OGH 4Ob90/62

OGH4Ob90/626.11.1962

SZ 35/109

Normen

KO §46 (1) Z4
KO §111
KO §46 (1) Z4
KO §111

 

Spruch:

Zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer vereinbarte Pensionen fallen unter § 46 (1) Z. 4 KO.

Entscheidung vom 6. November 1962, 4 Ob 90/62.

I. Instanz: Arbeitsgericht Graz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der Kläger war vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1954 als Betriebsleiter bei der H. Steinkohlenbergbau Sch. & Co. OHG. beschäftigt und erhielt für diese Tätigkeit monatlich einen Betrag von 800 S, der auf seinen Wunsch nicht als Gehalt, sondern als "Konsulentenhonorar" bezeichnet wurde, weil er als Obersteiger i. R. beim Steinkohlenbergbau in G. eine Rente bezog. Wegen seines vorgerückten Alters ersuchte der Kläger Anfang 1955 den Gesellschafter Dr. Karl Robert F., die Verantwortung als Betriebsleiter abgeben zu dürfen, weshalb es dann zur Vereinbarung vom 13. April 1955 mit folgendem Wortlaut kam:

"Zwischen Herrn Josef K., Schichtmeister, G. Nr. 197, einerseits und dem H. Steinkohlenbergbau Sch. & Co. OHG., Wien, andererseits wird mit dem Tage der Unterfertigung nachstehender

Vertrag

abgeschlossen:

1.

In Würdigung der Verdienste des Herrn Josef K. um die Erschließung des H. Steinkohlenvorkommens (Magdalenenstollen) wird Herrn Josef K. seitens des H. Steinkohlenbergbau Sch. & Co. OHG. ab 1. Jänner 1955 eine monatliche Remuneration in der Höhe von 400 S (in Worten vierhundert Schilling) auf Lebensdauer ausgeworfen.

2.

Der in Punkt 1 dieses Vertrages genannte Betrag von monatlich 400 S wird jährlich 13mal (dreizehnmal) zur Anweisung gebracht und gebührt Herrn Josef K. auf Lebenszeit.

3.

Neben dieser Remuneration erhält Herr Josef K. jährlich drei Tonnen Hausbrandkohle sowie ein Raummeter Abfallholz kostenlos an die von Herrn Josef K. zu nennende Anschrift in W. beigestellt.

4.

Ab 1. Jänner 1955 tritt Herr Josef K. als Fachkonsulent in ein Werkverhältnis zum H. Steinkohlenbergbau ..."

Die H. Steinkohlenbergbau Sch. & Co. OHG. hörte mit Jahresende 1956 zu bestehen auf. Dr. Karl Robert F. war offener Gesellschafter dieses Unternehmens. Über sein Vermögen wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS. Graz vom 7. Februar 1961 der Konkurs eröffnet und Rechtsanwalt Dr. Paul R. zum Masseverwalter bestellt.

Der Kläger macht mit der vorliegenden Klage Ansprüche aus dem oben wiedergegebenen Vertrag geltend und begrundet die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes Graz damit, daß es sich bei seinen Forderungen um eine Nachwirkung des seinerzeit bestandenen Arbeitsverhältnisses handle; da seine Ansprüche einem Arbeitseinkommen gleichzuhalten seien, seien sie auch Masseforderungen im Sinne des § 46 KO. Von seinen gesamten Ansprüchen klagt er wegen eingetretener Fälligkeit zunächst einen Betrag von netto 2958 S 30 g für die Zeit von Jänner 1961 bis Mai 1961 ein.

Die beklagte Partei wendet sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein und führt unter anderem aus, daß es sich bei der Forderung des Klägers nicht um eine Masseforderung handle.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die Prüfung der sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein und verwarf die Unzuständigkeitseinrede der beklagten Partei.

Das Rekursgericht gab in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung der Unzuständigkeitseinrede statt und wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes Graz zurück.

Es führte im wesentlichen aus:

An sich wäre die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes Graz für Streitigkeiten aus dem erwähnten Vertrag gegeben. Da über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet worden sei, komme es darauf an, ob der erhobene Anspruch im Sinne des § 46 KO. Masseforderung sei oder als Masseforderung zu gelten habe. Masseforderung im Sinne des § 46 (1) Z. 1 KO. sei der Anspruch des Klägers schon deshalb nicht, weil er der Konkursmasse selbst keine Dienste geleistet habe oder leiste. Der Anspruch könne auch nicht der Bestimmung des § 46 (1) Z. 4 KO. unterstellt werden; nach dieser Bestimmung sei ein Anspruch eines Dienstnehmers nur dann eine Masseforderung, wenn er sich aus der Beendigung des Dienstverhältnisses ergebe und nach der Konkurseröffnung fällig werde. Dem Kläger sei der Anspruch lediglich vertraglich nach Beendigung des Dienstverhältnisses für seine Verdienste gewährt worden, stelle also laufendes Entgelt für seinerzeit geleistete verdienstvolle Tätigkeit dar und habe seinen Grund nicht in der Beendigung des Dienstverhältnisses. Deshalb könne sein Anspruch auch nicht als Masseforderung im Sinne des § 46 (2) KO. gelten. Handle es sich bei der klägerischen Forderung aber nicht um eine Masseforderung, so sei zur Entscheidung über diesen Anspruch auch nicht das Arbeitsgericht zuständig.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 111 KO. ist dann, wenn es sich um eine Konkursforderung handelt, das Konkursgericht, wenn eine Masseforderung vorliegt, das Arbeitsgericht zuständig (Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren, S. 117 mit weiteren Zitaten und seither OGH. 10. Mai 1955, 4 Ob 53/55 = Arb. 6232).

Masseforderungen sind unter anderem Ansprüche der Dienstnehmer, die sich aus der Beendigung des Dienstverhältnisses ergeben, soweit sie nach der Konkurseröffnung fällig werden, auch wenn das Dienstverhältnis vor der Konkurseröffnung aufgekundigt oder aufgelöst wurde (§ 46 (1) Z. 4 KO.). Der Kläger trägt dazu vor, zwischen ihm und der H.er Steinkohlenbergbau Sch. & Co. OHG. habe ein Arbeitsverhältnis bestanden und als Nachwirkung dieses Arbeitsverhältnisses stehe ihm der geltend gemachte Anspruch zu. Dazu ergeben die oben mitgeteilten Vertragsbestimmungen, daß es sich, wenn man mit der Klage vom Bestand eines Arbeitsverhältnisses ausgeht, um eine zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer vereinbarte Pension handelt, an welchem Ergebnis auch die Bezeichnung Remuneration nichts ändern kann. Zu bemerken ist auch noch, daß der im Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß besonders betonte Umstand, ein Dienstverhältnis habe jedenfalls nicht mit Dr. Karl Robert F., sondern gegebenenfalls nur mit der offenen Handelsgesellschaft bestanden, unerheblich ist, weil Dr. F. - was im übrigen die beklagte Partei selbst erkennt - gemäß § 128 HGB. für Verbindlichkeiten der offenen Handelsgesellschaft haftet.

Es bleibt also die Frage, ob zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer vereinbarte Pensionen unter § 46 (1) Z. 4 fallen. Dies bejaht der Oberste Gerichtshof. Bei der Pension handelt es sich um einen Anspruch des Dienstnehmers, der sich aus der Beendigung des Dienstverhältnisses ergibt. Diese Auslegung folgt zwanglos, aus dem Wesen eines Pensionsanspruches; dieser entsteht mit der Beendigung des Dienstverhältnisses, schließt an das Dienstverhältnis an. Dabei ist es - soviel sich der Sachverhalt bisher übersehen läßt - nicht entscheidend, daß im vorliegenden Sonderfall die Pensionsvereinbarung erst kurze Zeit nach Auflösung des Dienstverhältnisses schriftlich niedergelegt wurde, weil Anlaß und Sinn dieses Schriftstücks die Festlegung eines Anspruchs war, der auf Grund und infolge der Auflösung des Dienstverhältnisses dem Kläger zustehen sollte. Daß der Anspruch im weiteren Verlauf erst monatlich fällig wird, ändert nichts daran, daß er schon mit der Beendigung des Dienstverhältnisses entstanden ist und dann eben in monatlichen Teilbeträgen zu befriedigen ist. Daß die Ansprüche nach der Konkurseröffnung fällig werden, trifft ebenfalls zu, da überwiegend, wenn nicht ausschließlich, nur solche Ansprüche hier geltend gemacht sind. Schließlich ist das Dienstverhältnis auch vor der Konkurseröffnung aufgelöst worden. Damit ist dargetan, daß Pensionsansprüche und insbesondere der hier in der Klage behauptete Anspruch unter die Vorschrift des Art. 46 (1) Z. 4 KO. fallen.

Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (Nr. 51 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrats, IX. GP., und gleichlautend Nr. 641, VIII. GP.) läßt sich gegen die eben entwickelte Auffassung, ganz abgesehen davon, daß die Erläuternden Bemerkungen keine Rechtsquelle und nicht verbindlich sind, nichts Entscheidendes ableiten. Wenn in diesen Erläuternden Bemerkungen als in § 46 (1) Z. 4 KO. einzuordnende Ansprüche solche auf Abfertigung, Kündigungsentschädigung, anteilsmäßige Remuneration und Urlaubsabfindung genannt sind, ergibt sich schon aus dem Gebrauch des Wörtchens "insbesondere" in diesem Zusammenhang, daß bloß beispielsweise aufgezählt wird. Dabei gehen die Erläuternden Bemerkungen bei der Bildung dieser Beispiele ganz offenbar nur von regelmäßig bestehenden und gesetzlichen Ansprüchen aus, für welche letztere Einschränkung das Gesetz keinen Anhalt bietet. Wenn dann noch gesagt wird, daß Ansprüche auf laufendes Entgelt nicht unter Z. 4 fallen sollen, so sind damit Pensionsansprüche nicht getroffen, weil sie nicht Ansprüche auf laufendes Entgelt, sondern Entgeltsansprüche eigener Art sind. Allenfalls mag dieser Bemerkung auch zugrunde liegen, daß Ansprüche auf laufendes Entgelt ohnedies regelmäßig Masseforderungen gemäß § 46 (1) Z. 1 KO. oder durch die als Beispiel zu Z. 4 genannte Kündigungsentschädigung erfaßt sind.

Darüber hinaus meint der Oberste Gerichtshof, daß die Zuordnung der Pensionen zu § 46 (1) Z. 4 KO. dem Sinn des Gesetzes entspricht und sozial gerechtfertigt ist. Die Pension ist nach ihrem wirtschaftlichen und sozialen Wesen keineswegs ein Geschenk an den Dienstnehmer, sondern Arbeitsentgelt, das deswegen geleistet wird, weil er ein Leben lang für den Dienstgeber gearbeitet hat. Gerade dieses Arbeitsentgelt in so auffälliger Weise schlechter zu stellen als anderes Arbeitsentgelt, besteht kein Anlaß. Dies um so weniger, als Abfertigungsansprüche als Masseforderungen anerkannt sind und auch diese für den Verschleiß der Arbeitskraft im Interesse des Dienstgebers und, um dem Angestellten eine Versorgung - allerdings nur für eine Zwischenzeit - zu sichern, vom Gesetz gewährt werden. Daß grundsätzlich kein Unterschied zwischen gesetzlicher und vertraglicher Anspruchsbegründung gemacht werden kann, wurde schon oben erwähnt.

Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes ist daher, nach den Behauptungen der klagenden Partei, für die nach Konkurseröffnung fällig gewordenen Ansprüche gegeben. Für die hier geltend gemachten vorher fällig gewordenen Ansprüche besteht die Zuständigkeit schon gemäß § 1 (3) ArbGerG. und offenbar auch gemäß § 46 (2) lit. b KO.

Bemerkt sei noch, daß die teilweise abweichende Auffassung der deutschen Rechtslehre zu der hier entschiedenen Frage (siehe statt aller Nikisch, Arbeitsrecht[3] I. Band, S. 443 f., mit weiteren Zitaten) nicht als Erkenntnisquelle herangezogen werden kann, weil eine dem § 46 KO. entsprechende Sonderbestimmung in der deutschen Konkursordnung (vgl. deren § 59) fehlt. Im übrigen liegt eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts und auch des Bundesgerichtshofs zu dieser auch in Deutschland streitigen Frage - soviel sich von hier aus übersehen läßt - bisher nicht vor.

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