Spruch:
Auch eine vertraglich zugesicherte Witwenpension gehört zu den Masseforderungen nach § 46 Abs 1 Z 4 KO
OGH 17. November 1970, 4 Ob 96/70 (LG Linz 8 Cg 9/70; ArbG Linz Cr 19/69)
Text
Der verstorbene Ehemann der Klägerin, Ing Karl V, war Zentraldirektor in der Papierfabrik X. Er schloß am 24. November 1960 mit seiner Dienstgeberin einen Pensionsvertrag ab, wonach ihm neben anderen Leistungen in der Zeit vom 1. Jänner 1961 bis 31. Dezember 1962 14 mal jährlich eine Pension von monatlich 16.142.85 S und vom 1. Jänner 1963 bis zu seinem Tode eine solche von monatlich 5000 S auszubezahlen war. Nach seinem Ableben sollte gemäß Punkt III dieses Vertrages seine Witwe, die Klägerin, von der genannten Papierfabrik 14 mal jährlich eine Pension von 5000 S und nach Ablauf des 2. Jahres nach dem Todestage eine solche von monatlich 2500 S erhalten. Diese Beträge wurden durch Anpassung an den Verbraucherpreisindex für einen städtischen Haushalt durchschnittlicher Größe wertgesichert, wobei Schwankungen unter 5% keine Berücksichtigung finden. Am 1. Jänner 1961 wurde das Dienstverhältnis aufgelöst und am 22. September 1963 ist Ing Karl V verstorben. Über die Papierfabrik wurde am 21. August 1962 der Ausgleich und sodann am 22. März 1964 der Anschlußkonkurs eröffnet; dieser Konkurs ist derzeit noch anhängig.
Mit der Behauptung, daß ihr vertraglich zustehende Pensionszahlungen nicht geleistet worden wären, begehrte die Klägerin (nach einer Klagseinschränkung) den Zuspruch eines restlichen Betrages von 136.640 S samt Nebengebühren, wobei sich dieses Begehren auf die nach dem 30. Oktober 1966 fällig gewordenen Beträge bezieht. Der beklagte Masseverwalter hat diesem Begehren im wesentlichen entgegengehalten, daß es sich bei der gegenständlichen Forderung um keine Masseforderung, sondern um eine Quotenforderung handle und für deren Geltendmachung daher der Rechtsweg unzulässig sei.
Das Erstgericht hat das Verfahren auf die Verhandlung über den Grund des Anspruches eingeschränkt. Es hat mit Zwischenurteil erkannt, daß die Klagsforderung dem Gründe nach zu Recht besteht. Es handle sich bei dem geltend gemachten Anspruch um einen reinen Versorgungsanspruch, der gemäß § 46 Abs 1 Z 4 KO als Masseforderung zu gelten habe.
Das Ersturteil wurde vom Beklagten mit Berufung bekämpft, die Berufung wurde, soweit sie Nichtigkeit geltend machte, vom Berufungsgericht verworfen. Im übrigen wurde ihr nicht Folge gegeben.
Das Berufungsgericht, das gleich dem Erstgericht den in der Berufung nicht mehr aufgeworfenen und auch im Revisionsverfahren nicht relevierten Einwand der Verjährung für ungerechtfertigt befand, teilte die rechtlichen Auffassungen des Erstgerichtes, daß die eingeklagten Ansprüche Masseforderungen gemäß § 46 Abs 1 Z 4 KO seien. Diese Forderungen könnten gemäß § 111 KO im streitigen Verfahren geltend gemacht werden, weshalb auch der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 6 ZPO nicht vorliege.
Das Berufungsgericht stellte ergänzend fest, daß einerseits die Pensionszahlungen monatlich im Nachhinein, der 13. Monatspensionsbezug jedoch am 15. Dezember eines jeden Jahres fällig ist und daß andererseits die Klägerin im Konkurs zwar am 26. Juni 1964 bereits einen Betrag von 23.393 S angemeldet hat, der sich jedoch auf Pensionsansprüche aus der Zeit zwischen dem 25. Juni 1961 und dem 26. Mai 1962 bezog.
Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Beziehung aus, es handle sich hier um Ansprüche aus der Beendigung des Dienstverhältnisses an die die Pension anschließe. Nach der Konkurseröffnung fällige Pensionsansprüche - und um solche handle es sich hier - seien daher Masseforderungen, was auch sozial gerechtfertigt sei, da die Pension kein Geschenk an den Dienstnehmer, sondern ein Entgelt für die Leistung sei, die er erbrachte. Nach Ansicht des Beklagten müsse die Bestimmung des § 46 Abs 1 Z 4 KO einschränkend ausgelegt werden und es bestunde für das Begehren der Klägerin daher keine Anwendungsmöglichkeit. Dem sei entgegen zuhalten, daß es dem Sinne des Gesetzes zuwiderlaufen würde, diesen Begriff zu eng auszulegen. Zweck der Einführung der Bestimmung des § 46 Abs 1 Z 4 KO sei es gewesen, die schutzwürdigen Interessen des Dienstnehmers als Gläubiger im Insolvenzverfahren wirksamer als bisher zu gestalten, zumal das ihm gebührende Entgelt normalerweise die einzige Grundlage zur Bestreitung seines und einer Familie Lebensunterhalt bildet (641 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR VIII. GP und 51 der Beilagen zu IX. GP). Wenngleich es sich bei formaler Betrachtung des Rechtsgrundes des gegenständlichen Anspruches um eine Forderung handle, die der Klägerin originär in dem zwischen ihrem Mann und der Papierfabrik abgeschlossenen Vertrag für den Fall des Ablebens ihres Mannes eingeräumt wurden, so handle es sich doch materiell um Ansprüche, die der Dienstnehmer durch seine Arbeitsleistungen erworben habe und die er sich als Versorgung für seine Frau nach seinem Ableben versprechen ließ. Da der Zweck dieser gesetzlichen Bestimmung darauf hinauslaufe, die Ansprüche des Dienstnehmers zu wahren, sei die gegenständliche Forderung so zu behandeln, als wäre sie nur dem Dienstnehmer allein eingeräumt worden. Es handle sich daher um Ansprüche, die solchen des Dienstnehmers gleichzusetzen sind. Diese Auslegung laufe auch nicht dem Wortlaut des Gesetzes zuwider.
Der Oberste Gerichtshof gab der Berufung des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Gemäß § 46 Abs 1 Z 4 KO sind Ansprüche der Dienstnehmer, die sich aus der Beendigung des Dienstverhältnisses ergeben, soweit sie nach der Konkurseröffnung fällig werden, Masseforderungen. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung 4 Ob 90/62 = SZ 35/109 = Arb 7655 = EvBl 1963/154 = JBl 1964, 48 aussprach handelt es sich bei Pensionen - die sich auf eine vertragliche Grundlage stützen - um einen Anspruch des Dienstnehmers, der sich aus der Beendigung des Dienstverhältnisses ergibt. Der Pensionsanspruch entsteht mit der Beendigung des Dienstverhältnisses, schließt an das Dienstverhältnis an. Aus dem Wesen des Pensionsanspruches folgt aber ebenso zwingend die Auslegung, daß auch die Witwenpension den in § 46 Abs 1 Z 4 KO bezogenen Ansprüchen zuzurechnen ist. Die Witwenpension ist nach ihrem wirtschaftlichen und sozialen Wesen und ihrer näheren Bestimmung nicht etwa ein Geschenk des Dienstgebers. Der Anspruch auf Witwenversorgung wurzelt in den Arbeitsleistungen des Ehemannes für den Dienstgeber.
Der vom Dienstnehmer zugunsten der Witwe abgeschlossene Pensionsvertrag ist ein Vertrag zu Gunsten Dritter. Die Arbeitsleistungen des Dienstnehmers bilden die Voraussetzungen für diesen Vertrag. Mit der Vereinbarung eines Pensionsanspruches für seine Frau will der Dienstnehmer deren Unterhalt sicherstellen, so wie er seinen Unterhalt und den seiner Frau durch den Abschluß des Pensionsvertrages sicherstellen will. Mit Beendigung des Dienstverhältnisses wurde primär der Anspruch des nunmehrigen Pensionisten auf seine Pensionsbezüge existent. Gemäß § 881 Abs 1 ABGB stand ihm, dem pensionierten Dienstnehmer, gegenüber der beklagten Partei der Anspruch zu, daß diese die vertragliche Witwenversorgung erfülle. Mit dem Tode des Pensionisten ist der Bezugsfall für die Witwenpension eingetreten. Nach der getroffenen Pensionsvereinbarung und der Natur und dem Zwecke des Vertrages kann kein Zweifel darüber bestehen, daß nunmehr die Witwe gemäß § 881 Abs 2 ABGB die zu ihren Gunsten dem Dienstnehmer, ihrem Gatten, anläßlich der Beendigung seines Dienstverhältnisses zugesicherte Witwenversorgung vom Dienstgeber des Mannes fordern kann. Der nunmehr existent gewordene Anspruch auf Witwenversorgung schließt als sekundäre Folge an das Dienstverhältnis an. Es liegt somit ein Anspruch des Dienstnehmers, der sich aus der Beendigung des Dienstverhältnisses ergibt, im Sinne des § 46 Abs 1 Z 4 KO vor, zu dessen Geltendmachung die Klägerin legitimiert ist.
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