. November 1972 unzuständig und überwies die Rechtssache entsprechend dem Antrag des Klägers an das nicht offenbar unzuständige Arbeitsgericht Graz. Es begrundete dies damit, daß die Beklagte gemäß § 67 VersVG Rechtsnachfolger des Dienstgebers des Klägers sei, so daß für den Streit über den Bestand einer von ihr oder gegen sie geltend gemachten Forderung das Arbeitsgericht zuständig sei.

Das Arbeitsgericht Graz wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab. Es war der Auffassung, daß die Erklärung der Beklagten, leistungsfrei zu sein, ohne Bedeutung sei, weil sie nur Ansprüche des Dienstgebers des Klägers im Rahmen der Legalzession des § 67 VersVG geltend machen könne und der Kläger, der nicht Versicherungsnehmer sei, keine Ansprüche gestellt habe, die von der Beklagten abgelehnt worden seien. Es fehle dem Klager daher ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht war der Auffassung, daß die dem Kläger gegenüber abgegebene Erklärung der Beklagten, leistungsfrei zu sein, ohne Bedeutung sei, weil er nicht Partei des zwischen seinem Dienstgeber und der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrages sei. Vor einer Ablehnung des Anspruches durch die Beklagte gegenüber dem Versicherungsnehmer selbst könne eine Feststellung des Anspruches im Sinn des § 12 Abs. 3 VersvG nicht verlangt werden. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes über den es entschied, 15000 S übersteigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst ist zu der in der Revisionsbeantwortung aufgeworfenen Frage der sachlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes darauf zu verweisen, daß diese im vorliegenden Fall nicht mehr zu prüfen ist, weil die Rechtssache beim ordentlichen Gericht anhängig gemacht, von diesem aber wegen angenommener Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes an dieses überwiesen wurde. Daß ein ausdrücklicher Ausspruch der Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes im Sinn des § 5 ArbGerG unterblieb, ändert nichts daran, daß damit die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit für das weitere Verfahren bindend und unüberprüfbar festgelegt wurde (Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren 1 18, Fasching ZPO 1.286; 111.217, ArbSlg.8.188 u. a.).

Im übrigen ist davon auszugehen, daß der Kläger sein Feststellungsbegehren darauf stützte, daß die Beklagte als Kasko- und Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer hinsichtlich des von ihm gelenkten LKW-Zuges Leistungsfreiheit behauptet und vom Kläger den Ersatz der durch sie erbrachten Leistungen verlangt habe. Das Urteilsbegehren geht allerdings seinem Wortlaut nach nur auf Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger hinsichtlich der gegen ihn anläßlich des Untalles mit dem von ihm gelenkten LKW-Zug erhobenen Schadenersatzansprüche. Aus dem Inhalt des Vorbringens des Klägers ergibt sich aber eindeutig und klar, daß er klargestellt haben will, ob die Beklagte als Versicherer oder letztlich er selbst den Schaden tragen muß. Das Recht, dessen Nichtbestand festgestellt werden soll, ist somit bei Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers inhaltlich und umfänglich zweifelfrei dahin bezeichnet, daß die Beklagte nicht berechtigt sei, den Kläger zur Deckung des Schadens heranzuziehen. Damit ist dem Erfordernis der Bestimmtheit des Klagebegehrens im Sinn des § 226 ZPO entsprochen (Fasching ZPO III, 24, 30). Der Wortlaut des Begehrens ist allerdings dem sachlichen Inhalt anzupassen. Dies kann auch durch das Gericht geschehen; der Urteilsspruch darf nur nicht sachlich mehr oder etwas anderes enthalten, als die Parteien tatsächlich verlangt haben (EvBl. 1960/231 u. a.).

Hiezu ist darauf zu verweisen, daß bei der Beurteilung der Stellung des Klägers als Lenker des LKW-Zuges gegenüber der Beklagten als Kasko- und Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer hinsichtlich dieses Fahrzeuges die Anspruche, welche die Beklagte nach § 67 VersVG geltend machen kann, von jenen zu unterscheiden sind, die sie auf § 158 f. VersVG stützen kann. Nach § 67 VersVG gehen die Schadenersatzansprüche, die dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zustehen, auf den Versicherer insoweit über, als dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt hat. Nach § 158 f. VersVG geht die Forderung eines Dritten gegen den Versicherungsnehmer auf den Versicherer über, soweit der Versicherer nach § 158c VersVG befriedigen mußte, also ihm trotz Leistungsfreiheit im Verhältnis zum Versicherungsnehmer den Schaden ersetzen mußte. Im Fall des § 67 VersVG ist die Forderung des Versicherungsnehmers gegen allfällige Schädiger, im Fall des § 158 f. VersVG die Forderung des Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer auf den Versicherer übergegangen. Das Vorhandensein eines Anspruches nach § 158 f. VersVG schließt die Anwendung des § 67 VersVG aus/Sz 31/134).

"Dritter" im Sinn des § 67 VersVG ist jeder, der nicht Versicherungsnehmer oder Versicherter ist. Bei der Kaskoversicherung ist der Fahrzeuglenker nicht mitversichert, so daß die Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen ihn auf den Versicherer übergehen können (ZVR 1957/200, ZVR 1961/317, ZVR 1962/172 u. a.). Bei der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ist dagegen der berechtigte Lenker mitversichert (Art. 1 Abs. 2 AKHB). In diesem Fall ist daher § 67 VersVG im Verhältnis zwischen dem berechtigten Lenker und dem Versicherer nicht anwendbar. So wie der Versicherer gegen den Versicherungsnehmer nicht Rückgriff nehmen kann, wenn die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung aufrecht ist, kann er es auch gegen den mitversicherten berechtigten Lenker nicht (SZ 30/2 u. a.). Wenn allerdings der Versicherer gegenüber dem berechtigten Lenker aus irgendeinem Grund leistungsfrei ist, kann er hinsichtlich jener Leistungen Rückgriff nehmen, die er gemäß § 158c VersVG einem Dritten zu erbringen hatte (SZ 31/134, ZVR 1964/138). Wenn also die Beklagte aus der Kaskoversicherung leistungspflichtig war und geleistet hat, sind die Ansprüche ihres Versicherungsnehmers gemäß § 67 VersVG auf sie übergegangen. Da der Versicherungsnehmer der Beklagten der Dienstgeber des Klägers war, sind diese Ansprüche nach dem DHG zu beurteilen. War die Beklagte aus der Kaskoversicherungsleistungsfrei, steht ihr ein Anspruch gegen dem Kläger nicht zu, weil § 158 f. VersVG nur gegen den Versicherungsnehmer und Mitversicherte - wozu der Lenker des Fahrzeuges, das die Kaskoversicherung betrifft, nicht gehört - anwendbar ist und eine Anwendung des § 67 VersVG in diesem Fall ausgeschlossen ist, weil diese Bestimmung Leistungspflicht des Versicherers voraussetzt. War der Beklagte aus der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nicht leistungspflichtig, kann sie gegen den Kläger als Mitversicherten gemäß § 158 f. VersVG die Ansprüche dritter Personen, die sie als Versicherer gemäß § 158c VerVG befriedigen mußte, geltend machen. Diese Ansprüche sind daher nicht nach dem DHG zu beurteilen; dem Kläger steht allenfalls ein Anspruch auf Vergütung gegen seinen Dienstgeber im Sinn des § 3 DHG zu. War schließlich die Beklagte aus der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung leistungspflichtig, kann sie Ersatz gegen den Kläger nicht geltend machen, weil sie auch ihm als Mitversicherten gegenüber deckungspflichtig war. Der Kläger als Mitversicherter kann seinen Anspruch gegen den Versicherer gemäß § 1 Abs. 2 letzter Satz AKHB selbständig geltend machen (vgl. auch Prölss VersVG[18], 807 zu § 10 Nr. 4 AKB). Insoweit entspricht auch der Wortlaut des Klagebegehrens den Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen; im übrigen wird er diesen anzupassen sein. Unter Bedachtnahme auf diese Rechtsbeziehungen wird gemäß § 182 ZPO auf ein klares Vorbringen der Parteien zu dringen und zu beurteilen sein, wieweit die Rechtssache danach schon spruchreif oder die Klärung strittiger Tatumstände noch erforderlich ist.

Die Untergerichte haben zu Unrecht angenommen, daß dem Kläger an der - inhaltlich - begehrten Feststellung ein rechtliches Interesse im Sinn des § 228 ZPO fehle. Die Beklagte hat nämlich ernstlich und klar zum Ausdruck gebracht, daß sie der Auffassung ist, daß der Kläger als derjenige, der den Unfall grob fahrlässig verschuldet habe, den daraus entstandenen Schaden zu tragen und ihr die Beiträge zu ersetzen habe, die sie zur Tilgung dieses Schadens bereits geleistet habe. Sie behauptet somit, daß sie das Recht habe, den Ersatz dieser Beträge vom Kläger zu verlangen. Damit ist aber ein rechtliches Interesse des Klägers an einer negativen Feststellungsklage zur Klärung des Bestandes des von der Beklagten behaupteten Rechtes gegeben. Für das Vorliegen des rechtlichen Interesses im Sinn des § 228 ZPO ist nicht wesentlich, ob das von der Beklagten behauptete Recht tatsächlich besteht oder bei objektiver rechtlicher Beurteilung erkennbar ist, daß es einer Grundlage entbehrt. Wesentlich ist vielmehr, daß durch die Behauptung des Rechtes der Beklagten die Stellung des Klägers beeinträchtigt wird (Fasching ZPO III, 67). Die Lage des Klägers ist in dieser Hinsicht nicht anders als die eines Versicherungsnehmers, demgegenüber der Versicherer eine Entschädigung ablehnt oder den Ersatz einer Leistung an einen Dritten wegen angeblicher Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherungsnehmer verlangt. Audi in diesem Falle wurde das rechtliche Interesse an einer Feststellungsklage unabhängig davon bejaht, ob der Versicherer den Ersatz mit oder ohne Bezug auf die Vorschrift des § 12 Abs. 3 VersVG abgelehnt hat (JBl. 1964 519, ZVR 1963/98, u. a.). Die Abweisung des Klagebegehrens wegen Fehlens eines Feststellungsinteresses erfolgte somit zu Unrecht. Es waren daher die Urteile der Untergerichte in Stattgebung der Revision aufzuheben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen (§ 510 ZPO).

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