OGH 7Ob371/57

OGH7Ob371/576.9.1957

SZ 30/48

Normen

EO §251
ZPO §411
ZPO §471 Z7
ZPO §477
EO §251
ZPO §411
ZPO §471 Z7
ZPO §477

 

Spruch:

Ein Verstoß gegen die Rechtskraft eines Beschlusses über die Exekutionsfreiheit von Gegenständen begrundet Nichtigkeit.

Entscheidung vom 6. September 1957, 7 Ob 371/57.

I. Instanz: Exekutionsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Verpflichtete stellte am 14. Juni 1955 den Antrag, eine Reihe von gepfändeten Gegenständen gemäß § 251 Z. 6 EO. auszuscheiden. Das Erstgericht gab diesem Antrag hinsichtlich der Postzahlen 4, 11 - 13, 16, 20 und 23 des Pfändungsprotokolles Folge und wies gleichzeitig das Begehren auf Ausscheidung der Postzahlen 5, 7, 10, 14, 19, 21, 22 ab (Beschluß vom 26. März 1956). Dieser Beschluß wurde vom Rekursgericht in seinem stattgebenden Teil und im Kostenpunkt aufgehoben; dem Erstgericht wurde in diesem Umfang eine neuerliche Entscheidung aufgetragen. In seinem abweisenden Teil war der Beschluß des Erstrichters unangefochten geblieben. Ein neuerlicher Antrag auf Ausscheidung der im abweisenden Teil des Beschlusses genannten Gegenstände wurde nicht gestellt.

Dennoch wies das Erstgericht den Antrag auf Ausscheidung der unter Postzahl 5, 7, 10, 14, 19, 21 und 22 angeführten Gegenstände mit Beschluß vom 16. Februar 1957 neuerlich ab.

Das Rekursgericht hob aus Anlaß des Rekurses der Verpflichteten den zuletzt angeführten Beschluß in seinem abweisenden Teil als nichtig auf.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der verpflichteten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Entscheidung des Exekutionsgerichtes über die Exekutionsfreiheit von Vermögensobjekten des Verpflichteten ist nicht bloß für das sie erlassende Gericht bindend (§§ 425 Abs. 2 ZPO., 78 EO.), sondern wirkt, wie die Entscheidung ZBl. 1929 Nr. 121 dargelegt hat, auch gegenüber anderen Gerichten und Parteien materielle und formelle Rechtskraft. Dieser Standpunkt wird auch von der Literatur (s. hiezu Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, S. 822) geteilt. Der Staat verweigert nicht nur bei Urteilen, sondern auch bei Beschlüssen solcher Art eine Wiederholung dessen, was er schon getan hat; er verweigert ein nochmaliges Verfahren und eine nochmalige Entscheidung. Darauf ist von Amts wegen Bedacht zu nehmen (Sperl a. a. O. S. 825). Es führt daher nicht nur die Nichtbeachtung der Rechtskraft eines Urteils, sondern auch die Nichtbeachtung der Rechtskraft von Beschlüssen, die über Rechtsschutzansprüche der Parteien entscheiden, zur Nichtigkeit des neuerlich abgeführten Verfahrens und der über diesen Anspruch neuerlich getroffenen Entscheidung. Eines Antrages für den Ausspruch der Nichtigkeit bedarf es nicht. Zur Wahrnehmung der Nichtigkeit genügt es, daß ein zulässiges Rechtsmittel vorliegt.

Sofern der Rekurs ausführt, die Rekursentscheidung sei selbst nach § 477 Abs. 1 Z. 9 ZPO. nichtig, weil sie keine gesetzlichen Bestimmungen über die von ihr wahrgenommene Nichtigkeit enthalte, ist zu erwidern:

Von einer Nichtigkeit nach § 477 Abs. 1 Z. 9 ZPO. könnte nur dann die Rede sein, wenn der Beschluß überhaupt keine Gründe enthielte, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob die Bestimmung des § 477 Abs. 1 Z. 9 ZPO. überhaupt auf Beschlüsse im Exekutionsverfahren anwendbar ist. Die Nichtbeachtung der Rechtskraft ist im Gesetz als Nichtigkeit nicht ausdrücklich angeführt. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch wiederholt darauf hingewiesen (so in der Entscheidung SZ. XX 266), daß die Nichtigkeitsgrunde im § 477 ZPO. nicht erschöpfend aufgezählt sind. Er hat demgemäß in seiner Entscheidung 7 Ob 444/55 ausgesprochen, daß die Rechtskraft der Unzulässigkeit des Rechtsweges im § 240 ZPO. ausdrücklich gleichgestellt sei und diese Gesetzesstelle daher weitere Fälle der Nichtigkeit regle. Es begrunde demnach eine Nichtigkeit, wenn die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Rechtskraft unbeachtet geblieben ist. Von dieser Entscheidung abzugehen, findet der Oberste Gerichtshof keinen Anlaß.

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