Spruch:
Ob die Verlesung der schriftlichen letztwilligen Verfügung entgegen § 581 letzter Satz ABGB vom Schreiber des letzten Willens vorgenommen worden ist, gehört nicht zur äußeren Form der letztwilligen Verfügung
OGH 6. September 1973, 2 Ob 121/73 (KG Wr. Neustadt R 187/33; BG Wr. Neustadt A 169/73)
Text
Mit Beschluß vom 12. März 1973 hat das Erstgericht die von Charlotte F und Kriemhild M auf Grund des Testamentes vom 24. Mai 1966 abgegebenen bedingten Erbserklärungen sowie die von dem minderjährigen Johannes G und der minderjährigen Susanne G auf Grund des Testamentes vom 6. Jänner 1973 abgegebenen bedingten Erbserklärungen zu Gericht angenommen.
Bei der gemäß § 125 AußStrG abgehaltenen Tagsatzung zur Verteilung der Parteirollen wendeten Charlotte F und Kriemhild M formelle und materielle Ungültigkeit des Testamentes vom 6. Jänner 1973 ein, da die Zeugin Dr. Edith H nur als Unterschriftszeugin unterfertigt habe die Testamentszeugen nicht gleichzeitig anwesend gewesen seien und die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes nicht mehr in der Lage gewesen sei, dieses Testament zu unterschreiben, und nicht mehr im Besitz ihrer geistigen Kräfte gewesen zu sein.
Ferner wendeten sie die Ungültigkeit des Testamentes vom 6. Jänner 1973 wegen Verletzung der Vorschrift nach § 581 letzter Satz ABGB ein.
Das Erstgericht teilte Charlotte F und Kriemhild M die Klägerrolle zu und wies sie an, binnen vier Wochen die Klage gegen die Erben auf Grund des Testamentes vom 6. Jänner 1973 einzubringen und dem Gericht nachzuweisen, widrigenfalls in der Verlassenschaftsabhandlung ohne Berücksichtigung der auf den Rechtsweg verwiesenen Erben vorgegangen würde. Das allographe Testament vom 6. Jänner 1973 sei mit allen zur Gültigkeit erforderlichen äußeren Förmlichkeiten versehen, da ein auf die Zeugeneigenschaft hinreichender Zusatz genüge, ein Testamentszeuge - nämlich Dr. Edith H - diesen Zusatz gemacht habe und nicht verlangt werde, daß jeder Zeuge einen solchen Zusatz beifüge. Da das Testament den Anforderungen des § 123 AußStrG entspreche, seien die darin eingesetzten Personen solange für die rechtmäßigen Erben zu halten, als die Rechtsgültigkeit des Testamentes nicht bestritten sei. Die zur Bestreitung dieses Testamentes aufgestellten Behauptungen der Erben auf Grund des Testamentes vom 24. Mai 1966 beträfen nicht die äußere Form, sondern die Gültigkeit. Hierüber könne nur im Rechtsweg entschieden werden.
Das Rekursgericht hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Ergänzung des Verfahrens auf. Da die Rekurswerber eingewendet hätten, daß bei der Errichtung des fremdhändigen Testamentes vorn 6. Jänner 1973 verschiedene äußere Formerfordernisse eines solchen Testamentes (§§ 579 bis 583 ABGB) nicht eingehalten worden seien, hätte das Erstgericht schon im Außerstreitverfahren Klarheit schaffen, das heißt in erster Linie Feststellungen treffen müssen. Insbesondere fehlten Feststellungen, welche auf die Zeugenschaft hinweisende Zusätze gemacht worden seien, von wem und mit Bezug auf wen; welche Zeugen zugleich gegenwärtig gewesen seien; ob die Erblasserin, da sie sich den von der Zeugin Dr. Edith H verfaßten Aufsatz vorlesen ließ, vielleicht nicht oder nicht hinreichend gut habe lesen können; zutreffendenfalls, ob die Zeugin Dr. Edith H den Aufsatz in Gegenwart der anderen zwei Zeuginnen vorgelesen habe und ob diese den Inhalt bei Unterfertigung eingesehen hätten. Erst wenn klargestellt sein werde, wie es sich bezüglich dieser Fragen verhalte, könne entschieden werden, ob das jüngere Testament vom 6. Jänner 1973 den äußeren Formerfordernissen eines fremdhändigen Testamentes entspreche und wer als Kläger aufzutreten habe.
Im Revisionsrekurs wird vorgebracht, die vom Rekursgericht für klärungsbedürftig erachteten Fragen beträfen nicht die äußere Form des Testamentes vom 6. Jänner 1973, weshalb nicht das Abhandlungsgericht, sondern das Prozeßgericht zu ihrer Klärung berufen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des minderjährigen Johannes und der minderjährigen Susanne G Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dieser Rechtsansicht ist beizupflichten. Die Rekurswerber verweisen mit Recht auf die Entscheidung GIU 1 1.818, in der in einem gleichartigen Fall ausgesprochen wurde, daß unter dem Ausdruck "gehörige Form" im § 126 AußStrG nichts anderes verstanden werden könne, als was in den §§ 553 und 577 ABGB als innere bzw. äußere Form der letztwilligen Anordnung erklärt worden sei. Ob beim Zustandekommen auch die Vorschriften der §§ 579 bis 581 ABGB in allen Beziehungen genau beobachtet worden seien, betreffe nicht mehr die Form der letztwilligen Anordnung, sondern die Gültigkeit desselben, worüber aber nicht der Abhandlungsrichter im Verfahren außer Streitsachen abzusprechen habe, sondern worüber erst in einem einzuleitenden Erbrechtsstreit zu verhandeln und zu entscheiden sei. Im selben Sinn legte die Entscheidung GlUNF 7327 dar, es komme nach § 126 AußStrG nur darauf an, daß das vorliegende Testament äußerlich vollkommen den Vorschriften eines allographen Testamentes im Sinne des § 579 ABGB entspreche, weshalb nur im Prozeßwege geprüft werden könne, ob die Zeugen gleichzeitig anwesend gewesen seien.
In letzter Zeit hat der OGH in mehreren, allerdings die Errichtung mündlicher Testamente betreffenden Entscheidungen ebenfalls auseinandergesetzt, daß nach § 126 AußStrG nur maßgebend sei, ob die Erklärung des Erblassers den äußeren Formerfordernissen (dort: gleichzeitige Anwesenheit von drei Zeugen) entspreche alle anderen Fragen seien vom Streitrichter zu klären (z. B. SZ 43/148, EvBl. 1971/198. NZ 1971, 29).
Festzuhalten ist daher, daß lediglich in Betracht zu ziehen ist, ob die gegenständliche letzte Willenserklärung ihrer äußeren Form nach dem Gesetz entspricht, das heißt diesfalls, ob eine schriftliche Willenserklärung vorliegt, die nicht vom Erblasser selbst, sondern von einer anderen Person niedergeschrieben wurde und welche die Unterschrift des Erblassers und dreier Zeugen aufweist sowie schließlich eine Erbseinsetzung dessen, der sich daraufhin erbserklärt hat, enthält (GIU 11.818). Da im Rekurs alle diese Umstände gar nicht mehr in Zweifel gezogen wurden, sondern lediglich geltend gemacht wurde die Verlesung der schriftlichen letztwilligen Verfügung sei entgegen § 581 letzter Satz ABGB vom Schreiber des letzten Willens vorgenommen worden, was im Sinne der vorigen Ausführungen nicht als Frage der gehörigen äußeren Form der letztwilligen Verfügung zu betrachten ist, hat daher das Erstgericht die Verteilung der Klägerrolle richtig vorgenommen, ohne daß weitere Feststellungen in Betracht kämen.
Der Oberste Gerichtshof konnte sohin in der Sache selbst, wie im Spruch, entscheiden (vgl. JBl. 1971, 138).
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