OGH 4Ob172/54

OGH4Ob172/5428.12.1954

SZ 27/331

Normen

ZPO §530 Abs1 Z2
ZPO §530 Abs1 Z7
ZPO §539
ZPO §530 Abs1 Z2
ZPO §530 Abs1 Z7
ZPO §539

 

Spruch:

Wiederaufnahme nach § 530 Abs. 1 Z. 2 ZPO. nur bei objektiv unrichtiger Aussage des Zeugen. Keine Wiederaufnahme (nach § 530 Abs. 1 Z. 2 ZPO.) nach Freispruch wegen mangelnden Tatbestandes oder wegen Mangels an Beweisen.

Entscheidung vom 28. Dezember 1954, 4 Ob 172/54.

I. Instanz: Arbeitsgericht Graz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Im Vorprozeß (1 Cr 409/51 des Arbeitsgerichtes Graz) hat die klagende Partei Kündigung und Urlaubsentschädigung wegen ungerechtfertigter Entlassung begehrt. Das Erstgericht hat ihr mit Urteil vom 23. Mai 1952, 1 Cr 409/51-14, einen Teilbetrag von 1470.52 S zugesprochen. Das Berufungsgericht wies mit Entscheidung vom 3. Dezember 1952, 2 Cg 68/52-25, das gesamte Begehren ab. Es hielt die Entlassung für gerechtfertigt, weil die Klägerin drei Zehntelliter Himbeersaft ihrem Dienstgeber entwendet und schon vorher von ihr ausgetragene Soda-Himbeer-Getränke wiederholt nicht boniert, also die hiefür eingenommenen Beträge für sich behalten, somit dem Beklagten veruntreut hatte. Diese Feststellungen beruhten auf den Aussagen der Zeuginnen Hedwig P. und Risa S. Der Revision der Klägerin wurde mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 7. Juli 1953, 4 Ob 109/53-31, nicht Folge gegeben.

In der nun vorliegenden, auf § 530 Abs. 1 Z. 7 ZPO. gestützten Wiederaufnahmsklage trägt die Klägerin im wesentlichen vor, die Zeugin P. habe in dem gegen die Zeugin anhängig gewesenen Strafverfahren wegen falscher Aussage vor der Polizei, dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung voneinander und von ihrer Aussage vor dem Berufungsgericht abweichende Aussagen gemacht. In dem Strafverfahren sei sie allerdings freigesprochen worden.

Das Berufungsgericht wies die Wiederaufnahmsklage gemäß § 538 ZPO. zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In seinem Urteil vom 29. Juni 1954, 4 e Vr 954/54-13, ging das Landesgericht für Strafsachen Graz davon aus, daß ein allfälliges Nichtbonieren von Getränken, wie dies Hedwig P. in ihrer Zeugenaussage behauptet hat, durch die Klägerin durchaus möglich gewesen ist; ferner vermochte sich das Strafgericht auch nicht davon zu überzeugen, daß die Zeugin P. bei der fraglichen Aussage im Bewußtsein der Unwahrheit ein falsches Zeugnis abgelegt hat. Durch das Beweisverfahren ist nach der Meinung des Strafgerichtes nicht erwiesen worden, daß die Aussage der Zeugin P. objektiv und subjektiv unrichtig gewesen ist.

Gemäß § 530 Abs. 1 Z. 2 ZPO. kann ein Verfahren wieder aufgenommen werden, wenn sich ein Zeuge einer falschen Aussage schuldig gemacht hat und das Urteil auf diese Aussage gegrundet ist. Nach § 539 Abs. 1 ZPO. hat das Prozeßgericht die Einleitung des strafgerichtlichen Verfahrens zu veranlassen, wenn die Wiederaufnahme auf § 530 Abs. 1 Z. 2 ZPO. gestützt wird. Nach § 539 Abs. 2 ZPO. ist die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Wiederaufnahmsklage erst nach rechtskräftigem Abschluß des strafgerichtlichen Verfahrens, und zwar nur dann anzuberaumen, wenn dieses Verfahren entweder zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt hat oder wenn es aus anderen Gründen als wegen mangelnden Tatbestandes oder wegen Mangels an Beweisen zu einer Verurteilung nicht geführt hat, während andernfalls die Klage zurückzuweisen ist.

Aus dieser Regelung ergibt sich, daß eine Wiederaufnahme gemäß § 530 Abs. 1 Z. 2 ZPO. jedenfalls nur dann stattfinden kann, wenn die Aussage objektiv unrichtig gewesen ist (SZ. IX/278; SZ. XI/257). Hat das strafgerichtliche Verfahren mangels eines feststellbaren objektiven Tatbestandes der falschen Zeugenaussage - also wegen mangelnden Tatbestandes oder wegen Mangels an Beweisen (§ 539 Abs. 2 ZPO.) - zur strafgerichtlichen Verurteilung nicht geführt, so kann die Wiederaufnahme gemäß § 530 Abs. 1 Z. 2 ZPO. nicht stattfinden.

Aber auch eine Wiederaufnahme gemäß § 530 Abs. 1 Z. 7 ZPO. kann in diesem Fall auf die Ergebnisse des strafgerichtlichen Verfahrens nicht gestützt werden. Wollte man dies zulassen, so würde es dazu führen, daß § 530 Abs. 1 Z. 2 ZPO. und § 539 ZPO. überhaupt bedeutungslos würden. Denn dann würde die Klage zwar, soweit sie auf Z. 2 gestützt wäre, im Falle eines Freispruches wegen mangelnden Tatbestandes oder wegen Mangels an Beweisen zurückzuweisen, dann aber noch zu prüfen sein, ob nicht eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel, die im strafgerichtlichen Verfahren hervorgekommen sind, nicht doch geeignet wären, zu einer anderen Würdigung der Aussage zu führen und deshalb die Wiederaufnahme nach Z. 7 zu bewilligen. Der Sinn des § 539 ZPO. ist aber offenbar, die Prüfung nicht nochmals durch das Zivilgericht durchführen zu lassen, wenn schon das Strafgericht wegen mangelnden Tatbestandes oder wegen Mangels an Beweisen zu keinem Schuldspruch gelangt ist. Andernfalls wäre die Befassung des Strafgerichtes mit der Prüfung der Unrichtigkeit der Aussage geradezu bedeutungslos und die nach § 539 Abs. 2 ZPO. gegebene Bindung auch durch die strafgerichtliche, negative Entscheidung auf diesem Umwege beseitigt. Überdies würde die von der Rekurswerberin vertretene Auffassung geradezu eine Einladung an die unterlegene Partei bedeuten, mit irgendwelchen Scheingrunden die Einleitung eines Strafverfahrens wegen falscher Aussage gegen diejenigen Zeugen anzustreben, die zuungunsten der Partei ausgesagt haben. Wenn dann das Verfahren auch nicht zur Verurteilung führt, so bestunde doch gute Aussicht, daß bei den Vernehmungen vor Polizei, Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung - wie hier geschehen - sich Widersprüche oder Abweichungen ergaben und daß dann zwar nicht die Wiederaufnahme nach § 530 Abs. 2, Z. 2 aber doch nach Z. 7 gesichert wäre. Ein solches Ergebnis ist untragbar.

Da im vorliegenden Falle das Strafgericht sich nicht davon zu überzeugen vermochte, daß die Zeugin P. objektiv unrichtig ausgesagt hat, kann schon aus diesem Gründe auf die Ergebnisse des strafgerichtlichen Verfahrens eine Wiederaufnahme auch gemäß § 530 Abs. 1 Z. 7 nicht gestützt werden. Dabei kommt es nicht darauf an, daß das Strafgericht auch den subjektiven Tatbestand einer falschen Zeugenaussage nicht als erwiesen angenommen hat, da eben nicht das Fehlen des subjektiven Tatbestandes allein, in welchem Falle die Zulässigkeit der Wiederaufnahme gemäß § 530 Abs. 1 Z. 7 ZPO. bejaht wird (SZ. XI/257), sondern auch der objektive Tatbestand nicht als erwiesen angenommen wurde.

Das Berufungsgericht hat daher im Ergebnis mit Recht die Wiederaufnahmsklage zurückgewiesen. Im Hinblick auf die Ausführungen der Rekurswerberin bleibt noch beizufügen, daß auch aus der Besonderheit des arbeitsgerichtlichen Verfahrens nichts für die Zulässigkeit der Wiederaufnahmsklage abgeleitet werden kann.

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