Spruch:
Der Vermögensgerichtsstand kann auch auf eine vom Beklagten zur Sicherung abgetretene Forderung gestützt werden
OGH 29. 2. 1972, 4 Ob 505/72 (OLG Wien 3 R 232/71; HG Wien 1 Cg 152/70)
Text
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung eines Betrages von S 183.800.- sA als restliches Entgelt für die Herstellung und Lieferung von zwei Flutlichtmasten-Verlängerungen für eine Wiener Sportanlage. Sie stützt die Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes iS des § 88 Abs 1 JN, des Fakturengerichtsstandes iS des § 88 Abs 2 JN, den Gerichtsstand des Vermögens gemäß § 99 JN und den Gerichtsstand der Vereinbarung nach § 104 JN.
Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Zuständigkeitsstreit ein und wies die Klage wegen Unzuständigkeit zurück. Es legte seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:
Nach Durchführung des Auftrags der Beklagten habe diese den Eingang der Rechnung der Klägerin vom 31. 3. 1970 sowie eines Fernschreibens vom 13. 4. 1970 bestätigt und mit Schreiben vom 14. 4. 1970 mitgeteilt, daß der Betrag von S 175.000.- überwiesen worden sei. Dieses Schreiben habe den Aufdruck "Gerichtsstand Wiesbaden" enthalten. Gegen diesen Aufdruck habe die Klägerin keinen Widerspruch erhoben, ebensowenig wie die Beklagte gegen den Inhalt der ihr erstmals zugleich mit den Rechnungen der Klägerin bekanntgewordenen Lieferbedingungen.
Die Beklagte habe gemäß Forderungsabtretungsvertrag zwischen ihr und der Wiesbadener R-Bank E GmbH vom 2. 7. 1970 die ihr gegen die Wiener L-Veranstaltungs- und Betriebsgesellschaft mbH zustehenden Forderungen in der Höhe von insgesamt S 6.600.000.- der genannten Bank abgetreten. Frau O habe für die Beklagte anfangs Juli 1970 die Abtretungsanzeige der Wiener L-Veranstaltungs- und Betriebsgesellschaft mbH überbracht. Die Forderungsabtretung sei sohin auch gegenüber dem Schuldner vor der am 14. 10. 1970 erfolgten Klagserhebung wirksam geworden. Diese Forderungsabtretung sei zur Besicherung eines der Beklagten eingeräumten Kredits erfolgt. Das Kreditverhältnis bestehe mit der genannten Bank auch heute noch. Diese sei zur Rückabtretung bei Beendigung des Kreditverhältnisses oder Fortfall des Sicherungszweckes verpflichtet. Die Beklagte habe gegen die Stadt Wien keine - weitere - Forderung. Es sei lediglich beabsichtigt, die auf einer Wiener Sportanlage demontierten Maste auf einem Wiener Fußballplatz aufzustellen, doch sei ein diesbezüglicher Auftrag an die Beklagte bisher noch nicht erteilt worden.
Das Erstgericht ging davon aus, daß keiner der von der Klägerin behaupteten Gerichtsstände gegeben sei. Der Fakturengerichtsstand iS des § 88 Abs 2 JN liege deswegen nicht vor, weil Gegenstand des Geschäftes nicht die Lieferung einer Ware, sondern die Herstellung eines Werkes gewesen sei. Darüber hinaus habe die Beklagte durch den auf ihrem Schreiben vom 14. 4. 1970 angebrachten Vermerk "Gerichtsstand Wiesbaden" jedenfalls der Begründung eines Fakturengerichtsstandes in Wien widersprochen. Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes iS des § 88 Abs 1 JN könne nur bei Vorliegen eines urkundlichen Nachweises über eine diesbezügliche Vereinbarung der Parteien angenommen werden. Ein solcher Nachweis liege nicht vor. Der Gerichtsstand des Vermögens iS des § 99 JN sei nicht gegeben, weil weder die Wiener L-Veranstaltungs- und Betriebsgesellschaft mbH noch die Stadt Wien Schuldner der Beklagten seien. Diese habe noch vor Erhebung der Klage ihre Forderung gegen die erstgenannte Gesellschaft an die Wiesbadener R-Bank zur Besicherung eingeräumter Kredite abgetreten. Die Forderung stehe daher im Vermögen der genannten Bank. Der Anspruch auf Rückabtretung richte sich gegen diese Bank, weshalb in diesem Sinn der Wohnsitz des Drittschuldners nicht in Österreich gelegen sei. Schließlich sei auch der Gerichtsstand nach § 104 Abs 1 und 2 JN mangels Nachweises einer diesbezüglichen Vereinbarung nicht gegeben.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge. Es wies die Einrede der Unzuständigkeit und des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit zurück und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens auf. Da die Forderungsabtretung nur zur Besicherung eines der Beklagten eingeräumten Kredites erfolgte, stehe diese Forderung der Beklagten gegenüber der Wiener L-Veranstaltungs- und Betriebsgesellschaft mbH, die Drittschuldnerin iS des § 99 Abs 2 JN geblieben sei, zu. Der Fall sei so zu behandeln wie jener, bei dem ein gepfändetes oder verpfändetes Vermögen vorliege, das in jedem Fall als ein solches der Beklagten anzusehen sei. Die Voraussetzungen für den Vermögensgerichtsstand iS des § 99 JN seien daher gegeben. Somit sei auf die Frage, ob ein ausländischer Wahlgerichtsstand bestehe, nicht einzugehen gewesen, da ein solcher der Heranziehung des Vermögensgerichtsstandes nicht im Wege stehe, ebenso nicht auf die Frage, ob auch die weiteren vom Kläger herangezogenen Gerichtsstände gegeben seien.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Beklagte vertritt die Meinung, durch die Abtretung der Forderung an die Bank sei ein Wechsel in der Person des Forderungsberechtigten eingetreten, wodurch die Forderung aus dem Vermögen der Beklagten ausgeschieden sei.
Das Rekursgericht hat sich zur Begründung seiner Auffassung, daß der Beklagten an der sicherungsweise abgetretenen Forderung noch Vermögensrechte zustehen, auf die Meinung Faschings (I 482) berufen, der dort ausführt, auch gepfändete, verpfändete oder sicherungsweise abgetretene Forderungen seien zur Begründung des Gerichtsstandes nach § 99 JN geeignet.
Nach der einhelligen österreichischen Rechtsprechung (SZ 32/170, 36/18, RiZ 1967, 90 ua) ist die Sicherungsabtretung ein der Verpfändung körperlicher Sachen durchaus ähnliches Rechtsverhältnis. Durch sie wird ein Treuhandverhältnis begrundet, dessen Inhalt sich im einzelnen nach den Parteienvereinbarungen richtet. Der Treuhänder ist nach außenhin unbeschränkt Verfügungsberechtigter, jedoch im Innenverhältnis dem Treugeber obligatorisch verpflichtet, das ihm übertragene Recht im Interesse des Treugebers auszuüben, also von seiner äußeren Rechtsstellung als voll Verfügungsberechtigter nur einen dem inneren Zweck entsprechenden Gebrauch zu machen. Das zu treuen Handen übertragene Recht scheidet zwar rechtlich, nicht aber wirtschaftlich aus dem Vermögen des Treugebers aus (SZ 25/249, EvBl 1972/19). Die Verpflichtung des Treuhänders, von dem abgetretenen Recht nur innerhalb der vertraglichen Schranken Gebrauch zu machen, ist Inhalt der dem Treugeber verbliebenen, auf obligatorischer Grundlage beruhenden Vermögensrechte. Daher hat die wirtschaftlich die Stellung eines Pfandrechtes vertretende Sicherungsabtretung nicht das endgültige Ausscheiden der abgetretenen Forderung aus dem Vermögen des Treugebers zur Folge. So erlangt dieser auch gleichzeitig mit der sicherungsweisen Abtretung eine Anwartschaft auf Rückabtretung, sodaß er nach Erlöschen der gesicherten Forderung oder bei Austausch der zur Sicherung abgetretenen Forderung gegen eine andere das volle Recht am Sicherungsgut zurückerhält, wie dies auch im Pfandrecht vorgesehen ist. Mangels einer gegenteiligen Absprache soll das abgetretene Recht die besicherte Forderung, auf die sich die Sicherungsabrede als Titel bezieht, nicht überdauern. Das Anwartschaftsrecht des Übergebers ist daher mit weitgehenden Wirkungen ausgestattet (siehe die Ausführungen Frotz in den "Verhandlungen des 4. ÖJT" I/3, 244 f).
Das Rekursgericht hat allerdings übersehen, daß sich die Beantwortung der Frage nach der Auswirkung der Sicherungsabtretung auf das materielle Recht des Zedenten an der abgetretenen Forderung nach deutschem Recht zu richten hat, weil der Abtretungsvertrag zwischen deutschen Unternehmen in der BRD abgeschlossen wurde (vgl Schnitzer, IPR[4]II, 656 f; Raape IPR[5], 660; Walker IPR[5], 486). Die Anwendung des deutschen Rechtes führt jedoch zu keinem anderen Ergebnis. Die Wirksamkeit der sicherungsweisen Forderungsabtretung ist im § 223 Abs 2 BGB ausdrücklich anerkannt. Im deutschen Schrifttum wird ebenfalls die Auffassung vertreten, daß durch die sicherungsweise Forderungsabtretung das Vollrecht auf den Erwerber übertragen wird, daher die übertragene Forderung rechtlich nach außen hin zwar zum Vermögen des Treuhänders, wirtschaftlich aber zu jenem des Treugebers gehört, und daß die sicherungsweise Abtretung den wirtschaftlichen Zweck einer Pfandbestellung erfüllt. Der Sicherungsnehmer darf von seinem Recht, ebenso wie nach österreichischem Recht, nur im Rahmen des Sicherungszweckes Gebrauch machen, darüber hinaus nur mit Zustimmung oder im Interesse des Sicherungsgebers. Die abgetretene Forderung darf zu keinem anderen Zweck als zur Deckung der Schuld des Treugebers an den Treuhänder verwendet werden, dieser hat die Forderung rückzuübertragen, wenn die besicherte Forderung erlischt, und muß bei Einziehung der abgetretenen Forderung den Erlös zur Befriedigung der Forderung gegen den Treugeber verwenden, nämlich ihn von seiner Verbindlichkeit befreien und den die eigene Forderung übersteigenden Teil herausgeben (so Palandt, BGB[30] bei § 398 Anm 6c und S 131, Staudinger, BGB[9] II 797, 801. RGR-Kommentar zum BGB[11] I/2, 1429 f). Der Auffassung des Rekursgerichtes, der Beklagten stunden an der abgetretenen Forderung Vermögensrechte zu, kann somit nicht entgegengetreten werden. Nach § 99 Abs 2 JN gilt der Wohnsitz des Drittschuldners als der Ort, an welchem sich das Vermögen befindet. Gegen die örtliche Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien bestehen daher keine Bedenken.
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