Spruch:
Der Versicherer kann gemäß § 158f VersVG. nur gegen den Versicherungsnehmer, nicht aber auch gegen den Schädiger Regreß nehmen, es sei denn, daß der Schädiger ein berechtigter Fahrer, demnach mitversichert war und der Versicherer daher auch für ihn die Leistung bewirkt hat.
Entscheidung vom 7. November 1958, 3 Ob 451/58.
I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien.
Text
Der mj. Beklagte, der bei Arthur H. als kaufmännischer Lehrling beschäftigt war, erhielt von seinem Lehrherrn den Auftrag, dessen PKW., der im Hofe abgestellt war, zu waschen. Er erhielt dazu die Wagenschlüssel ausgefolgt, damit er sich die zum Waschen benötigten Geräte aus dem Kofferraum entnehmen könne. Obwohl der Beklagte keinen Auftrag hatte, die Zundkerzen zu reinigen, und ihm ausdrücklich verboten worden war, im Innern des Wagens etwas zu machen, reinigte der Beklagte auch die Zundkerzen, setzte sich dann in den Wagen und startete ihn an, angeblich um die Funktion der Zundkerzen zu überprüfen. Dabei machte der Wagen einen Sprung nach vorne und stieß gegen ein Motorrad, das gegen eine Mauer gedrückt und bei dem ein Sachschaden von 5225 S 72 g verursacht wurde.
Die klagende Partei behauptet, daß sie als Versicherer ihres Versicherungsnehmers und Fahrzeughalters Arthur H. dem geschädigten Eigentümer des Motorrades den Schaden ersetzt habe, weil sie diesem gemäß § 158 c VersVG. zur Leistung verpflichtet gewesen sei, und nimmt mit der Klage Rückgriff gegen den Beklagten auf Grund der Bestimmungen des § 158f VersVG. mit der Behauptung, daß diesen das alleinige Verschulden an der Beschädigung treffe.
Der Beklagte beantragte kostenpflichtige Klageabweisung und wendete ein, daß der Wagen nur infolge eines leichten Versehens in Bewegung geraten und er als Dienstnehmer des Arthur H. nicht zum Ersatz des Schadens verpflichtet sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Arthur H. habe als Halter des PKWs. gemäß § 7 Abs. 3 KraftfVerkG. dem Eigentümer des Motorrades für den Schaden gehaftet, weil er dem Beklagten die Benützung des Kraftfahrzeuges durch sein Verschulden dadurch ermöglicht habe, daß er diesem die Schlüssel zum Fahrzeug überlassen habe. Der Beklagte habe aber seinem Lehrherrn und Dienstgeber Arthur H. für den Schaden zu haften, weil er ihn grob fahrlässig verursacht habe. Er habe das Verbot übertreten, sich im Innern des Wagens schaffen zu machen, und habe den Wagen in Betrieb gesetzt, ohne sichere Kenntnisse in der Handhabung gehabt zu haben. Nur bei leichtem Verschulden könne er von seiner Haftung freigesprochen werden. Der Schadenersatzanspruch des Arthur H. gegen den Beklagten sei gemäß § 67 VersVG. auf die klagende Partei, die den Schaden als Versicherer gedeckt habe, übergegangen. Der Beklagte sei als nicht berechtigter Fahrer gemäß § 10 AKB. nicht mitversichert gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß der klagenden Partei nur die Hälfte des eingeklagten Betrages zugesprochen und das Mehrbegehren abgewiesen wurde. Das Erstgericht habe darauf keine Rücksicht genommen, daß auch Arthur H. ein Verschulden treffe, das ebenso schwer wiege wie das des Beklagten, weil Arthur H. dem Beklagten die Schlüssel zum PKW. übergeben, eine entsprechende Beaufsichtigung des mj. Lehrlings verabsäumt und nichts unternommen habe, um jede mißbräuchliche Benützung des Fahrzeuges durch den über keine fahrtechnischen Kenntnisse verfügenden Lehrling hintanzuhalten. Dem Arthur H. hätte auch klar sein müssen, daß gerade Minderjährige im Alter des Beklagten (dieser ist am 31. Oktober 1939 geboren und war am Tage des Unfalles, am 30. Mai 1956, erst 16 Jahre alt) erfahrungsgemäß jede sich bietende Gelegenheit benützen, um sich an Kraftfahrzeugen schaffen zu machen. Arthur H. könne dem Beklagten, der mit ihm als Gesamtschuldner dem Eigentümer des Motorrades für dessen Schaden mitgehaftet habe, nur insoweit in Anspruch nehmen, als er nicht selbst wegen seines eigenen Verschuldens schadenersatzpflichtig sei. Nur in diesem Umfange sei ein Anspruch gegen den Beklagten gemäß § 67 VersVG. auf den Versicherer, also die klagende Partei, übergegangen. Da Arthur H. zur Hälfte ein Mitverschulden treffe, bestehe der Klageanspruch nur zur Hälfte zu Recht. § 158f VersVG. könne nicht zur Anwendung gelangen, weil die klagende Partei von Arthur H. nach § 2 Abs. 2 lit. b 2. Satz AKB. keinen Ersatz verlangen könne.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Es muß zwischen dem gesetzlichen Forderungsübergang nach § 67 VersVG. und nach § 158f VersVG. unterschieden werden. Nach § 67 VersVG. geht, wenn dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen einen Dritten zusteht, dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt hat. Nach § 158f VersVG. geht die Forderung des Dritten gegen den Versicherungsnehmer auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Dritten nach § 158c VersVG. befriedigte, d. h. als Träger der Zwangsversicherung den Schaden decken mußte, obwohl er dem Versicherungsnehmer gegenüber ganz oder teilweise von der Verpflichtung zur Leistung frei war. In den beiden Fällen handelt es sich daher um vollkommen verschiedene Forderungen. Im Falle des § 67 VersVG.ist es die Forderung des Versicherungsnehmers gegen allfällige Schädiger, im Falle des § 158f VersVG. die Forderung des geschädigten und vom Zwangsversicherer befriedigten Dritten gegen den Versicherungsnehmer, die auf den Versicherer übergeht. Im Falle des § 67 VersVG. leitet sich die Klagelegitimation des Versicherers vom Versicherungsnehmer, im Falle des § 158f VersVG. vom geschädigten Dritten ab. Nach Prölss, VersVG., 10. Aufl. S. 457, schließt das Vorhandensein eines Anspruches nach § 158f VersVG. die Anwendung der Bestimmung des § 67 VersVG. aus und bleiben etwaige Ausgleichsansprüche gegen andere Verpflichtete (in diesem Falle gegen den Beklagten) dem Versicherungsnehmer vorbehalten. Der Versicherer kann diese Ausgleichsansprüche nur zugunsten seines Rückgriffsanspruches nach § 158f VersVG. pfänden, aber nicht unmittelbar geltend machen.
Die Untergerichte haben entgegen den Klageausführungen den eingeklagten Anspruch als einen Rückgriffsanspruch nach § 67 VersVG. beurteilt. Ein solcher Anspruch war aber nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Klage stützt sich vielmehr ausdrücklich auf den gesetzlichen Forderungsübergang nach § 158f VersVG. Die klagende Partei behauptet, daß sie als Versicherer ihres Versicherungsnehmers und Fahrzeughalters Arthur H. dem geschädigten Motorradeigentümer den Schaden habe ersetzen müssen, weil sie diesem gemäß § 158c VersVG. zur Leistung verpflichtet gewesen sei. Sie bezeichnet ihre Regreßansprüche ausdrücklich als solche nach § 158f VersVG. Nach dieser Bestimmung kann der (Zwangshaftpflicht-)Versicherer, der den Geschädigten nach § 158c VersVG. befriedigt hat, zwar nicht nur gegen den Versicherungsnehmer, sondern auch gegen den mitversicherten berechtigten Fahrer, für den er die Leistung bewirkt hat, Rückgriff nehmen (VersR. 1954 S. 264; NJW. 1958 S. 140). Um einen mitversicherten berechtigten Fahrer handelt es sich aber beim Beklagten nicht. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen, da das Klagebegehren zur Gänze hätte abgewiesen werden müssen.
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