OGH 2Ob964/52

OGH2Ob964/5218.2.1953

SZ 26/41

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1295
JN §1
StPO §193 Abs3
StPO §366
StPO §368
ZPO §45
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1295
JN §1
StPO §193 Abs3
StPO §366
StPO §368
ZPO §45

 

Spruch:

Rechtsweg für Klage eines durch eine strafbare Handlung Geschädigten gegen die Republik Österreich auf Befriedigung aus der verfallenen Haftkaution auch ohne vorgängiges Verwaltungsverfahren offen.

Entscheidung vom 18. Feber 1953, 2 Ob 964/52.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Die klagende Firma behauptete, von dem wegen Betruges in Untersuchungshaft gewesenen und nach Erlag einer Kaution von 20.000 S auf freien Fuß gesetzten, in der Folge jedoch geflüchteten Paul Sch. schwerstens geschädigt worden zu sein, und begehrte von der Republik Österreich die Herausgabe der für verfallen erklärten Kaution.

Das Erstgericht hat seine Unzuständigkeit sowie die Nichtigkeit des vorausgegangenen Verfahrens wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges ausgesprochen und die Klage zurückgewiesen.

Das Rekursgericht hat den Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache an dieses mit dem Auftrage zurückverwiesen, das Verfahren unter Abstandnahme von den Zurückweisungsgrunden fortzusetzen.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der angefochtene Beschluß führt aus, daß § 193 letzter Satz StPO. keine Bestimmung darüber enthalte, der Geschädigte müsse seinen Anspruch auf Befriedigung aus der Kaution vorerst bei Versperrung des Rechtsweges im administrativen Verfahren oder überhaupt im Verwaltungsverfahren geltendmachen. Aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber eine solche Vorschrift wohl in anderen Gesetzen erlassen, eine Novellierung des § 193 Abs. 3 StPO. in diesem Sinne aber nicht für notwendig befunden habe, müsse geschlossen werden, daß hier keine Gesetzeslücke vorliege, der Gesetzgeber vielmehr eine solche Regelung nicht für notwendig erachtet habe. In den von der beklagten Partei zur Dartuung der Richtigkeit ihrer Ansicht bezogenen Entscheidungen sei die gegenständliche Frage nicht zur Erörterung gestanden. Auch die vom Erstgerichte für seinen Standpunkt angeführten Zweckmäßigkeits- und wirtschaftlichen Erwägungen sprächen nicht gegen die Auffassung des Rekursgerichtes, da der Fiskus schon mit Erhalt der Entschädigungsklage die Möglichkeit der Anspruchsprüfung und damit der Anerkennung oder Bestreitung habe. Im letzteren Falle bleibe aber nur der Zivilrechtsweg offen, während bei einem Anerkenntnis der Fiskus nach § 45 ZPO. vorgehen könne, wenn er nicht vorher zur Leistung aufgefordert worden sei. Schließlich müsse noch darauf verwiesen werden, daß das Landesgericht Innsbruck als Strafgericht einen Antrag des Privatbeteiligten auf Entschädigung seiner Ansprüche gegen Paul Sch. aus der für verfallen erklärten Kaution mit der Begründung zurückgewiesen habe, daß der Anspruch mittels Klage beim ordentlichen Zivilgericht gegen den Bundesschatz geltend zu machen sei.

Den Gründen des angefochtenen Beschlusses tritt der Oberste Gerichtshof im wesentlichen bei, weil sie der Rechtslage entsprechen und durch die Ausführungen des Revisionsrekurses nicht widerlegt werden. Sowohl in derEntscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ. VI/321 wie auch in jener des Obersten Gerichtshofes als KH. 3714 ist die Klage des durch eine Strafhandlung Geschädigten gegen den Staat auf Ausfolgung der vom Täter erlegten und für verfallen erklärten Kaution für zulässig erklärt worden. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 11. April 1951, 1 Ob 189/51, ist die Zulässigkeit des Rechtsweges aus § 368 StPO. abgeleitet worden. Den vom Revisionsrekurs angezogenen Entscheidungen 1 Ob 578/47, 2 Ob 587/50 und 2 Ob 166/50 liegen nicht Klagen durch strafbare Handlungen Geschädigter zugrunde, weshalb aus ihnen nichts zugunsten der Rechtsmittelwerberin abzuleiten ist. Die Entscheidung 2 Ob 587/50 spricht ausdrücklich aus, daß gegen die Richtigkeit der Entscheidung SZ. VI/321 keine Bedenken bestehen. Mit der im angefochtenen Beschluß vertretenen Auffassung stimmt auch die Lehre überein (Lohsing 1952, S. 249). Der Umstand, daß in dem Gesetz vom 18. August 1918, RGBl. Nr. 318, über die Entschädigung für Untersuchungshaft und im Bundesgesetz vom 2. August 1932, BGBl. Nr. 242, über die Entschädigung ungerechtfertigt verurteilter Personen die Regelung getroffen ist, die Partei habe den Bund zunächst zur freiwilligen Anerkennung eines von ihr begehrten Entschädigungsanspruches aufzufordern, ähnliches auch im Amtshaftungsgesetz verfügt ist, gibt an sich noch keinen Anlaß, im vorliegenden Falle von einer Gesetzeslücke zu sprechen und schon gar nicht, im Wege der Analogie in Spezialgesetzen vorgesehene Regelungen auf den Anspruch des Geschädigten nach § 193 Abs. 3 StPO. auszudehnen. Dem logischen Hilfsmittel der Analogie steht der ebenfalls logische Denkbehelf des Umkehrschlusses gegenüber, beide führen zum entgegengesetzten Ergebnis, der Ausgangspunkt ist in beiden Fällen der gleiche, nämlich die Feststellung, daß es über den vorliegenden Fall keine gesetzliche Bestimmung gebe, wohl aber über einen ähnlichen Fall. Bei der Analogie wird nun gefordert, daß im gleichen Sinne auch im vorliegenden Falle vorzugehen sei, weil es sich um einen ähnlichen Fall handle, beim Umkehrschluß dagegen, daß der Gesetzgeber, wenn er die gleiche Regel auch für den vorliegenden Fall hätte angewendet wissen wollen, das im Gesetz selbst ausgesprochen haben würde. Aus dem Schweigen des Gesetzes müsse daher das Gegenteil gefolgert werden. Die Gefahr eines Mißbrauches dieser logischen Denkbehelfe liegt auf der Hand. Was der Revisionsrekurs zur Stützung seines Analogieschlusses anführt, läßt sich ebensogut zur Verteidigung des Umkehrschlusses anführen. In Wirklichkeit liegt hier gar keine Lücke vor. Im Zusammenhalt mit den Bestimmungen über die Behandlung der Ansprüche von Privatbeteiligten im strafgerichtlichen Verfahren überhaupt, insbesondere §§ 366 ff. StPO. kann es keinem Zweifel unterliegen, daß, sofern nicht ein Zuspruch im Strafverfahren erfolgt, der Anspruch vor dem Zivilrichter geltend zu machen ist. Ein vorgängiges Verwaltungsverfahren ist nicht vorgesehen und besteht auch keine unbedingte Notwendigkeit hiefür. Im übrigen ist aber abschließend im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Fall noch zu bemerken, daß die beklagte Partei weder bei der ersten Tagsatzung noch in der Klagebeantwortung den klägerischen Anspruch ganz oder zum Teil anerkannt, sondern in der Klagebeantwortung dem Gründe und der Höhe nachbestritten hat.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte