Normen
AußStrG §23
AußStrG §25
JN §77
ZPO §477 Abs1 Z3
AußStrG §23
AußStrG §25
JN §77
ZPO §477 Abs1 Z3
Spruch:
§ 25 AußstrG. erfordert kein weitwendiges Beweisverfahren zur Feststellung der Staatsangehörigkeit des Verstorbenen, sondern sorgt dafür, daß bei ungeklärter Staatsbürgerschaft des Erblassers jedenfalls über den im Inland befindlichen beweglichen Nachlaß durch ein österreichisches Gericht abgehandelt wird.
Entscheidung vom 22. Februar 1950, 3 Ob 462/49.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin, die sich auf Grund des im Jahre 1937 von Dr. Paul St. vor seiner Auswanderung nach Amerika errichteten Testamentes als Erbin erklärt hatte, wurde vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien als Verlassenschaftsgericht auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Sie begehrt als erste geschiedene Ehegattin des Erblassers in der Klage gegenüber der auf Grund des Gesetzes erbserklärten zweiten Ehegattin, der Beklagten, die Feststellung, daß ihr zum Nachlaß des am 10. November 1943 verstorbenen Erblassers das alleinige Erbrecht zukomme. Die Klägerin behauptet, daß das vom Erblasser eigenhändig geschriebene Testament, das sich bisher in ihrer Verwahrung befunden habe und in völlig eindeutiger Weise ihre Einsetzung zur Universalerbin enthielt, bei einem Bombenangriff am 22. März 1945 durch Einsturz und Brand ihres Wohnhauses vernichtet wurde. Gegenstand des Nachlasses seien der Rückforderungsanspruch, betreffend erblasserische Liegenschaften, und Ansprüche des Erblassers aus Verlagsverträgen.
Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt, indem es feststellte, daß Dr. Paul St. im Herbst 1937 ein gültiges, eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament, enthaltend die Einsetzung der ersten Ehegattin, das ist der Klägerin, zur Universalerbin seines Nachlasses errichtet habe. Ferner wurde festgestellt, daß dieses Testament später durch Zufall vernichtet worden ist.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision bekämpft das angefochtene Urteil lediglich insofern, als sie behauptet, daß das Urteil und das vorangegangene Verfahren gemäß § 477 Abs. 1 Z. 3 ZPO. nichtig seien. Die Nichtigkeit wird darin erblickt, daß mit Rücksicht auf die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit des am 10. April 1943 in Amerika verstorbenen Erblassers die Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung über den beweglichen Nachlaß gemäß § 23 Abs. 2 AußstrG. der ausländischen Behörde zu überlassen und daher auch die Entscheidung über den strittigen Erbrechtsanspruch der Klägerin der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen sei.
Das Berufungsgericht hat die inländische Gerichtsbarkeit für gegeben erachtet, weil das Bezirksgericht Innere Stadt Wien gemäß § 25 AußstrG. zur Abhandlung des in den Nachlaß fallenden Rückstellungsanspruches hinsichtlich eines in Wien gelegenen Hauses zuständig ist und daher die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes gemäß § 77 JN. gegeben sei. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes sind die Angaben der Beklagten über die Staatsangehörigkeit des Erblassers sowohl im Verlassenschaftsverfahren als auch in diesem Rechtsstreit schwankende gewesen. Die Beklagte selbst bezeichnete die Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichtes zur Durchführung der Verlassenschaft als zweifelhaft und behauptet zuerst, der Erblasser habe seine österreichische Staatszugehörigkeit durch seine Auswanderung verloren und sei staatenlos geworden; schließlich behauptet sie, er habe nach seiner Flucht aus Deutschland und nach Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft von der tschechoslowakischen Exilregierung in Marseille die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit verliehen erhalten und einen tschechoslowakischen Paß bekommen. Die Tatsache des Erwerbes einer anderen Staatsbürgerschaft sei aber nach Ansicht des Berufungsgerichtes durch die vorliegenden Zeugenbeweise, eidesstättigen Erklärungen und insbesondere auch durch die Photokopie des vom Konsulat der tschechoslowakischen Regierung in Marseille ausgestellten Reisepasses, in welchem unter Staatszugehörigkeit "tschechoslowakisch" angeführt erscheint, und durch das Ansuchen um Erlangung der amerikanischen Staatsbürgerschaft nicht bewiesen. Auf Grund der Aktenlage sei weiters bescheinigt, daß der Erblasser laut Heimatschein am 13. März 1938 noch in Wien das Heimatrecht besessen habe und daß es dem Erblasser in Marseille gelungen sei, den erwähnten tschechischen Reisepaß ausgestellt zu erhalten, um nach Amerika auswandern zu können. Das Berufungsgericht kommt daher zu dem Ergebnis, es sei nicht feststellbar, ob und auf welche Weise die Verleihung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft an den Erblasser erfolgt sei und ob er im Zeitpunkt seines Todes als staatenlos oder als In- oder Ausländer anzusehen sei.
Die Revision ist nicht begrundet.
Der Oberste Gerichtshof schließt sich der vom Berufungsgericht dargelegten Rechtsansicht an, daß mit Rücksicht auf die schwankende Beweislage hinsichtlich der Frage der Staatsangehörigkeit des Erblassers die Bestimmung des § 25 AußstrG. heranzuziehen ist, wonach der bewegliche Nachlaß der Ausländer, rücksichtlich deren nicht ausgemittelt werden kann, welchem Staate sie angehören, von den österreichischen Gerichten und nach österreichischen Gesetzen zu verhandeln ist, welche Bestimmung sich auch auf Staatenlose bezieht. Aus dem vom Gesetz gewählten Ausdruck "ausmitteln" läßt sich erschließen, daß der Gesetzgeber kein weitwendiges Beweisverfahren im Auge hatte, um die Staatsangehörigkeit eines Verstorbenen festzustellen, sondern daß es sich im § 25 um die Bestimmung handelt, daß bei ungeklärter Staatsangehörigkeit eines Erblassers jedenfalls dafür gesorgt sein soll, daß sein im Inland befindlicher beweglicher Nachlaß vom österreichischen Gerichte abgehandelt wird.
Es bedeutet deshalb keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wenn das Berufungsgericht keine Anfrage an das Bundesministerium für Justiz gerichtet hat, ob die Verleihung der Staatsbürgerschaft durch die tschechoslowakische Exilregierung im Wege des Konsulates in Marseille Gültigkeit hatte. Abgesehen davon, daß Konsulate nach völkerrechtlichen Grundsätzen zur Verleihung der Staatsbürgerschaft gar nicht befugt sind, hätte durch eine solche Anfrage nicht festgestellt werden können, ob dem Erblasser die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft tatsächlich verliehen worden ist, da die Ausstellung eines tschechoslowakischen Reisepasses durch das tschechoslowakische Konsulat in Marseille zum Zwecke der Ausreise nach Amerika während des zweiten Weltkrieges unter den damaligen Verhältnissen noch keinen unanfechtbaren Beweis darstellen kann, daß der Betreffende tatsächlich die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erworben hat. Überdies steht dem Besitz eines tschechoslowakischen Reisepasses die Tatsache entgegen, daß Dr. Paul St. nach dem Auszug aus der Wiener Heimatrolle noch am 13. März 1938 in Wien das Heimatrecht besessen hat. Die Behauptung der Revision, die Beklagte sei im Besitz eines alten tschechoslowakischen Heimatscheines ihres Gatten aus dem Jahre 1920, ist eine erst im Revisionsverfahren vorgebrachte und daher unzulässige Neuerung, die übrigens nicht ausschließen würde, daß der Erblasser eben später die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat.
Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß die Abhandlung und der Erbrechtsstreit der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen seien. Es liegt daher keine Nichtigkeit gemäß § 477 Abs. 1 Z. 3 ZPO. vor, da die Begründung des berufungsgerichtlichen Urteiles in dieser Richtung weder mangelhaft ist, noch eine unrichtige Beurteilung der Sache vorliegt.
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