Spruch:
Hat der Gläubiger von seinem Schuldner vollständige oder teilweise Befriedigung erlangt, dann kann er in diesem Umfang den Schuldner der ihm sicherungsweise abgetretenen Forderung nicht mehr in Anspruch nehmen.
Entscheidung vom 23. Dezember 1959, 1 Ob 329/59.
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Die klagende Partei verlangte, die beklagte Partei zur Zahlung von 45.030 S 21 g s. A. zu verurteilen, weil ihr Paul G. & Co. Forderungen in dieser Höhe gegen die beklagte Partei abgetreten hätten. Die beklagte Partei beantragte Abweisung dieses Begehrens, weil die Abtretungen nicht bzw. nicht mehr wirksam und weil auch die Schulden bezahlt seien.
Das Erstgericht verurteilte und stellte fest:
Die Klägerin räumte G. & Co. einen Kredit von insgesamt 270.000 S ein, der auf einer Liegenschaft einer Gesellschafterin in O. hypothekarisch sichergestellt wurde und zu dessen Abdeckung G. & Co. außerdem Forderungen gegen ihre Kunden bis zum Betrag von 330.000 S abtraten. Darunter wurden auch Forderungen aus Warenlieferungen gegen die Beklagte zediert, und zwar erfolgte eine Zession im Jänner 1957 über Fakturenbeträge von zusammen 7865 S 30 g. Die Beklagte nahm die ihr von der Klägerin brieflich am 14. Jänner 1957 mitgeteilte Abtretung mit Schreiben vom 21. Jänner 1957 zur Kenntnis und verpflichtete sich zur Zahlung dieses Betrages an die Klägerin unter den gleichen Bedingungen, wie sie ihr von G. & Co. eingeräumt wurden. G. & Co. setzten ihre Lieferungen an die Beklagte fort und stellten ihr mit den Fakturen vom 6., 12., 16., 20., 23., 25. und 26. Februar sowie vom 2. und 9. März 1957 die Kaufpreise dafür in Rechnung. Diese umfassen zusammen eine Summe von 37.165 S 08 g. Jede dieser Fakturen trägt den mit Stempelaufdruck darauf angebrachten, deutlich sichtbaren Vermerk über die Abtretung des Rechnungsbetrages an die Klägerin und den ausdrücklichen Hinweis, daß nur an diese Zahlungen geleistet werden können. Mit Schreiben vom 7. Mai 1957 mahnte die Klägerin unter Verweisung auf die erfolgten Zessionen die Zahlung der in zehn der oberwähnten Fakturen in Rechnung gestellte Beträge ein und stellte hiezu eine Frist bis 31. Mai 1957. Dessenungeachtet setzte die Beklagte den bis dahin gegenüber G. & Co. bei der Abdeckung ihrer Kaufpreisschulden gehandhabten Vorgang fort, indem sie diesen sowohl für die im Jänner 1957 als auch für die im Februar und März 1957 in Rechnung gestellten Beträge Wechsel ausstellte, die G. & Co. entgegennahmen, um sich hiefür durch Eskomptierung Bargeld zu verschaffen. Diese Wechsel wurden von der Beklagten zur Verfallszeit auch eingelöst. Über G. & Co. wurde am 8. Mai 1957 vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz das Ausgleichsverfahren eröffnet, das mit Beschluß vom 2. September 1957 gemäß § 55 AO. eingestellt wurde. Die Behauptung der Beklagten, es sei ihr von der Klägerin bindend zugesagt worden, sie erst dann in Anspruch zu nehmen, wenn die Klägerin ihre offenen Forderungen gegen G. & Co. nicht auf andere Weise, insbesondere aus der Hypothek, nicht voll hereinbringen könne, ist unbewiesen geblieben.
Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, daß die Beklagte, die von den im Jänner 1957 von G. & Co. vorgenommenen Abtretungen spätestens am 14. Jänner 1957, von den weiteren Zessionen aber mit dem Erhalt der einzelnen Fakturen Kenntnis erhalten hatte, ungeachtet der an G. & Co. geleisteten Zahlungen der Klägerin für die abgetretenen Forderungen haftbar sei, das Klagebegehren daher zu Recht bestehe.
Die Berufung der beklagten Partei blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm die eben wiedergegebenen erstgerichtlichen Feststellungen. Es hielt aber das erstgerichtliche Verfahren deshalb für mangelhaft, weil sich der Erstrichter mit der Behauptung der beklagten Partei nicht auseinandergesetzt habe, die Klägerin habe der Abtragung der zedierten Forderungen an G. & Co. durch Wechselbegebungen zugestimmt. Hiezu ergänzte es das Verfahren durch Vernehmung der Zeugen Günther P., Dr. Maria J. und Hermine Po. Von der ergänzenden Vernehmung des Zeugen Paul G., die es ebenfalls zugelassen hatte, nahm es Abstand, weil dieser Zeuge zwischenzeitig nach Australien ausgewandert war und der Sachverhalt durch die vorgenommenen ergänzenden Beweisaufnahmen voll geklärt worden sei.
Auf Grund des ergänzten Beweisverfahrens stellte das Berufungsgericht fest, daß die behauptete Zustimmung seitens der Klägerin weder ausdrücklich noch auch in schlüssiger Form erteilt worden sei. Der von der Beklagten behauptete Vorgang, nämlich die stillschweigende Hinnahme der Ersetzung abgetretener Forderungen gegen die Beklagte durch neue, gegen andere Schuldner gerichtete Forderungen in dem von G. & Co. der Klägerin monatlich über den Stand der Zessionen eingereichten Verzeichnis, könne schon rechtlich gesehen nicht als eine schlüssige Entlassung der Beklagten als abgetretene Schuldnerin aus dem Schuldverhältnis durch die Klägerin angesehen werden. Außerdem stehe auf Grund der Aussage der Zeugin Dr. Maria J. und der Zeugin Hermine Po. fest, daß ab Jänner 1957, also in der in Betracht kommenden Zeit, keine neuen Listen über den Stand der Zessionen von G. & Co. der Klägerin vorgelegt worden seien.
Auch die Rechtsrüge, die Klägerin könne von der Beklagten keinen höheren Betrag eintreiben, als ihr G. & Co. auf Grund des Kreditverhältnisses noch schuldeten, hielt das Berufungsgericht für unbegrundet.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
In rechtlicher Beziehung läßt sich der Sachverhalt erst abschließend beurteilen, bis er mit ausreichender Deutlichkeit feststeht. Wenn in der Revision auf Abtretung zahlungshalber oder an Zahlungs Statt abgestellt wird so ist dem zu entgegnen, daß nicht im Hinblick auf bestimmte Forderungen der Klägerin gegen G. & Co. von diesen die Forderungen gegenüber der Beklagten an die Klägerin abgetreten wurden, sondern daß es sich um ein Kreditverhältnis handelte, im Rahmen dessen immer wieder ein Teil des Gesamtsaldos abgedeckt und neue Beträge gegeben wurden, so daß sich ein Zusammenhang zwischen den zedierten Forderungen und einzelnen bestimmten Forderungen der Klägerin gegen G. & Co. nicht herstellen läßt. Rechtlich liegt weder eine Abtretung zahlungshalber noch an Zahlungs Statt, sondern eine Sicherungsabtretung vor, das ist ein einer Verpfändung körperlicher Sachen durchaus ähnliches Rechtsverhältnis (vgl. auch §§ 10 KO. und 10 AO.). Hat aber in einem solchen Fall der Gläubiger völlige oder teilweise Befriedigung vom Personalschuldner erlangt, dann kann er in diesem Umfang den vom Personalschuldner verschiedenen Pfandschuldner, hier den Schuldner der abgetretenen Forderung, nicht mehr in Anspruch nehmen (§ 469 ABGB.). Bei solcher Auffassung ergibt sich, daß dann, wenn in der Tat bewiesen werden sollte, daß die Klägerin wegen ihrer Forderungen gegen G. & Co. voll oder teilweise befriedigt wurde, sie nur im Rahmen ihrer noch unbefriedigten Forderungen von der beklagten Partei Zahlung verlangen könnte. Die Beweislast für die völlige oder teilweise Befriedigung der Klägerin trifft allerdings die beklagte Partei, wie auch der Pfandschuldner das Erlöschen der persönlichen Schuld beweisen muß.
Die Ausführungen in der Revision zur angeblichen Schikane der klagenden Partei gehen am rechtlichen Kern der Sache vorüber. Daß der Gläubiger bei mehreren Befriedigungsmöglichkeiten die für ihn günstigste wählen kann, erkennt die beklagte Partei selbst. Die Klägerin kann daher auch dann, wenn eine noch aufrechte Hypothekarhaftung für ihre offene Forderung besteht, ohne weiteres, statt auf die Pfandliegenschaft zu greifen, die Beklagte in Anspruch nehmen. Richtig ist an den Ausführungen in der Revision nur das, was bereits oben dargelegt wurde, daß nämlich die Klägerin bei einer Sicherungsabtretung die Forderungen nur im Rahmen ihrer noch offenen Forderung eintreiben kann. Dem ist noch beizufügen, daß dann, wenn darüber hinaus auch eine Inkassozession anzunehmen ist, die Klägerin sich das einwenden lassen muß, was allenfalls der Beklagten entgegengehalten werden kann, hier etwa, daß die abgetretenen Forderungen bereits zur Gänze, insbesondere auch durch Zahlungen an die Beklagte, getilgt seien.
Da in den aufgezeigten Richtungen die Sachverhaltsfeststellungen nicht ausreichen, um eine verläßliche rechtliche Beurteilung zu gewährleisten, war das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Rechtssache zurückzuverweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)