OGH 5Ob146/70

OGH5Ob146/701.7.1970

SZ 43/118

Normen

AußStrG §14
AußStrG §16
GOG §85
Mietengesetz §32
AußStrG §14
AußStrG §16
GOG §85
Mietengesetz §32

 

Spruch:

Der Rechtsmittelzug gegen Beschlüsse, mit denen in einem MSch-Verfahren Ordnungsstrafen nach § 85 GOG verhängt werden, richtet sich nach den Vorschriften des AußStrG

OGH 1. Juli 1970, 5 Ob 146/70 (LGZ Wien 41 R 135/69; BG Hietzing 4 Msch 30/69)

Text

Über Antrag der Vermieterin bewilligte das Erstgericht mit Beschluß vom 19. Dezember 1968, ON 39, gemäß §§ 7 und 28 Abs 3 MietG für die Mietgegenstände des Hauses Wien L-Straße 358 a und für die Zeit vom 1. Jänner 1969 bis 31. Dezember 1971 eine Erhöhung der Hauptmietzinse um 3.65 S pro Friedenskrone. Gegen diesen Beschluß erhoben die Mieter, vertreten durch Hermann R, der selbst auch Mieter dieses Hauses und Antragsgegner ist, Rekurs. Im Rekurs wurde u a geltend gemacht, daß der angefochtene Beschluß über das Begehren der Vermieterin hinausgehe, ihr Antrag nicht behandlungsfähig gewesen sei, weil darin die Antragsgegner nicht ordnungsgemäß und richtig bezeichnet und ihm keine entsprechenden Unterlagen angeschlossen waren, der Beschluß die in der Grundsatzentscheidung für zulässig erklärte Aufteilungsdauer von 10 Jahren grundlos verkürze, auf einem Rechenfehler beruhe und außer acht lasse, daß der Vermieterin ein zinsenloses Reparaturdarlehen gewährt worden sei. Schließlich machten die Rekurswerber geltend, daß das Verfahren trotz Richterwechsel nicht neu durchgeführt worden sei. Der Rekursantrag hat folgenden Wortlaut: "Das Rekursgericht wolle dem Rekurs Folge geben, die angefochtene Entscheidung aufheben und dem Erstgericht die Neudurchführung und Ergänzung auftragen, wonach eine brauchbare Entscheidung gefällt werden kann."

Das Erstgericht berichtigte zunächst seine Entscheidung hinsichtlich des unterlaufenen Rechenfehlers (ON 42), es verhängte aber zugleich (ON 43) über Hermann R eine Ordnungsstrafe von 100 S, weil er mit der Wendung in seinem Rekursantrag: "... wonach eine brauchbare Entscheidung gefällt werden kann" sich dem Gericht gegenüber einer beleidigenden Ausdrucksweise bedient habe.

Das Rekursgericht hob in der Folge den Beschluß ON 39 auf. Dem Erstgericht wurde aufgetragen, nach Verfahrensergänzung neu zu entscheiden (ON 47). Die im weiteren Verlauf des Verfahrens ergangene neue Entscheidung des Erstgerichtes (ON 54) wurde abermals aufgehoben und die Sache wiederum an das Erstgericht zurückverwiesen (ON 61). Zuletzt wurde mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom 20. April 1970, ON 69, der Antrag der Vermieterin auf Bewilligung einer Mietzinserhöhung abgewiesen.

Gegen den Beschluß ON 43 erhob Hermann R fristgerecht Rekurs, in dem ausgeführt wurde, daß weder objektiv noch subjektiv eine beleidigende Ausdrucksweise vorliege.

Das Rekursgericht bestätigte jedoch den Beschluß über die Verhängung der Ordnungsstrafe. Nach Ansicht des Rekursgerichtes enthält das Rechtsmittel des Einschreiters eine unsachliche und abfällige Äußerung, nämlich den Vorwurf, daß der angefochtene Beschluß unbrauchbar sei. Dadurch sei die dem Gericht schuldige Achtung verletzt worden (ON 48).

Der Oberste Gerichtshof wies den ao Revisionsrekurs des Hermann R zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zur Frage, ob und inwieweit bzw auf Grund welcher Vorschriften der Beschluß der zweiten Instanz anfechtbar ist, ergeben sich folgende Überlegungen:

Sowohl im Streit- wie im Außerstreitverfahren kam über eine Partei oder deren Vertreter, die die dem Gericht schuldige Achtung durch beleidigende Ausfälle verletzen, eine Ordnungsstrafe verhängt werden (§§ 86 und 220 ZPO, § 85 GOG). Die Verhängung einer solchen Ordnungsstrafe hat mit der Entscheidung in der Sache selbst und daher auch mit dem über die Sache eingeleiteten Verfahren an sich nichts zu tun, wohl aber erfolgt sie im Laufe eines bestimmten Verfahrens, ist dessen Begleiterscheinung und kann daher nur durch jene Gerichte erfolgen, die nach der Natur des betreffenden Verfahrens in die Lage kommen, einzuschreiten (vgl SZ 5/274, SZ 22/155 u a).

Obwohl nun im § 85 Abs 1 GOG ausdrücklich auf § 220 ZPO verwiesen wird, sind im Falle der Verhängung einer Ordnungsstrafe im Außerstreitverfahren nach dieser Gesetzesstelle nur diejenigen Vorschriften der ZPO sinngemäß anzuwenden, die sich auf die Voraussetzungen der Strafverfügung und das Strafausmaß beziehen. Für das Rechtsmittelverfahren sind dagegen die Vorschriften des Außerstreitgesetzes (§§ 14, 16 AußStrG) maßgebend (vgl SpR 245 alt = GlUNF 6993).

Diesfalls wurde die Ordnungsstrafe vom Bezirksgericht im Laufe eines nach § 24 MG durchgeführten Verfahrens verhängt. Da nun das Mietengesetz selbst auch Ordnungs- und Mutwillensstrafen kennt (vgl §§ 29, 33 MG in der nunmehr gültigen Fassung) und für das nach den Bestimmungen dieses Gesetzes durchzuführende gerichtliche Verfahren besondere Rechtsmittelvorschriften gelten (§§ 32, 33 MG), ist zunächst zu prüfen, ob die vorstehenden Grundsätze auch hier Anwendung zu finden haben.

Diese Frage ist aus folgender Überlegung zu bejahen:

Nach der ursprünglichen Fassung des Mietengesetzes waren Entscheidungen der Mietkommission, also auch Beschlüsse über die Verhängung einer Ordnungsstrafe nach §§ 8 Abs 2 oder 34 MG der damaligen Fassung des Gesetzes unanfechtbar. Erst durch die Mietengesetznovelle BGBl 1929/200 wurden gegen Entscheidungen der Mietkommission Rechtsmittel an den Gerichtshof erster Instanz eröffnet, der endgültig entschied (§ 25 Abs 5 MG in der Fassung der zuletzt genannten Novelle). Zugleich wurde in § 28 Abs 7 dem Vorsitzenden der Mietkommission das Recht eingeräumt, über eine Partei, die offenbar mutwillig das Verfahren bei der Mietkommission anhängig gemacht oder dazu Anlaß gegeben hat, eine Mutwillensstrafe zu verhängen. Der Rechtsmittelzug gegen einen Beschluß, mit dem eine Ordnungsstrafe verhängt wurde, wurde im Gesetz ausdrücklich geregelt. Hiedurch wurde eine bisher vorhandene Lücke im Gesetz ausgefüllt (vgl. Sternberg, Das Mietengesetz, Manz 1931, 549). Das Gesetz unterschied aber nicht zwischen den schon bisher vorgesehenen "Ordnungsstrafen" und der nunmehr eingeführten "Mutwillensstrafe". Auch nach dieser Novelle war die Anrufung des Obersten Gerichtshofes in Mietkommissionssachen grundsätzlich ausgeschlossen (vgl MietSlg 831 Bd I Nr 1 ). Die Frage, ob der Vorsitzende der Mietkommission über Parteien oder deren Vertreter, die die dem Gericht schuldige Achtung durch beleidigende Ausfälle verletzen, Ordnungsstrafen verhängen könne, blieb durch das Mietengesetz weiterhin ungeregelt. Die Rechtsprechung bejahte jedoch ein solches Recht des Vorsitzenden (vgl die in Sternberg, Mietengesetz 555, in Fußnote 1 zitierte Entscheidung). Bereits nach § 28 Abs 1 MG in der ursprünglichen Fassung hatten die Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren in Außerstreitsachen auf das Verfahren vor der Mietkommission sinngemäß Anwendung zu finden. Durch die Mietengesetznovelle 1955 (BGBl 1955/241) trat an die Stelle der Mietkommission das Bezirksgericht. Der Rechtsmittelzug gegen Entscheidungen über Anträge nach § 24 MG wurde neu geregelt (§ 32 MG). Die Vorschrift des § 28 Abs 7 MG in der bisherigen Fassung wurde durch die Bestimmung des § 33 MG ersetzt, welche Vorschrift allerdings von den im Gesetz vorgesehenen Ordnungsstrafen (§ 8 Abs 2, § 29 MG), nicht spricht. Nach den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage vom 24. Oktober 1955 zur Mietengesetznovelle 1955 (Nr 392 der Beilagen zu den sten Prot d Nationalrates 7. GP) sollte allerdings in die Regelung des Rechtsmittelzuges auch der Fall der mutwilligen Verzögerung des Verfahrens einbezogen werden. Die Ordnungsstrafgewalt des Gerichtes wegen anderer Ungehörigkeiten als der im Gesetz erwähnten Unterlassungen blieb weiterhin durch das Mietengesetz ungeregelt. Es bedurfte aber keiner solchen ausdrücklichen Regelung, da nach § 25 MG die Vorschriften des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen insoweit anzuwenden sind, als in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Nach § 26 Abs 4 MG sind die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über Protokolle und über die Aufnahme von Beweisen sinngemäß anzuwenden. Die Möglichkeit einer unmittelbaren analogen Anwendung der Vorschrift der §§ 86 und 220 ZPO scheidet daher aus. Dagegen bestehen keine Bedenken gegen die Anwendung des § 85 GOG und gegen die Heranziehung der Rechtsmittelvorschriften des Außerstreitgesetzes bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Anfechtung der nach § 85 GOG ergangenen Beschlüsse, wenn im Zuge eines Verfahrens über Anträge nach § 24 MG Parteien oder deren Vertreter in schriftlichen Eingaben die dem Gericht schuldige Achtung durch beleidigende Ausfälle verletzen. Hierdurch kann es freilich vorkommen, daß in Mietensachen die in der Hauptsache ergangenen Beschlüsse oder Beschlüsse, mit denen eine im Mietengesetz vorgesehene Ordnungs- bzw Mutwillensstrafe verhängt wird, einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen sind, weil das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigte oder nach der Feststellung des Gerichtes zweiter Instanz keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt (vgl 5 Ob 107/62-, während wegen einer vom Erstgericht in derselben Sache nach § 85 GOG verhängten Ordnungsstrafe der Oberste Gerichtshof angerufen werden kann. Eine ähnliche Rechtslage ergibt sich jedoch auch in Bagatellsachen (§§ 448 ff ZPO). Auch die in einem solchen Verfahren ergangenen Entscheidungen der ersten Instanz sind nur beschränkt anfechtbar (vgl §§ 452, 517 ZPO), die Anrufung des Obersten Gerichtshofes ist sogar völlig ausgeschlossen. Trotzdem kann wegen einer vom Erstgericht aus Anlaß eines Bagatellverfahrens verhängten Ordnungsstrafe der Oberste Gerichtshof angerufen werden (vgl Fasching Komm IV 399, SZ 18/27). Dieselbe ungewöhnliche Rechtslage ergibt sich auch im Verfahren in Grundbuchssachen. Auch hier finden die Vorschriften des § 126 GBG nur auf Grundbuchsbescheide Anwendung, während für das Rechtsmittelverfahren gegen den in einem Grundbuchsverfahren ergangenen Beschluß, womit über eine Partei oder deren Vertreter gemäß § 85 GOG eine Ordnungsstrafe verhängt wurde, die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes entsprechend herangezogen werden müssen (vgl EvBl 1952/341).

Die Höhe der verhängten Ordnungsstrafe spielt für die Frage der Zulässigkeit ihrer Anfechtung keine Rolle. Der früher vertretene gegenteilige Standpunkt (vgl SZ 25/194) wurde längst von der Lehre und Rechtsprechung aufgegeben (vgl Fasching II 563, EvBl 1959/60, SZ 35/122, JBl 1956, 77). Von dieser Auffassung wieder abzugehen, besteht kein Grund. Die Rechtsmittelbeschränkung des § 14 Abs 2 AußStrG kommt daher im vorliegenden Fall nicht zum Tragen.

Nach § 16 AußStrG findet gegen bestätigende Beschlüsse der zweiten Instanz in Gegenständen außer Streitsachen die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität statt.

Keiner dieser Anfechtungsgrunde ist diesfalls gegeben. Von einer Nullität des angefochtenen Beschlusses kann keine Rede sein. Eine solche wurde vom Rechtsmittelwerber gar nicht behauptet. Es ergibt sich auch aus den Akten kein Anhaltspunkt für die Annahme, daß der angefochtene Beschluß an einer Nichtigkeit leide.

Ebensowenig liegt eine Aktenwidrigkeit vor: Das Rekursgericht hat den Wortlaut des in ON 41 gestellten Rekursantrages, in dem beide Untergerichte eine unsachliche und abfällige Äußerung erblickten, durch die die dem Gericht schuldige Achtung verletzt worden sei, vollständig richtig wiedergegeben. Die weitere Ausführung des Rekursgerichtes, daß der Rekurswerber in seinem Rechtsmittel gegen den erstgerichtlichen Beschluß den Vorwurf der Unbrauchbarkeit dieser Entscheidung erhoben habe, stellt eine Schlußfolgerung dar. Schlußfolgerungen können aber nur auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung oder auf einem Verfahrensmangel beruhen, sie können niemals aktenwidrig sein (vgl JBl 1955, 593, EvBl 1948/623 u v a). Ein Verfahrensmangel, der keine verfahrensrechtliche Nichtigkeit bedeutet, kann im Rahmen des § 16 AußStrG nicht geltend gemacht werden. Die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Rekursgericht kann nach dieser Gesetzesstelle aber nur angefochten werden, wenn eine offenbare Gesetzwidrigkeit vorliegt. Eine solche liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird. Es bildet daher nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung eine offenbare Gesetzwidrigkeit (RZ 1967, 94, SZ 21/10 und 131 u v a). Da nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung - und nur unter diesem Gesichtspunkte könnte die Auffassung des Rekursgerichtes bekämpft werden, daß der Vorwurf der Unbrauchbarkeit der Entscheidung die dem Gericht schuldige Achtung verletzte - eine offenbare Gesetzwidrigkeit darstellt, ist keiner der zulässigen Anfechtungsgrunde gegeben.

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