Spruch:
§ 262 EO. ist nur anzuwenden, wenn die Gegenstände in der alleinigen Gewahrsame Dritter sind.
Ein Dritter kann im Klagewege zur Zustimmung zur Pfändung verhalten werden, wenn ihm an den Sachen keine Rechte zustehen, welche die Exekution unzulässig machen.
Entscheidung vom 5. Juli 1961, 3 Ob 261/61.
I. Instanz: Exekutionsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Hans V. war Pächter des dem Stefan. G. gehörigen Geschäftes. Der Kläger führt zur Hereinbringung einer Forderung gegen Hans V. Exekution durch Pfändung und Verkauf von Fahrnissen. Hiebei wurden die im Pfändungsprotokoll 19 E 2022/59 unter PZ. 4-8 verzeichneten Gegenstände gepfändet. Hans V., der in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen war, bezog von der Erstbeklagten Kommissionsware. Später gab sie ihm ein Darlehen von 58.000 S. Er verpflichtete sich, bestimmte Stücke der Einrichtung, zu denen die Pfandsachen gehören, nämlich acht Verkaufspulte, eine große Stellage und zwölf mittlere Stellagen, eine kleine Stellage und eine Verbauung, zur Sicherung des Darlehens der Klägerin ins Eigentum zu übertragen. Es wurden an der Unterseite der Pulte und Regale Zettel befestigt, auf denen das Wort "Eigentumsvorbehalt" stand. Wer davon nichts wußte, konnte nicht bemerken, daß diese Vermerke angebracht waren. Am 19. März 1959 kam es mit Zustimmung des Verpächters Stefan G. zu einem neuen Abkommen zwischen Hans V. und der Erstbeklagten. Danach gestattete Hans V. ihr, Waren in seinem Geschäft zu verkaufen. V. hatte dafür sein Personal zur Verfügung zu stellen. Leopold F., der Drittbeklagte, hielt sich fast täglich eine halbe bis eine Stunde im Geschäftslokal auf. Weiters verbrachte er dort meist die Samstage. Am 14. April 1959 erfolgte die Pfändung. Von den Anwesenden erhob niemand gegen die Vornahme der Amtshandlung Einwendungen, doch war kein Vertreter der Beklagten anwesend, auch wurden diese von der Pfändung nicht verständigt. Als der Verkauf durchgeführt werden sollte, stellte sich heraus, daß die Erstbeklagte an Stelle des Hans V. Pächterin des Geschäftes geworden war und die Versteigerung nicht zuließ.
Der Kläger begehrt Verurteilung der Beklagten zur Gestattung des zwangsweisen Verkaufes der genannten Pfandsachen und zu deren Herausgabe an das Vollstreckungsorgan. Die Beklagten wendeten ein, die Gegenstände seien ihr Eigentum, weil sie ihm von Hans V. zur Sicherung einer Forderung gegen diesen übertragen worden seien.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es kam zu dem rechtlichen Ergebnis, daß von einem Eigentumserwerb durch die Erstbeklagte nicht die Rede sein könne. Die Zettel seien nicht für jedermann erkennbar gewesen, was zu einer Übergabe durch Zeichen notwendig gewesen wäre. Ebensowenig könne der Abschluß des Pachtvertrages vom 19. März 1959 die Folge gehabt haben, daß sich nunmehr die Pfandgegenstände in Verwahrung der Erstbeklagten befunden hätten.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagten führen aus, daß die Pfändung schon ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse unwirksam gewesen wäre, weil sich die Sachen in ihrer Mitgewahrsame befunden hätten. Ohne Zustimmung des Mitbesitzers dürfe aber gemäß § 262 EO. eine solche Amtshandlung nicht vollzogen werden. Dieser Meinung kann nicht gefolgt werden. Aus der Vereinbarung vom 19. März 1959 ist nicht zu ersehen, daß den Beklagten eine Gewahrsame an der Geschäftseinrichtung eingeräumt worden wäre, da mit dieser Vereinbarung dem Beklagten lediglich ein Mitbenützungsrecht an den Räumen eingeräumt wurde. Aber selbst wenn die Beklagten die Mitgewahrsame an den Einrichtungsgegenständen gehabt hätten, hätte dieser Umstand eine Pfändung nicht gehindert. Die Gegenstände waren jedenfalls auch in der Gewahrsame des Verpflichteten, ein dritter Mitverwahrer ist den betreibenden Gläubigern gegenüber nicht als Dritte anzusehen (vgl. auch DV. § 66 Abs. 4). § 262 EO. kommt nur zur Anwendung, wenn die Gegenstände in der alleinigen Gewahrsame Dritter sind (so auch Neumann - Lichtblau, Kommentar zur EO., 3. Aufl. II S. 797). Darüber hinaus gibt § 262 EO. dem Innehaber der Sachen nur einen prozessualen Schutz, der sich dahin auswirkt, daß die Pfändung ohne seine Zustimmung nicht vollzogen werden darf. Damit ist aber noch keineswegs ausgesprochen, ob und unter welchen Voraussetzungen er seine Zustimmung verweigern darf. Er kann dies nur, wenn ihm Rechte zustehen, die eine Exekution unzulässig erscheinen lassen. Stimmt er nicht zu, so kann er im Klageweg hiezu verhalten werden (ZBl. 1929 Nr. 330 mit Besprechung von Petschek).
Es kommt daher hier ausschließlich darauf an, ob die strittigen Sachen zum Zeitpunkt der Pfändung noch im Eigentum des Verpflichteten Hans V. standen oder ob sie bereits der Erstbeklagten gehörten.
Mit Recht haben die Untergerichte in der Bezettelung, wie sie vorgenommen wurde, keine Eigentumsübertragung erblickt. Gemäß § 451 ABGB. muß der Gläubiger zur Erwerbung des Pfandrechtes die Sache in Verwahrung nehmen. Dies muß umso mehr noch von der weiterreichenden Sicherungsübereignung gelten. Es ist daher zwar kein Besitzkonstitut, wohl aber eine Übergabe durch Zeichen gemäß §§ 427, 452 ABGB. zulässig. Hiezu ist es aber notwendig, daß diese Zeichen für jedermann erkennbar sind, wovon keine Rede sein kann, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Zettel an der Unterseite der Pulte und Regale angebracht wurden, so daß sie für niemanden sichtbar waren. (SZ. XXVII 18 u. a.).
Ebensowenig liegt eine Übergabe in dem Abschluß des Vertrages vom 19. März 1959. Zunächst muß darauf hingewiesen werden, daß in erster Instanz nicht behauptet werden konnte, daß bei oder nach Abschluß des Vertrages irgendeine Erklärung abgegeben worden wäre, daß damit auch die strittigen Gegenstände übertragen worden wären. Ein Sachverhalt, der einer Verwahrung im Sinn des § 451 ABGB. gleichkommt, liegt dann nicht vor, wenn die Sachen während des größten Teiles des Tages nur in der Gewalt des bisherigen Eigentümers stehen und der Gläubiger nur durch eine kurze Zeit eine Kontrolle ausübt. In der Revision versuchen die Beklagten darzulegen, daß in dem Abschluß des Vertrages vom 19. März 1959 eine Besitzauflassung (Übergabe kurzer Hand) liege. Nun ist es richtig, daß ein Pfandrecht oder ein Eigentum zur Sicherheit zwar nicht durch Besitzkonstitut, wohl aber durch Besitzauflassung erworben werden kann, weil sich der Gegenstand in einem solchen Fall in der ausschließlichen Gewalt des Pfandgläubigers oder Erwerbers befindet. Davon kann jedoch hier nicht die Rede sein, wie oben dargelegt worden ist. Auf die Entscheidung SZ. XXXI 161 können sich die Beklagten nicht berufen. Vor allem handelt es sich dort nicht um eine Sicherungsübereignung, sondern um eine gewöhnliche Übergabe des Eigentums, bei welcher die Voraussetzungen weniger streng sind. Überdies lebte in dem dort angeführten Fall die Erwerberin im gemeinsamen Haushalt mit dem Übergeber und übte daher stets eine Gewalt über die Sachen aus.
Mit Recht sind daher die Untergerichte zu der Ansicht gekommen, daß die Erstbeklagte kein Eigentumsrecht an den Pfandgegenständen erworben hat. Die Beklagten sind daher verpflichtet, die Fortsetzung der Exekution durch Verkauf zu dulden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)