OGH 5Ob615/59

OGH5Ob615/5927.1.1960

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Kisser als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Turba, Dr. Lachout, Dr. Graus und Dr. Greissinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ilka S*****, vertreten durch Dr. Hermann Ratzelsdorfer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Margarete H*****, vertreten durch Dr. Georg Steklar, Rechtsanwalt in Oberwart, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens infolge Revision und Rekurses der klagenden Partei gegen das Urteil und den in dieses aufgenommenen Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. November 1959, GZ 5 R 577/59-50, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 24. September 1959, GZ 32 Cg 373/57-46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung 1.) den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

2.) zu Recht erkannt:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 735,07 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

In der Verlassenschaft nach dem am 7. 3. 1947 verstorbenen Julius H***** gab die Beklagte die Erbserklärung aufgrund des Testaments vom 5. 3. 1947 ab, während sich die Klägerin (erbl. Tochter) aufgrund des Gesetzes als Erbin erklärte. Das Verlassenschaftsgericht nahm beide Erbserklärungen an und teilte der gesetzlichen Erbin die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zu. Nachdem das Oberlandesgericht Wien in Abänderung des Ersturteils mit Urteil vom 25. 4. 1951, 5 R 924/50 (34 Cg 37/50 des LG f. ZRS Wien), das Klagebegehren auf Ungültigerklärung des Testaments vom 5. 3. 1947 abgewiesen hatte, wurde der Nachlass der Klägerin aufgrund des erwähnten Testaments eingeantwortet. Eine zu 34 Cg 59/54 angebrachte Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens 34 Cg 37/50 wurde als zur Bestimmung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung ungeeignet gemäß § 538 ZPO mit Beschluss zurückgewiesen.

Nunmehr begehrt die Klägerin neuerlich die Wiederaufnahme des Verfahrens 34 Cg 37/50, die Aufhebung der dort gefällten Urteile und die Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe des Nachlasses an die Klägerin. Sie verlangt ferner die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, Schaden und Vorteil für die Zwischenzeit der Klägerin zu ersetzen.

Die Klägerin stützt ihre Klage auf § 530 Abs 1 Z 1, 2 und 7 ZPO und behauptet, sie habe das Originaltestament vom 5. 3. 1947 erstmals am 26. 10. 1957 gesehen und sofort erkannt, dass die Unterschrift des Erblassers gefälscht sei. Sie legte ein in ihrem Auftrag vom Leiter der Kriminologischen Untersuchungsstelle Klagenfurt, Dr. Gustav M*****, erstattetes Gutachten darüber vor, dass die Unterschrift gefälscht sei. Aus dieser (gefälschten) Unterschrift sei wieder zu folgern, dass die Zeugen E***** und Franz D*****, die die Unterfertigung des Testaments durch den Erblasser bestätigt haben, falsch ausgesagt haben müssen.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme ab. Er vertrat die Auffassung, dass die Klägerin das Wiederaufnahmsbegehren auf § 530 Abs 1 Z 1 ZPO nicht stützen könne, weil die wegen Fälschung der Unterschrift auf dem Testament eingeleiteten Strafverfahren gemäß § 90 StPO eingestellt wurden. Dem auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützten Wiederaufnahmsbegehren stehe die Rechtskraft des Beschlusses, mit dem die Klage zu 34 Cg 59/54 zurückgewiesen wurde, entgegen. Abgesehen davon sei die Klägerin seit 1954 überzeugt, dass die Unterschrift ihres Vaters gefälscht sei, sie habe daher die Frist des § 534 ZPO versäumt. Weder die Einsicht in die Originalurkunde noch der Beweis durch Sachverständige sei ein neues Beweismittel.

Das Berufungsgericht verwarf die wegen Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO erhobene Berufung und bestätigte das Ersturteil. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin aus den Gründen des § 503 Z 1 bis 4 ZPO. Sie beantragt, die Urteile der Untergerichte wegen Nichtigkeit „aber wegen der Gründe zu 2-4“ aufzuheben oder dahin abzuändern, dass ihrem Klagebegehren stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Soweit die Revision Nichtigkeit geltend macht, ficht sie den in das Urteil des Berufungsgerichts aufgenommenen Beschluss an, mit dem die erhobene Nichtigkeitsberufung verworfen wurde. In diesem Punkte war sie als Rekurs zu behandeln, der allerdings im Hinblick auf die Bestimmung des § 519 ZPO unzulässig ist und daher zu verwerfen war (siehe die E des OGH vom 6. 3. 1957, 2 Ob 4, 125/57 = JBl 1957, S 269 ua).

Zur Revision ist Folgendes zu bemerken:

Es ist dem Berufungsgericht beizupflichten, dass die Wiederaufnahmsklage nicht der Anführung eines neuen Klagegrundes dienen kann (so auch die E des OGH vom 1. 7. 1953, 2 Ob 801/52 = JBl 1954, S 177). Die Klägerin hat aber bereits im Hauptprozess das Testament aus dem Grunde der Fälschung der Unterschrift des Erblassers als ungültig angefochten. Anders wäre ihr Vorbringen bei der Tagsatzung vom 24. 10. 1950 zu 34 Cg 37/50 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, sie habe gegen die Beklagte beim Landesgendarmeriekommando in Eisenstadt eine Anzeige im Zusammenhang mit einer angeblichen Fälschung des Testaments erstattet, überflüssig.

Die Klägerin begehrt die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 530 Z 1, 2 und 7 ZPO. Sie behauptet, dass das Testament gefälscht sei, weil die Unterschrift auf dieser Urkunde nicht vom Erblasser stamme. Zunächst behauptete die Klägerin (S 6, 7), dass die Beklagte auf einer Vollmacht, die dem Hausverwalter Z***** erteilt wurde, die Unterschrift des Julius H***** nachgemacht habe und beantragte die Vergleichung der Unterschrift auf dem Testament mit der auf der Vollmacht. Selbst wenn man annehmen wollte, dass dieses Vorbringen den Vorwurf der Urkundenfälschung gegenüber der Beklagten enthalte, ist damit nichts gewonnen, weil die Beklagte die erwähnten Prozessbehauptungen in der Folge nicht mehr aufrecht erhalten hat, sondern durch das Vorbringen ersetzt hat, dass die Unterschrift des Erblassers auf dem Testament von Alfred H***** herrühre (S 40). Diese Behauptung findet ihre Stütze in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Dr. Gustav M*****, wonach die Unterschrift auf dem Testament von dem späteren Gatten der Beklagten Alfred H***** herrührt. Gegen ihn sowie gegen die Beklagte selbst wurde ein Strafverfahren nach den §§ 197 ff StG eingeleitet, das Verfahren aber nach Voruntersuchung eingestellt (32 e Vr 10.001/51, 23 d Vr 7432/55, beide des LG f. Strafs. Wien). Dem Subsidiarantrag der Klägerin wurde mit Beschluss der Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. 1. 1956, 32 d Vr 7432/55, unter Hinweis auf das zu 32 e Vr 10.001/51 erstattete Gutachten des Erkennungsamts, nach dem nicht einwandfrei festzustellen sei, ob die Unterschrift vom Erblasser stamme oder nicht, keine Folge gegeben. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten besteht Verdacht in der Richtung der Unterschriftenfälschung nur gegen den späteren Gatten der Beklagten Alfred H*****, von welchem auch nach dem Gutachten des Dr. M***** die Unterschrift herrühren soll. Es bestand daher kein Anlass, ein Strafverfahren wegen Urkundenfälschung gegen andere Personen als gegen Alfred H***** einzuleiten, zumal die Klägerin selbst einen Verdacht gegen bestimmte Personen nicht ausgesprochen hat.

Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass auch gegen Josefa D*****, Josef E***** und Franz D***** ein Strafverfahren anhängig gewesen sei, das nach § 90 StPO eingestellt worden sei, fußt auf dem Akt 34 Cg 59/54 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien. Dort hatte nämlich die Klägerin schon in ihrer Wiederaufnahmsklage behauptet, es sei gegen die Zeugen Josef E*****, Josefa und Josef D***** (soll offenbar richtig heißen Franz D*****) ebenso wie gegen die Beklagte und Alfred H***** ein Strafverfahren wegen Betrugs gelaufen, das aber eingestellt worden sei. Auch der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 3. 12. 1954, 34 Cg 59/54-14, mit dem die Wiederaufnahmsklage zurückgewiesen wurde, stellt fest, dass das Strafverfahren gegen die oben genannten Personen eingestellt wurde (Beschluss des Strafgerichts vom 13. 6. 1952, S 113/d). Das Rekursgericht, das die Entscheidung mit Beschluss vom 31. 12. 1954 bestätigte, stellte gleichfalls fest, dass gegen die Testamentszeugen, unter denen nach den vorangehenden Ausführungen Josef E*****, Josefa D***** und Alfred H***** zu verstehen sind, ein Strafverfahren wegen Verbrechen des Betrugs, begangen durch Ablegung eines falschen Zeugnisses und Verleitung zur falschen Zeugenaussage zu 32 e Vr 10.001/51 beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingeleitet worden sei, dass jedoch mit Beschluss vom 13. 6. 1952 rechtskräftig eingestellt wurde. Die Nichtbeischaffung des Strafakts 32 e Vr 10.001/51 sowie die Unterlassung von Feststellungen aus den beigeschaffenen Akten in der Verhandlung stellt einen Verfahrensmangel erster Instanz dar, der aber mit Erfolg nur in der nächst höheren Instanz gerügt werden konnte (vgl SZ XXII/106).

Geht man von den durch die Aktenlage gedeckten Feststellungen des Berufungsgerichts aus, dann liegt kein Grund zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens vor. Die Einleitung eines neuen Strafverfahrens gegen die oben genannten Personen wäre, wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 25. 2. 1959, 5 Ob 469/58 ausgesprochen hat, nur über den Umweg der Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach § 352 StPO möglich, die zu veranlassen dem Prozessrichter nicht zukommt. Aber auch auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO kann in diesem Fall die Wiederaufnahme des Hauptprozesses nicht gestützt werden, was der Oberste Gerichtshof ebenfalls unter Hinweis auf die Entscheidung 4 Ob 172/54 in seinem Beschluss vom 25. 2. 1959 dargelegt hat. Denn es ist nicht der Sinn des § 539 ZPO, die Prüfung nochmals durch das Zivilgericht durchführen zu lassen, wenn schon das Strafgericht wegen Mangels an Beweisen oder wegen mangelnden Tatbestands zu keinem Schuldspruch gelangt ist. Andernfalls wäre die Befassung des Strafgerichts mit der Prüfung der Zeugenaussagen geradezu bedeutungslos und die nach § 539 Abs 2 ZPO gegebene Bindung an die negative strafgerichtliche Entscheidung auf diesem Umweg beseitigt. Nur wenn das Strafgericht bloß den subjektiven Tatbestand verneint hat, der objektive Tatbestand der strafbaren Handlung aber gegeben ist, ist die Wiederaufnahme nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO zulässig (SZ XI/257). Dass dies zutreffe, behauptet die Klägerin nicht. Es kann daher ununtersucht bleiben, ob hier die Notfrist von einem Monat (§ 534 Abs 2 Z 4 ZPO) überhaupt eingehalten wurde, was das Rekursgericht in seiner vom Obersten Gerichtshof (5 Ob 469/58) gebilligten Entscheidung vom 10. 11. 1958, 5 R 477/58-31, verneint hat.

Wenn schließlich die Klägerin in ihrer Revision meint, es sei entscheidend, dass dem Gutachter im Strafprozess nur eine Photokopie zur Verfügung stand, während Dr. M***** sein Gutachten auf das Original der Urkunde zu stützen vermochte, und es sei die neue Tatsache, die Fälschung der Urkunde und das aufgefundene Beweismittel für diese Tatsache das Gutachten des Dr. M*****, übersieht sie, dass ihr die Tatsache der Fälschung bereits im Wiederaufnahmsverfahren zu 34 Cg 59/54 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien bekannt war, wie sich aus ihren dort aufgestellten Prozessbehauptungen ergibt. Sie hat dort auch für ihre Behauptungen Beweise angeboten. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 5 Ob 469/58 auf seine Rechtsprechung verwiesen, dass nämlich ein nachträglich beigebrachtes Gutachten keine neue Tatsache ist, wenn das Thema des Gutachtens bereits im Hauptprozess bekannt gewesen ist. Das mag auch für den Fall gelten, dass das Thema bereits in einem vorangegangenen Wiederaufnahmsverfahren als neue Tatsache bekannt war und - wie hier - sogar als neue Tatsache vorgebracht wurde, sofern man nicht schon das Vorbringen der Klägerin im Hauptprozess über die wegen Testamentsfälschung erstattete Anzeige genügen lassen will. Abgesehen davon handelt es sich bei dem Gutachten nicht um ein aufgefundenes Beweismittel, weil es erst nach dem Urteil im Hauptprozess entstanden ist (vgl SZ XXII/180).

Die Klägerin übersieht in ihrer Revision immer wieder, dass es nicht der Sinn und Zweck der Bestimmungen über die Wiederaufnahme eines durch Urteil geschlossenen Prozesses ist, unter allen Umständen die Aufhebung eines bereits rechtskräftig gefällten Urteils zu erwirken, wenn sich Bedenken gegen seine Richtigkeit, sei es durch neue, der Partei bekannt gewordene Tatsachen, sei es durch von ihr aufgefundene Beweismittel ergeben. Gerade das Wiederaufnahmsverfahren verlangt eine strenge Beachtung der hiefür bestehenden Prozessvorschriften, weil sich ja die Wiederaufnahme gegen die Rechtskraft einer gefällten Entscheidung richtet.

Dass dem Zeitpunkt der Einsicht in das Originaltestament keine Bedeutung zukommt, ist gleichfalls damit dargetan, dass die Klägerin zu 34 Cg 59/54 bereits die Fälschung der Urkunde behauptete und hiefür Beweise angeboten hat (so schon 5 Ob 469/58).

Die Klägerin hat zwar ihre Wiederaufnahmsklage auf gesetzliche Gründe gestützt, doch sind diese aus den angeführten Erwägungen nicht gegeben. Die Entscheidung hatte daher nicht, wie die Revision irrig meint, mit Beschluss unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§ 538, 543 ZPO, sondern mit Urteil zu erfolgen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, der über die Rekurskosten auf die §§ 40, 50 ZPO.

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