OGH 3Ob465/52

OGH3Ob465/5225.9.1952

SZ 25/249

Normen

ABGB §1009
ABGB §1017
ABGB §1009
ABGB §1017

 

Spruch:

Zum Wesen des Treuhandgeschäftes.

Entscheidung vom 25. September 1952, 3 Ob 465/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die geräumte Übergabe der Parzelle Nr. X im Kleingartenverein P., in die am 23. Juni 1945 der Beklagte von der Magistratsabteilung 53 eingewiesen wurde. Es ist unbestritten, daß die Einweisung in der Folge aufgehoben wurde. Die Klägerin begrundet ihren Räumungsanspruch damit, daß ihr am 2. April 1945 verstorbener Gatte Anton I. die Parzelle seinerzeit vom Kleingartenverein P. gekauft habe, doch sei dieser aus praktischen Gründen grundbücherlicher Eigentümer geblieben und sei ihrem Ehegatten anläßlich des Kaufes die grundbücherliche Übertragung zugesichert worden. Zufolge Erbübereinkommens sei die Klägerin Rechtsnachfolgerin des Anton I. mit Bezug auf seine Rechte an der gegenständlichen Parzelle.

Dagegen wendete der Beklagte ein, daß der Kleingartenverein P. im Jahre 1942 das grundbücherliche Eigentum an den in Pacht genommenen Parzellen vom Voreigentümer 8. erworben habe. Die einzelnen Mitglieder des Vereines haben ein Fruchtgenußrecht an dem im Grundbuch ungeteilten Grundstück erhalten, das mit ihrer Mitgliedschaft verbunden, im Grundbuch aber nicht intabuliert war. Bei Ableben eines Mitgliedes oder bei Austritt konnte lediglich ein Vorschlagsrecht ausgeübt werden. Dieses sei aber im Jahre 1945 nicht ausübbar gewesen, da dem Kleingartenverein P. in der Person des Beklagten ein Fruchtnießer präsentiert wurde, der eine Einweisung auf die gegenständliche Parzelle hatte.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren kostenpflichtig ab. Es stellte fest, daß der Kleingartenverein P. im Jahre 1942 den unter der gemeinsamen Bezeichnung "S-Grund" zusammengefaßten Kleingartengrund gekauft hat und dessen grundbücherlicher Eigentümer geworden ist. Den Kleingärtnern (die bisher Pächter waren) sei zwar die Übertragung des bücherlichen Eigentums an der von ihnen bisher genutzten Gartenparzelle, für die sie den Kaufpreis entrichteten, für einen späteren Zeitpunkt durch den Kleingartenverein P. zugesichert worden. Bis zu diesem Zeitpunkt sei aber der Kleingartenverein P. ausschließlich über den Gartengrund als Bucheigentümer verfügungsberechtigt. Der bezahlte Preis sei kein Kaufpreis im Rechtssinn, weil die Rechte der Kleingärtner, so auch des Anton I., des Rechtsvorgängers der Klägerin, zufolge schriftlicher Vereinbarung vom 10. November 1943 nur im Rahmen der Vereinssatzungen ausgeübt werden können. Mangels mündlicher oder schriftlicher Nebenabreden erlösche daher, wie das Erstgericht auf Grund der Beilage 2 als erwiesen annahm, das als persönliche Dienstbarkeit zu wertende Recht des Anton I. (Fruchtgenußrecht) mit seinem Tode. Selbst bei Annahme eines Kaufpreises habe Anton I. mangels Verbücherung Eigentum nicht erworben.

Infolge Berufung der klagenden Partei änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab.

Das Berufungsgericht gelangte auf Grund des von ihm zum Teil wiederholten Beweisverfahrens zu folgenden Feststellungen:

Der Landesbund der Kleingärtner "Donauland, Südmark und Alpenland", dem in der Zeit von 1938 bis 1945 sämtliche Kleingartenvereine angehören mußten, habe die Erhaltung der S-Gründe, die von den Eigentümern zum Kauf angeboten waren, als Kleingartengrund angestrebt. Der S-Grund sei zur Zeit der Ankaufsmöglichkeit im Jahre 1942 weder parzelliert noch aufgeschlossen gewesen. Der Landesbund als Pächter des S-Gründes habe an den Kleingartenverein P. die Weisung, nach den damaligen Organisationsverhältnissen sohin einen bindenden Auftrag, ergehen lassen, daß die einzelnen Mitglieder des Vereines, die den S-Grund benützten, den Grund kaufen sollen. Als Kaufpreis sei der aliquote Teil des Gesamtkaufpreises, der der vom jeweiligen Siedler genutzten Fläche entsprach, bestimmt worden. Nachdem der anteilige Kaufpreis entrichtet war, sei ein Pachtschilling von den Siedlern nicht mehr zu bezahlen gewesen. Der Kleingartenverein P. habe im Auftrag des Landesbundes als Treuhänder der Kleingärtner diese Pachtgrunde gekauft. Die Mitglieder seien außerbücherliche Eigentümer geworden. Darüber hinaus habe der Landesbund jedoch eine weitere Bindung der Mitglieder an die Gartenordnung angestrebt, um das Entstehen einer wilden Siedlung zu vermeiden. Die Form der Bindung der außerbücherlichen Eigentümer an die Gartenordnung sei ungeregelt geblieben. Eine endgültige Regelung sollte nach der Parzellierung Zug um Zug bei Verbücherung der Eigentumsrechte der Mitglieder erst erfolgen. Nach der Absicht des Landesbundes und der damaligen Funktionäre des Kleingartenvereines P. sollten die außerbücherlichen Gründeigentümer (Käufer) durch die Vereinssatzungen, deren Teil die Gartenordnung ist, untereinander gebunden bleiben und dadurch der Charakter der gekauften Gründe als Siedlungsgrunde erhalten bleiben.

In rechtlicher Hinsicht müßten, so führte das Berufungsgericht aus, die körperschaftlichen Verpflichtungen der Mitglieder von ihren Privatrechten an Gründen, die von den Satzungen unabhängig sind, streng unterschieden werden. Die Käufer haben sich freiwillig durch ihre Mitgliedschaft zum Kleingartenverein der Gartenordnung unterworfen, ohne dadurch - abgesehen von der Unterwerfung unter die Gartenordnung - ihre Eigentumsrechte zu beschränken. Darüber hinaus könne aber die Satzung des Kleingartenvereines in die Privatrechte der Mitglieder, die außerbücherliche Eigentümer des von ihnen genutzten Gründes geworden seien, nicht eingreifen. Insbesondere könne der Kleingartenverein über die außerbücherlichen Eigentumsrechte der Käufer nicht verfügen. Der Kleingartenverein P. habe die Gründe als Verwaltungstreuhänder der außerbücherlichen Eigentümer erworben, die zufolge der Nichtparzellierung ein Bucheigentum nicht erwerben konnten. Der Kleingartenverein sei daher nicht berechtigt gewesen, über das Gründeigentum der Klägerin zugunsten des Beklagten zu verfügen. Diese Verfügung stelle einen Vollmachtsmißbrauch des Verwaltungstreuhänders dar. Der Kleingartenverein sei nur als zwischenzeitiger Verwaltungstreuhänder Eigentümer unter der auflösenden Bedingung, daß bei Wegfall des Treuhandzweckes, nämlich der Schaffung der vermessungsrechtlichen und grundbücherlichen Voraussetzungen, die Verwaltungstreuhand gelöst ist. Es seien daher auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Verwaltungstreuhänder gegenüber der Klägerin nicht nur die Regeln über den schlechten Glauben anzuwenden, sondern darüber hinaus haben der Beklagte und der Verwaltungstreuhänder in unsittlicher Weise zum Nachteil der Klägerin zusammengewirkt. Das zwischen ihnen geschlossene Rechtsgeschäft sei daher der Klägerin gegenüber nichtig.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und stellte das Urteil des Prozeßgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit Recht wird von der Revision die vom Berufungsgericht in die Form einer tatsächlichen Feststellung gekleidete und nicht weiter begrundete Rechtsansicht bekämpft, daß die Mitglieder des Kleingartenvereines P. ein außerbücherliches Eigentum an den von ihnen genutzten Grundflächen erworben haben. Diese Ansicht ist rechtsirrig, da das Eigentum an verbücherten Liegenschaften außerbücherlich nur durch Ersitzung, allenfalls auch bei der Enteignung, bei neu entstandenen Inseln, beim verlassenen Bachbett, beim Verbauen des fremden Gründes oder dergleichen erworben werden kann.

Im vorliegenden Fall wurden die sogenannten S-Gründe von den bisherigen bücherlichen Eigentümern dem Kleingartenverein P. verkauft und durch Einverleibung in das Grundbuch übergeben. Der Kleingartenverein P. allein ist auf Grund dieses gültigen Erwerbungs- und Übertragungsaktes rechtlich Eigentümer dieser Liegenschaft geworden (§ 431 ABGB.). Die Klägerin selbst war, wie die Revision zutreffend ausführt, nicht in der Lage, einen Eigentumserwerb an der gegenständlichen Parzelle nachzuweisen. Denn nach den Feststellungen der Untergerichte hat der Kleingartenverein P. die "S-Grundstücke" durch Kauf ins Eigentum erworben. Er war allerdings nur ein vorgeschobener Käufer für jene Kleingärtner, die im Verhältnis zu den von ihnen genutzten Grundflächen zum Gesamtkaufpreis beigetragen hatten. Hiedurch ist aber, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nur ein Treuhandverhältnis zwischen diesen Kleingärtnern und dem Kleingartenverein P. begrundet worden, ohne daß die Klägerin bzw. ihr Mann selbst das Eigentumsrecht an der gegenständlichen Parzelle erlangt hätte.

Das Wesen des treuhändigen (fiduciarischen) Rechtsgeschäftes besteht darin, daß sich bei ihm der wirtschaftliche Zweck der Zuwendung mit der juristischen Form des Rechtsgeschäftes nicht deckt, so daß der Empfänger der Zuwendung der Geschäftsform gemäß nach außen eine andere Rechtsstellung erhält als sie dem wirtschaftlichen inneren Geschäftszweck entspricht und daß er deshalb dem Treugeber gegenüber verpflichtet ist, von seiner äußeren Rechtsstellung nur einen dem inneren Zweck entsprechenden Gebrauch zu machen. Das zu treuen Handen gewährte Recht scheidet zwar rechtlich, aber nicht wirtschaftlich aus dem Vermögen des Treugebers aus. Das rechtliche Ausscheiden hat aber zur Folge, daß alle dinglichen Beziehungen des Treugebers zu dem übertragenen Recht gelöst werden. Der Treugeber hat daher gegenüber einem Dritterwerber keinen dinglichen Anspruch.

Die Wirkung des nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes begrundeten Treuhandverhältnisses erschöpft sich in dem obligatorischen Anspruch der Kleingärtner gegen den Kleingartenverein P. auf pflichtgemäße Ausübung des erlangten Eigentumsrechtes. Eine weitergehende Wirkung hat das Treuhandverhältnis entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nicht.

Da nach der geschilderten Rechtslage der Klägerin Eigentumsrechte an der gegenständlichen Parzelle nicht zustehen, erweist sich ihr auf den Titel des Eigentums gegrundeter Räumungsanspruch gegen den Beklagten als unbegrundet.

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