OGH 1Ob150/63

OGH1Ob150/6316.10.1963

SZ 36/129

Normen

ABGB §428
AußStrG §170
ABGB §428
AußStrG §170

 

Spruch:

Auch der Eigentumserwerb auf Grund eines (außergerichtlichen) Erbteilungsübereinkommens bedarf eines erweislichen, für Dritte erkennbaren Übertragungsaktes.

Entscheidung vom 16. Oktober 1963, 1 Ob 150/63.

I. Instanz: Bezirksgericht Fünfhaus; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Eigentümerin des Hauses Wien 12., A.-Straße 62, Johanna V., schloß am 18. Mai 1945 mit der Beklagten über das in diesem Hause betriebene Gastwirtschaftsunternehmen einen Pachtvertrag. Sie starb am 19. 5. 1945. Ihr Nachlaß wurde mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes F. vom 5. Februar 1947 der erblasserischen Nichte Katharina H. zur Hälfte und der Klägerin sowie Anna V. zu je einem Viertel eingeantwortet. Katharina H. hat den sohin auf sie übergegangenen Hälfteanteil an dem Hause mit Kaufvertrag vom 11. November 1948 an Franz P. und Roland R. verkauft, die seither zusammen mit der Klägerin und Anna V. je zu einem Viertel Miteigentümerin der Liegenschaft sind.

Die Klägerin begehrte im vorliegenden Prozeß mit der Behauptung, sie sei Eigentümerin des an die Beklagte verpachteten Gastwirtschaftsunternehmens, von der Beklagten wegen Nichtzahlung des Pachtzinses und wegen eigenmächtiger Vornahme von Umbauten die Räumung der Gasthauslokalitäten.

Die Beklagte, die zunächst die Umwandlung des Pachtvertrages in einen Mietvertrag behauptet hatte, wendete im Zuge des Verfahrens den Mangel der Aktivlegitimation mit der Behauptung ein, daß der Gastwirtschaftsbetrieb nicht der Klägerin allein gehöre, sondern auch Franz P. und Roland R.; sie bestritt den Abschluß eines mündlichen Erbübereinkommens zwischen den drei Erbinnen, betreffend die Übertragung der Gastwirtschaft an die Klägerin, über das der Zeuge Ludwig B. ausgesagt hatte.

Der Erstrichter wies das Räumungsbegehren ab. Er stellte fest, das Bezirksgericht F. habe mit Beschluß vom 23. Dezember 1947 erklärt, daß vom abhandlungsbehördlichen Standpunkt gegen die Erlangung der Konzession für das Gastwirtschaftsunternehmen durch eine der drei Erbinnen kein Einwand bestehe; die drei Erbinnen Katharina H., Anna V. und die Klägerin hätten "dann" (etwa zwei bis sechs Monate vor dem Abschluß des Kaufvertrages mit Franz P. und Roland R.) miteinander ein mündliches Übereinkommen abgeschlossen, nach welchem die Gastwirtschaft der Klägerin allein gehören sollte; dieses Übereinkommen sei, weil es im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens abhandlungsbehördlich nicht genehmigt worden sei, kein Erbübereinkommen; es stellte sich vielmehr als ein Schenkungsvertrag dar, der zu seiner Gültigkeit als Schenkungsversprechen ohne Übergabe nach § 1 (1) lit. d NotZwG. der Errichtung eines Notariatsaktes oder aber zur Heilung dieses Formmangels eines tauglichen Übergabsaktes (§§ 302 und 427 ABGB.) bedurft hätte; die Klägerin habe aber weder die Errichtung eines solchen Notariatsaktes noch die Übergabe der Eigentumsanteile an dem Gastwirtschaftsunternehmen in ihr alleiniges Eigentum behauptet und bewiesen; sie sei daher zur Klagsführung nach § 1118 ABGB. nicht legitimiert.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Ausgehend von der Bestimmung des § 170 AußStG., nach der eine außergerichtliche Erbteilung nach der Einantwortung gesetzlich möglich ist, trat es der Rechtsansicht des Erstrichters, daß die Vereinbarung zwischen den Erbinnen als Schenkung zu werten sei, nicht bei; diese Vereinbarung sei vielmehr ein Erbübereinkommen (gemeint: ein Erbteilungsübereinkommen) im Sinne des Gesetzes. Es führte weiter aus, daß die Klägerin schon vor dem Erbübereinkommen zu ein Viertel Miteigentümerin des Nachlaßvermögens und damit auch des Gastwirtschaftsunternehmens gewesen sei; zusammen mit den beiden anderen Erbinnen sei sie also ohnehin Sachbesitzerin der Gastwirtschaft gewesen, weshalb sich eine besondere Übergabe des Unternehmens an sie erübrigt habe; dazu komme, daß selbst dann, wenn eine besondere Übergabe als notwendig angesehen werden sollte, diese im Hinblick auf das geschlossene Erbübereinkommen im Sinne des § 428 ABGB. als erfolgt angesehen werden müßte; der Erstrichter müsse, weil die Klägerin zur Klage aktiv legitimiert sei, über das Klagevorbringen verhandeln und die erforderlichen Feststellungen dazu treffen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof vermag sich den Ausführungen des Berufungsgerichtes nur insoweit anzuschließen, als das von den Untergerichten festgestellte Übereinkommen zwischen den Erbinnen auch ein Erbteilungsübereinkommen im Sinne des § 170 AußStrG. sein konnte. Die wirkliche Rechtsnatur des Übereinkommens läßt sich aus der dürftigen Feststellung, die Erbinnen hätten vereinbart, daß die Gastwirtschaft der Klägerin allein gehören solle, nicht entnehmen. Dazu werden noch weitere Feststellungen zum Vertragsinhalt erforderlich sein, aus denen sich die Absicht der Parteien erkennen und die Frage, ob etwa ein Jahr nach der Einantwortung erst eine außerordentliche Erbteilung stattfand, bei welcher der Klägerin das Gastwirtschaftsunternehmen zugewiesen wurde, zweifelsfrei beantworten läßt. Insofern bedarf schon der Titel der Klägerin einer ergänzenden Erörterung und ergänzender tatsächlicher Feststellungen.

Es kann dem Berufungsgericht aber auch darin nicht gefolgt werden, daß sich für den Fall der Zuweisung des Gastwirtschaftsunternehmens an die Klägerin durch ein Erbteilungsübereinkommen ein Eigentumsübertragungsakt (Modus) erübrigt hätte. Die Erbinnen erwarben zwar, indem sie durch die Einantwortung in die Rechte der Erblasserin eintraten, gemeinsamen Sachbesitz auch an der an die Beklagte mit Rechtsbesitz verpachteten Gastwirtschaft. Die Gastwirtschaft, auf deren Eigentumsübertragung die Regeln über den Erwerb beweglicher Sachen anzuwenden sind (Klang in Komm.[2], II, S. 34), befand sich aber im Zeitpunkt der behaupteten Übertragung des Eigentumsrechtes an die Klägerin nicht in der Gewahrsame der drei Erbinnen. Letzteres wäre aber die Voraussetzung dafür gewesen, daß schon die Übergabe kurzer Hand den für den Eigentumsübergang zwischen Mitbesitzern erforderlichen Traditionsakt begrundet hätte (Klang, a. a. O., S. 322). Da dies nicht der Fall war und sich die zu übergebende Sache in der Gewahrsame einer dritten Person, nämlich der Beklagten, befand, war als Übertragungsakt eine Besitzanweisung erforderlich (Klang, a. a. O., S. 325). Dies gilt auch für den Fall des Eigentumserwerbes aus einem Erbteilungsübereinkommen, wie sich aus dem Zusammenhalte der Bestimmungen der §§ 425 ff. und § 846 ABGB. ergibt (dazu Klang in Komm.[2]. III, S. 1137).

Da in dem bloßen Abschluß eines außergerichtlichen, dem Verlassenschaftsgericht nicht einmal zur Kenntnis gebrachten Erbteilungsübereinkommens - entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes - sohin ein Übertragungsakt, der zum Erwerb des Alleineigentums der Klägerin an dem Gastwirtschaftsunternehmen hätte führen können, nicht erblickt werden kann, ist die Erörterung der Frage notwendig, ob die Beklagte ausdrücklich oder stillschweigend angewiesen wurde, die Sache ausschließlich für die Klägerin als Erwerberin auch der restlichen drei Viertel Anteile des verpachteten Unternehmens innezuhaben (§ 428 ABGB.). Die Klägerin hat ihr Alleineigentum an der Gastwirtschaft schon in der Klage behauptet. Es kann daher nicht mit dem Erstrichter gesagt werden, sie sei nicht Eigentümerin, weil sie die Übergabe des Gastwirtschaftsunternehmens in ihr Alleineigentum, richtig in ihren alleinigen Besitz, nicht behauptet habe. Die Behauptung des Eigentumsrechtes als solche verpflichtete schon den Erstrichter, nach Erhebung der Einwendung des Mangels der Aktivlegitimation im Sinne des § 182 ZPO. auf weitere Behauptungen und auf eine genügende Aufklärung des Sachverhaltes zu dringen, dies um so mehr, als die Beklagte bis zur Erhebung der erwähnten neuen Einwendung tatsächliche Handlungen gesetzt hatte, die auf das Bestehen einer Besitzanweisung ebenso hinweisen konnten wie auf eine Anerkennung der Klägerin als Vertragspartnerin aus dem Bestandverhältnis. Dies gilt sowohl von der Überweisung eines Zinsrückstandes von 4450 S am 6. April 1962 an die Klägerin, als auch von der Hinterlegung des Überweisungsbetrages bei Gericht durch die Beklagte, weil die Zahlung von der Klägerin nicht angenommen wurde.

Das Verfahren in erster Instanz wird daher auch zur Frage der Aktivlegitimation noch dahin zu ergänzen sein, ob ein rechtswirksamer Übertragungsakt etwa auf die Weise zustandekam, daß die Beklagte als Inhaberin des Gastwirtschaftsunternehmens von den Miteigentümerinnen angewiesen wurde, sie solle das Unternehmen nunmehr allein für die Klägerin innehaben. Wäre dies der Fall, dann hätten die Miterbinnen der Klägerin auf erweisliche Art ihren Willen an den Tag gelegt, daß die Klägerin die ganze Gastwirtschaft, an der sie auf Grund der Erbfolge nur zu einem Viertel Miteigentümerin gewesen war, künftig aus dem Eigentumsrechte allein besitzen solle. Diese Feststellungen für die Legitimation der Klägerin zur Klage sind erforderlich, weil die Klägerin ohne sie als Minderheitsmiteigentümerin allein zur Klage nicht berechtigt wäre und sie bisher weder ein Verwaltungsrecht noch die Zustimmung der Mehrheitsmiteigentümer zur Klageführung behauptet und bewiesen hat.

Dem Rekurs ist aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte