OGH 1Ob986/54

OGH1Ob986/5426.1.1955

SZ 28/17

Normen

EO §39 Abs1 Z6
EO §88
EO §96
EO §39 Abs1 Z6
EO §88
EO §96

 

Spruch:

Das Verfügungsrecht des Eigentümers besteht auch bei exekutiven Pfandrechten.

Entscheidung vom 26. Jänner 1955, 1 Ob 986/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Braunau am Inn; II. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis.

Text

Das Erstgericht hat zufolge vollständiger Befriedigung der vollstreckbaren Forderung der betreibenden Partei von 6395 S 90 g s. A. auf deren Antrag sowohl die Einstellung der Exekution (durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung) als auch die Löschung des pfandrechtes verfügt (§§ 39 Abs. 1 Z. 6, 96 EO.).

Das Rekursgericht hat dem Rekurs der verpflichteten Partei, die sich auf das Verfügungsrecht des Liegenschaftseigentümers nach § 469 ABGB. berief, insoweit Folge gegeben, als es den angefochtenen Beschluß, der im Umfange der Einstellung nach § 39 Abs. 1 Z. 6 EO. als unangefochten unberührt blieb, hinsichtlich der verfügten Löschung abgeändert und den auf letztere abzielenden Antrag abgewiesen hat. In seiner Begründung hat sich das Rekursgericht - ohne nähere Ausführungen - auf die "herrschende Judikatur" zu § 469 ABGB. berufen.

Die betreibende Partei begehrt in ihrem Revisionsrekurs die vollständige Wiederherstellung des erstrichterlichen Beschlusses.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es handelt sich nur um die Rechtsfrage, ob aus Anlaß der Einstellung auch die Löschung der Bucheintragung, sei es auf Antrag des Gläubigers, sei es von Amts wegen, erfolgen kann, ohne daß der verpflichteten Partei Gelegenheit gegeben wird, ihr Verfügungsrecht nach der III. Teilnovelle auszuüben.

Das Verfügungsrecht des Liegenschaftseigentümers muß bejaht werden.

Das ältere Schrifttum (ausführlich zitiert bei Klang 2. Aufl. II 528 zu § 469 ABGB.) und das neuere (bei Heller, Große Manzsche Ausgabe der Exekutionsordnung, 9. Aufl. 1953, zu § 96 EO.) sind mit einer einzigen Ausnahme (Modler, Die Einstellung der Zwangsvollstreckung durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung auf Liegenschaften, Deutsches Recht 1941, Ausgabe C S 5 ff.) für die Beachtlichkeit der §§ 33 ff. der III. Teilnovelle auch bei Zwangshypotheken, so daß die Löschung zwangsweise begrundeter Pfandrechte weder auf einseitigen Antrag des betreibenden Gläubigers noch von Amts wegen ohne Einvernehmung des Verpflichteten oder ohne seine Mitfertigung des Einstellungsantrages zulässig sei. Die Begründung der Zulässigkeit bei Modler a. a. O. stützt sich auf den kardinalen Unterschied zwischen einem vertragsmäßig begrundeten Pfandrecht und einer Zwangshypothek. Modler, der für seine Ansicht aus den Ausführungen Ohmeyers in der GerZ. 1917 S. 291 ff., die im Ergebnis zu einem vom Schrifttum bisher nicht vertretenen, gegenteiligen Standpunkte gelangten, wertvolle Hinweise entnehmen konnte, fand auch bei Walker - Jaitner insofern Unterstützung, als diese Autoren nur im Hinblick auf eine "vorsichtige Rechtsprechung" die Mitwirkung des Liegenschaftseigentümers für notwendig halten.

Trotzdem vermag die Ansicht Modlers nicht davon zu überzeugen, daß seit der erwähnten Novelle die exekutiven Pfandrechte anders als die vertragsmäßigen - hinsichtlich des Verfügungsrechtes des Eigentümers - behandelt werden sollen.

Klangs Meinung und die der anderen in seinem Kommentar a. a. O. genannten Schriftsteller, wie Bartsch, Ehrenzweig, Schey, Ohmeyer und auch Schauer - Herrmann in ihren Gesetzesausgaben, grundet sich darauf, daß durch die novellierte Fassung des § 469 ABGB. die Bestimmungen der §§ 39 Abs. 1 Z. 1. 96 EO. praktisch abgeändert wurden.

Heller a. a. O. führt zu § 96 EO. unter Nr. 1 bis 4 die schwankende Rechtsprechung an. Sie hält sich entweder an die Auswirkungen der III. Teilnovelle auf exekutive Pfandrechte oder sie folgt der Meinung Modlers. Überwiegend ist jedoch die Rechtsprechung für die im Schrifttum herrschende Meinung. Klang a. a. O. führt überhaupt nur in dieser Richtung Judikatur an und erwähnt den Aufsatz Modlers nicht.

Kapfer beschränkt sich zu § 469 ABGB. (Manzsche große Ausgabe, 24. Aufl. 1951) mit Beziehung auf die zwangsweise Pfandrechtsbegründung für die Zeit vor der III. Teilnovelle auf die Nennung des Judikates 188, wonach für den exekutiven pfandrechtserwerb der § 469 ABGB. keine Geltung habe, und für die Zeit nach 1916 auf die Anführung der SZ. I 36 und SZ. VI 189, denen zufolge die neue Fassung des § 469 ABGB. das Judikat 188 nicht gegenstandslos mache, wozu zu bemerken ist, daß für die hier zur Entscheidung stehende Frage die an zweiter Stelle genannte SZ.-Entscheidung nicht in Betracht kommt. Jedenfalls aber handelt es sich um eine exekutionsrechtliche und nicht um eine Frage des Privatrechtes. Heller erwähnt auch den Wortlaut der Anm. 1 des E.-Form. Nr. 181: "Mit Rücksicht auf die Bestimmungen der III. Teilnovelle (§§ 33 ff.) dürfte, sofern das Verfügungsrecht des Eigentümers auch an den zwangsweise begrundeten Pfandrechten anerkannt wird (bejaht von Ehrenzweig 1. Aufl. I/2 S. 516 und von Ohmeyer, GerZ. 1917 S. 291, mit Ausschluß der gesetzlichen, exekutiv eingetragenen pfandrechte), eine Löschung von Amts wegen (§ 39 Abs. 1 EO.) unzulässig sein. Die Ausführungen des Justizministerialerlasses vom 2. Juni 1899, Z. 11293, über die Frage der Löschung sind naturgemäß überholt. Auf keinen Fall könnte die Löschung ohne einen darauf bezüglichen Beschluß auf Grund des Einstellungsbeschlusses allein durchgeführt werden."

Zu der bisher angeführten Rechtsprechung - der Oberste Gerichtshof hat sich außer in den beiden zitierten SZ.-Entscheidungen mit dieser Frage nicht befaßt - tritt als jüngste Entscheidung die des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, EvBl. 1954 Nr. 113, hinzu, die das Verfügungsrecht des Eigentümers bei Löschung einer Zwangshypothek bejaht. Es ist auch nicht einzusehen, warum nicht in Ausübung des Verfügungsrechtes der Rahmen für das vertragsmäßige Pfandrecht aus den Beträgen (Kapital, Zinsen und Kosten) des zu löschenden exekutiven Pfandrechtes errechnet werden könnte.

Wie sich aus § 449 ABGB. ergibt, kann sich der Titel zum Erwerb eines Pfandrechtes aus das Gesetz, auf einen richterlichen Ausspruch, auf einen Vertrag oder auf den letzten Willen des Eigentümers der Pfandsache grunden. Trotz der Verschiedenheit der möglichen Entstehungsursachen handelt es sich nach dem Gesetz doch um dasselbe Recht, nämlich das Pfandrecht, das, auf Grund welchen gesetzlich möglichen Titels immer entstanden, jedenfalls denselben Inhalt hat und den Zweck verfolgt, dem Pfand-, gläubiger Sicherheit für seine Forderung zu geben. Es ist anzunehmen, daß das vertraglich begrundete Pfandrecht dessen ursprüngliche Form darstellt. Der Gesetzgeber bedient sich dieser Rechtsfigur aber auch zu anderen Zwecken, insbesondere im Exekutionsverfahren durch Begründung des - richterlichen Pfandrechtes. Wenngleich diese Erwerbungsart im ABGB. nicht geregelt wurde (§ 450 ABGB.), sondern hinsichtlich Hypotheken in den §§ 87 ff. EO. enthalten ist, handelt es sich dort doch im wesentlichen nur um die Vorgänge bei der Begründung des pfandrechts. Das exekutive Pfandrecht stimmt aber seinem Inhalt nach mit dem vertraglich begrundeten überein, wenn von der Vollstreckbarkeitswirkung des exekutiven Pfandrechts abgesehen wird. Diese Wirkung kann aber nach § 89 EO. auch einem vertraglich begrundeten Pfandrecht zuteil werden. Die Bewilligung und der Vollzug der Einverleibung haben ebenso wie für dieses nach den Bestimmungen des Grundbuchsgesetzes vor sich zu gehen (§ 88 Abs. 2 EO.).

Der noch im Judikat 188 hervorgehobene Umstand, daß in den das Pfandrecht regelnden Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches von "verpfänden", "verpfändeter Sache", "Verpfändungszeit" usw. gesprochen wird, scheint dem Obersten Gerichtshof nicht von ausschlaggebender Bedeutung zu sein. Diese auf vertragsmäßige Pfandrechtsbegründung hinweisenden Wendungen deuten nur darauf hin, daß diese Art der Pfandrechtseinräumung als der Normalfall angesehen und geregelt wurde, ohne daß aber das Pfandrecht, das auf einen anderen Rechtstitel zurückgeht, von der gesetzlichen Regelung ausgeschlossen werden sollte. Im übrigen ist das Judikat auf die hier nicht bedeutsame Erwägung gegrundet, daß das Exekutionsverfahren nur wirkliches Vermögen des Verpflichteten zu ergreifen vermag (§ 37 EO.) und daß die Exekution niemals Rechte auf Kosten eines Dritten entstehen läßt, wie dies nach den Bestimmungen über den rechtsgeschäftlichen Verkehr beim Erwerb vom Nichteigentümer und beim Erwerb im Vertrauen auf den Grundbuchstand der Fall sein kann.

Es ist weiter zu bedenken, daß der Zweck der vertragsmäßigen Pfandrechtsbegründung ebenso wie der der exekutiven in der Sicherung und schließlichen Verwertung der Pfandsache zum Zweck der Befriedigung der Pfandforderung besteht (§ 461 ABGB.) und daß jenes vielfach dazu bestimmt ist, in dieses überzugehen. Nach der Bezahlung der Pfandforderung ist so wie beim vertragsmäßigen auch beim exekutiven Pfandrecht ein bücherlicher Pfandrang frei geworden, auf den die nachfolgenden Pfandgläubiger in beiden Fällen keinen Anspruch haben, weil im Grundbuchsrecht keinesfalls der Grundsatz des bücherlichen Nachrückens besteht. Die Verschiedenheit der Begründung eines Pfandrechtes kann nicht dazu führen, daß die Art dieser Begründung (zwangsweise oder vertraglich) auch für den Untergang des Pfandrechtes oder des Rechtes des Eigentümers, über den Pfandrang zu verfügen, maßgebend sein müßte. Mit der hier vertretenen Ansicht stimmt auch die Bestimmung des § 868 DZPO. überein.

Der allfällige Einwand, daß dann auch das gesetzliche pfandrecht mit Vorrang vor den bücherlichen Pfandrechten nach § 469 ABGB. berücksichtigt werden müßte, ist unberechtigt. Denn einerseits haftet der bevorzugte Rang an der zugrunde liegenden Pfandforderung und kann schon aus diesem Grund einer gewöhnlichen Forderung nicht zuteil werden. Andererseits bezieht sich die Bestimmung des § 469 ABGB. auf den normalen, aus dem Grundbuch ersichtlichen Pfandrang und nicht auf uneingetragene, bevorzugte Befriedigungsrechte, wie ja die Vorschrift des § 469 BGB. auf den Eintragungs- und Publizitätsgrundsatz zurückgeht, der auf gesetzliche Pfandrechte nicht ohne weiteres anwendbar ist.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

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