OGH 7Ob173/68

OGH7Ob173/6818.9.1968

SZ 41/112

Normen

ABGB §302
ABGB §1409
Staatsvertrag Art22
1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz §1 (2)
1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz §3
1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz §10 (2)
ABGB §302
ABGB §1409
Staatsvertrag Art22
1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz §1 (2)
1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz §3
1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz §10 (2)

 

Spruch:

Die Republik Österreich ist nicht Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches (hier der Reichsautobahnen), auf sie ist das Eigentum an den von den Reichsautobahnen übernommenen Vermögenswerten kraft Gesetzes übergegangen.

Keine Haftung nach § 1409 ABGB., weil diese Bestimmung eine rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Vermögens betrifft. Keine Haftung nach § 302 ABGB.

Entscheidung vom 18. September 1968, 7 Ob 173/68.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Kläger begehren von der beklagten Republik Österreich, in die grundbücherliche Einverleibung ihres Eigentumsrechtes an zwei Grundparzellen einzuwilligen und eines dieser Grundstücke dem Erstkläger und der Zweitklägerin in den körperlichen Besitz und Genuß zu übergeben, weil die Rechtsvorgänger der Kläger diese Grundstücke von der seinerzeitigen Reichsautobahn gekauft und auch tatsächlich in Besitz genommen haben.

Die Beklagte wendete u. a. ein, es sei zwischen den Rechtsvorgängern der Kläger und der Reichsautobahn kein gültiger Kaufvertrag zustandegekommen, jedenfalls seien von der Verkäuferin die Kaufverträge nicht verbücherungsfähig unterzeichnet worden, das Eigentumsrecht der Käufer sei daher nicht im Grundbuch einverleibt worden. Die Kaufverträge seien damit noch nicht zur Gänze erfüllt, weshalb die Beklagte nicht verpflichtet sei, sie zu erfüllen, da sie keine Eintrittserklärung im Sinn des § 10 (2) des 1. StVDG. abgegeben habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Die Rechtsvorgänger der Kläger schlossen am 19. März 1943 mit den Reichsautobahnen als Eigentümern der Liegenschaft EZ. 980 KG. B. einen Kaufvertrag über den Kauf von zwei Grundstreifen dieser Liegenschaft ab, welche die Parzellenbezeichnung 1243/3 und 1243/4 erhalten sollten. Hierüber wurde ein Lageplan verfaßt. Die Käufer bezahlten am 19. März bzw. 19. April 1943 den vereinbarten Kaufpreis, die Kaufverträge wurden aber von der Reichsautobahn nicht verbücherungsfähig unterzeichnet und das Eigentumsrecht für die Käufer niemals im Grundbuch eingetragen. Auf Grund des Art. 22 des österreichischen Staatsvertrages und des § 11 des 1. StVDG. wurde am 5. Februar 1957 das Eigentumsrecht der Beklagten an der Liegenschaft im Grundbuch einverleibt. Eine Eintrittserklärung der Beklagten im Sinn des § 10

(2) des 1. StDVG. wurde hinsichtlich der Kaufverträge nicht abgegeben. Die Kläger sind Rechtsnachfolger der seinerzeitigen Käufer der Grundstücke.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß die Kaufverträge nicht voll erfüllt worden seien und der Anspruch der läger daher nur dann gerechtfertigt wäre, wenn die Beklagte eine Eintrittserklärung im Sinn des § 10 (2) des 1. StVDG. abgegeben hätte.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Kläger sind der Meinung, ihre Rechtsvorgänger hätten die Grundstücke außerbücherlich erworben und könnten daher deren Herausgabe vom bücherlichen Eigentümer verlangen. Es hätte daher festgestellt werden müssen, daß die Rechtsvorgänger die Grundstücke in ihren körperlichen Besitz und Genuß erhalten haben.

Gemäß § 1 (2) des 1. StVDG. gelten im Sinn des Art. 22 des Staatsvertrages Vermögenswerte als von der Besatzungsmacht beansprucht oder innegehabt, welche am 8. Mai 1945 u. a. dem Deutschen Reich oder einer seiner Einrichtungen gehört haben. Gemäß § 3 des 1 StVDG. sind die Reichsautobahnen Einrichtungen des Deutschen Reiches. Es war daher vor allem die Frage zu klären, ob die strittigen Grundstücke am Stichtag der Reichsautobahn gehört haben, also in deren Eigentum standen.

Gemäß § 431 ABGB. erfolgt bei unbeweglichen Sachen die Übertragung des Eigentums und damit der Eigentumserwerb (von einigen hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen) durch die Eintragung des Erwerbungsgeschäftes in die öffentlichen Bücher. Der außerbücherliche Erwerber einer Liegenschaft ist nicht Eigentümer, auch wenn ihm die Liegenschaft bereits übergeben wurde. Ihm stehen nach Lehre und Rechtsprechung nur gewisse Rechte gegenüber dem Veräußerer und allenfalls auch gegenüber einem Dritten zu. So kann er der Vindikation des Veräußerers, der im Grundbuch noch als Eigentümer aufscheint, die Einrede aus dem Recht zu Besitz entgegenhalten und kann ihn, falls er den Besitz wieder erlangt hat, gemäß § 372 ABGB. auf Herausgabe belangen. Dem dritten bücherlichen Erwerber gegenüber kann er die Einrede der Arglist erheben (Ehrenzweig[2] I/2, § 224).

Am 8. Mai 1945 waren die Rechtsvorgänger der Kläger also nicht Eigentümer der strittigen Grundstreifen, sondern noch die Reichsautobahnen. Diese Grundstücke sind daher in das Eigentum der Republik Österreich übergegangen. Diese ist nicht Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches, auf sie ist das Eigentum kraft Gesetzes übergegangen. Eine Haftung nach § 1409 ABGB. kommt schon deshalb nicht in Frage, weil diese Bestimmung eine rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Vermögens betrifft (vgl. SZ. XXV 266, EvBl. 1958 Nr. 81). Falls man die von den Reichsautobahnen übernommenen Vermögenswerte als Gesamtsache im Sinn des § 302 ABGB. bezeichnen könnte, käme eine Haftung der Republik Österreich nach dieser Bestimmung deshalb nicht in Betracht, weil durch das I. StVDG. als lex specialis die Haftung besonders geregelt wurde. Die Republik Österreich haftet gemäß § 4 dieses Gesetzes für Verbindlichkeiten des Deutschen Reiches und seiner Einrichtung nur nach Maßgabe dieses Gesetzes. Nach § 10 (2) des 1. StVDG. kann die Republik Österreich bis 30. Juni 1958 durch schriftliche Erklärung in Verträge des Deutschen Reiches oder seiner Einrichtungen eintreten, die bis zum 27. Juli 1955 nicht oder nicht ganz erfüllt worden sind. Das ist im vorliegenden Fall unbestrittenermaßen nicht geschehen. Von Seite des Verkäufers einer Liegenschaft ist der Vertrag erfüllt, wenn er alle Erklärungen abgegeben hat, die ohne sein weiteres Mitwirken die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Käufers ermöglichen. Auch das ist hier nicht geschehen, denn von den Reichsautobahnen wurden die nötigen Urkunden nicht beglaubigt unterschrieben, jedenfalls konnten die Kläger es nicht nachweisen. Die Untergerichte haben das Klagebegehren daher mit Recht abgewiesen.

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