OGH 4Ob224/53

OGH4Ob224/531.12.1953

SZ 26/288

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §378
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §431
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §444
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1447
Grundbuchsgesetz §36
Zivilprozeßordnung §234
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §378
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §431
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §444
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1447
Grundbuchsgesetz §36
Zivilprozeßordnung §234

 

Spruch:

Ein Rangordnungsbescheid bewirkt kein rückwirkendes Entstehen des in derRangordnung intabulierten Rechtes.

Eine nach der Klagszustellung erfolgte grundbücherliche Übertragung steht der Verurteilung auf Einräumung einer bücherlichen Servitut gegen den Veräußerer nicht entgegen.

Entscheidung vom 1. Dezember 1953, 4 Ob 224/53.

I. Instanz: Arbeitsgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.

Text

Die Kläger behaupten, daß der verstorbene Rechtsanwalt Dr. Max D. ihnen bereits zu Lebzeiten ein lebenslängliches Gebrauchsrecht an der Liegenschaft Haus Nr. 131 in N. eingeräumt habe. Dr. Max D. ist ohne Testament gestorben. Sein Nachlaß ist den gesetzlichen Erben eingeantwortet worden, im Erbteilungswege ist das vorgenannte Haus den Beklagten zugefallen.

Auf Grund dieses Sachverhaltes begehrten die Kläger u. a. im Klagewege, die Beklagten zu verurteilen, binnen 14 Tagen zu erklären, daß sie in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit der Wohnung auf das vorgenannte Haus willigen.

Das Erstgericht hat in diesem Punkte die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat bestätigt.

Das Berufungsgericht stellte fest, daß die Erstklägerin schon in ihrer frühesten Jugend in den Dienst Dris. Max D. als Hausgehilfin aufgenommen wurde. Sie wurde wie eine Familienangehörige behandelt und niemals tarifmäßig entlohnt noch sozialversichert. Als die Erstklägerin im Jahre 1938 den Zweitkläger heiratete, sicherte Dr. Max D. der Klägerin zu, sie und ihr Mann könnten in seinem Hause bleiben, würden wie Kinder gehalten werden und brauchten sich nie mehr um eine Wohnung kümmern. Nach dem Ableben seiner Gattin habe Dr. Max D. wiederholt, daß sie stets im Hause bleiben könnten. Auch hat er nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes damals davon gesprochen, daß die Kläger als Dank für die übergroße Mühe, die sie während der Krankheit seiner Frau hatten, alles bekommen werden, auch sein Haus samt Garten, wie es liegt und steht; ihre Wohnung sei bei ihm. Auch hat das Berufungsgericht als erwiesen angenommen, daß die Kläger mit Einwilligung Dr. Max D. alle Räume des Hauses benützt hätten. Dr. Max D. habe den Klägern wiederholt ein lebenslängliches Wohnungsrecht an allen Räumen seines Hauses eingeräumt.

Das Berufungsgericht konstruiert diese wiederholten Erklärungen als Titel für die Einräumung des Wohnungsrechtes und meint, daß den Klägern, da ihnen der tatsächliche Besitz des Wohnungsrechtes noch zu Lebzeiten Dr. Max D. eingeräumt wurde, ein publizianischer Besitz an dem Wohnungsrecht zukomme. Sie könnten daher auf bücherliche Übertragung des Wohnungsrechtes klagen.

Der Umstand, daß die Beklagten nach Einbringung der Klage (5. Mai 1952) die Liegenschaft am 21. Mai 1952 an dritte Personen veräußert hatten, stunde einer Verurteilung nicht entgegen. Es bleibe ihnen unbenommen, den Vertrag über die Veräußerung der Liegenschaft rückgängig zu machen, zumal der Grundbuchsbescheid noch nicht rechtskräftig sei; es liege daher weder eine Unmöglichkeit noch eine Unerschwinglichkeit der Leistung vor.

Die Revision der beklagten Parteien blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß Dr. Max D. den Klägern ein Wohnungsrecht eingeräumt hat und daß sie in den tatsächlichen Besitz dieses Rechtes gesetzt worden sind. Da die Beklagten als Miterben nach Dr. Max D. sich die Kenntnis des von Dr. Max D. abgeschlossenen Vertrages entgegenhalten lassen müssen, können sie auf Zuhaltung des Vertrages geklagt werden. Nach § 479 ABGB. wird die Einräumung einer persönlichen Servitut, also auch eines persönlichen Wohnungsrechtes, vermutet und nicht die Einräumung eines nur obligatorischen Rechtes. Da die Beklagten der ihnen obliegenden Beweislast, daß kein dienliches Recht ausgemacht worden sei, nicht entsprochen haben, so haben die Unterinstanzen mit Recht die Beklagten zur Zuhaltung des Vertrages und infolgedessen zur Verbücherung des ihnen eingeräumten dinglichen Wohnungsrechtes verhalten. Da es sich um die Klage auf Einräumung eines dinglichen Rechtes handelt, so konnten nur diejenigen Miterben verurteilt werden, denen bei der Erbteilung die Liegenschaft zugefallen ist. Auf die Weiterveräußerung der Liegenschaft war kein Bedacht zu nehmen, weil die grundbücherliche Übertragung erst nach der Klagszustellung erfolgt ist, die beklagte Partei daher gemäß § 378 ABGB. auf Verschaffung des den Klägern zustehenden Rechtes trotz Weiterveräußerung der Liegenschaft geklagt werden könne. Der Klage auf Verschaffung eines dinglichen Rechtes ist aber die Klage auf Einräumung einer bücherlichen Servitut gleichzuhalten, weil mit der Einräumungsklage die bücherliche Rechtsstellung verlangt wird, auf die der Servitutsberechtigte Anspruch gegenüber dem zur Einräumung Verpflichteten hat.

Zu Unrecht berufen sich die Beklagten darauf, daß man nicht sagen könne, daß sie deshalb, weil die Dritterwerber erst nach der Klagszustellung als Eigentümer einverleibt worden sind, das Eigentum erst nach der Klagszustellung hätten fahren lassen, weil sich die bücherliche Priorität des Dritterwerbers nach einem bereits vor der Klagszustellung eingetragenen Rangordnungsbescheid richte.

Dieser Auffassung kann der Oberste Gerichtshof nicht beitreten. Ein Rangordnungsbescheid hat nur die Wirkung, daß spätere Eintragungen den berechtigten Inhaber des Rangordnungsbescheides nicht mehr schaden können, sie bewirkt aber nicht ein rückwirkendes Entstehen des in der Rangordnung intabulierten Rechtes. Der Dritterwerber hat daher erst mit dem Tage der Eintragung das grundbücherliche Eigentum erworben, die Beklagten mit diesem Tage verloren. Es kann deshalb nicht gesagt werden, daß sie bereits mit dem Tage der Anmerkung des Rangordnungsbescheides ihr Eigentum verloren haben. Das stunde mit der Vorschrift der §§ 431, 444 ABGB. in Widerspruch, daß das Eigentum erst durch die Löschung in den öffentlichen Büchern verlorengeht bzw. durch die Eintragung erworben wird. Es steht daher der Anwendbarkeit des § 378ABGB. kein Hindernis entgegen.

Richtig ist, daß das Urteil, das die Beklagten zur Abgabe der zur bücherlichen Übertragung erforderlichen Erklärungen verurteilt, solange die Liegenschaft auf die Beklagten nicht rückübertragen ist, keinen brauchbaren Exekutionstitel darstellt. Die Kläger bleiben, soweit die Rückübertragung nicht erfolgt ist, auf die Klage nach § 368 EO. beschränkt. Der Exekutionstitel wird aber sofort wirksam, wenn die Liegenschaft von den Beklagten rückerworben wird, um den Urteilsbefehl erfüllen zu können.

Es kann daher auch nicht gesagt werden, daß der Klage die Einwendung derUnmöglichkeit der Leistung entgegenstehe. Die Beklagten haben, entgegen der ihnen obliegenden Pflicht, die Liegenschaft fahren lassen; sie müssen sie daher zurückerwerben. Daß dies geradezu unmöglich ist, wird gar nicht behauptet. Es ist nur eine Geldfrage, daß nämlich den Dritterwerbern soviel geboten wird, daß sie die Liegenschaft rückübertragen. Daß dies unmöglich sei, kann nicht gesagt werden, zumal wenn erwogen wird, daß auch die Dritterwerber zur Anerkennung des Wohnungsrechtes verpflichtet sind, wenn es zutreffend ist, daß im Vertrag bereits auf das von den Klägern behauptete Wohnungsrecht hingewiesen wurde, weil die Kläger in diesem Fall nicht als gutgläubig anzusehen wären und ihnen gegenüber im Sinne der Entscheidung SZ. XXII/89 daher das Wohnungsrecht geltend gemacht werden kann.

Auch aus der Rechtskraft der Abweisung der Servitutenfeststellungsklage im Vorprozeß kann nicht gefolgert werden, daß die Beklagten nicht zur Einräumung des Wohnungsrechtes verpflichtet sind. Das Recht auf Einräumung eines Wohnungsrechtes oder grundbücherliche Bestellung einer solchen kann auch dann bestehen, wenn eine Servitut vor der Einräumung nicht bestanden hat.

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