Normen
AbgÄG 2015
EURallg
FinStrG §53 Abs1
FinStrG §53 Abs2 lita
VwRallg
ZollRDG 1994 §74 Abs2
31992R2913 ZK 1992 Art221 Abs3
62008CJ0124 Snauwaert und Deschaumes VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022160091.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit zwei Bescheiden des Zollamts vom 15. Oktober 2020 wurden gegenüber dem Revisionswerber nachträglich Eingangsabgaben festgesetzt. Der Revisionswerber habe in den Jahren 2012 bis 2014 und 2016 Radarwarngeräte erworben, die von näher genannten Personen bzw. einer diesen Personen zuzurechnenden Gesellschaft aus den Vereinigten Staaten von Amerika versendet und in den zoll‑ und steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden seien. In den Zollanmeldungen seien teilweise Wertangaben unter dem tatsächlichen Wert vorgenommen worden (unter Verwendung von Scheinrechnungen und unrichtigen Zahlungsnachweisen), teilweise seien die Pakete als Geschenksendungen deklariert worden, obwohl Zahlungen für die Waren erfolgt seien. Die unrichtigen Zollanmeldungen hätten zu einer zu niedrigen Festsetzung der Eingangsabgaben geführt. Der Revisionswerber sei als Empfänger der Sendungen, bei deren Anmeldung er sich durch den Anmelder indirekt vertreten habe lassen, als Schuldner der Eingangsabgaben heranzuziehen. Hinsichtlich der Festsetzungsverjährung gehe das Zollamt von hinterzogenen Eingangsabgaben aus.
2 In der gegen die Bescheide gerichteten Beschwerde wendete der Revisionswerber unter anderem ein, dass die ohnehin nicht zu Recht festgesetzten Beträge mittlerweile verjährt seien. Er habe weder Eingangsabgaben hinterzogen, noch habe er bei der Einfuhr von Radarwarngeräten an der Hinterziehung von Eingangsabgaben mitgewirkt.
3 Diese Beschwerde wurde vom Zollamt mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen, woraufhin der Revisionswerber die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das Bundesfinanzgericht ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ die Abgaben hinsichtlich einer Warenanmeldung mit einem geringfügig niedrigeren Betrag neu fest und wies die Beschwerde im Übrigen als unbegründet ab. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte es für nicht zulässig.
5 Das Bundesfinanzgericht führte nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und unter Verweis auf die vom Zollamt als Finanzstrafbehörde durchgeführten Ermittlungen im Wesentlichen aus, mit den verfahrensgegenständlichen Anmeldungen seien Radarwarngeräte in den zoll‑ und steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden. Versendungs‑ und Ursprungsland der Geräte seien die Vereinigten Staaten von Amerika (USA), Warenempfänger sei in allen Fällen der Revisionswerber gewesen. Als Versender sei in allen Fällen die natürliche Person B mit einer Adresse in den USA angegeben worden. Bei sämtlichen Sendungen ‑ die im Postverkehr abgefertigt worden seien ‑ sei in der Zollinhaltserklärung angegeben worden, es handle sich um ein Geschenk („Gift“). Der Revisionswerber habe für jede Sendung ‑ die jeweils mehrere (zwischen zwei und fünf) Geräte enthalten habe ‑ Geldbeträge, die den angegebenen Warenwert bei Weitem überstiegen hätten, an den Versender B überwiesen. Mit einer Ausnahme habe der Revisionswerber für jede Sendung zwei Überweisungen getätigt und zwar eine, deren Höhe in etwa dem angegebenen Warenwert entsprochen habe, und eine weitere mit einem weit höheren (Rest‑)Betrag. Der Revisionswerber habe insgesamt € 18.052,50 auf das Konto von B überwiesen, wobei davon ein Betrag in Höhe von € 8.741,50 nicht den verfahrensgegenständlichen Zollanmeldungen zuzuordnen sei. Insgesamt seien bei den Überführungen von Radarwarngeräten in den zoll‑ und steuerrechtlich freien Verkehr durch B (gemeinsam mit einer anderen Person) Eingangsabgaben in Höhe von mindestens € 82.791,82 verkürzt worden.
6 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, die Eingangsabgaben seien von den vom Revisionswerber tatsächlich getätigten Zahlungen an den Versender B zu berechnen und nicht von den getätigten Angaben des Warenwertes in den Zollinhaltserklärungen bzw. den der Warenanmeldung zugrundeliegenden Rechnungen oder von Vergleichspreisen für vergleichbare Geräte.
7 Zur Verjährungsfrist führte das Bundesfinanzgericht aus, diese verlängere sich bei strafbaren Handlungen von drei Jahren auf zehn Jahre, und zwar auch bei strafbaren Handlungen Dritter und nicht nur des Abgabenschuldners. Als Voraussetzung für eine Verlängerung der Verjährungsfrist werde nur auf eine strafbare Handlung abgestellt und nicht darauf, dass die Verlängerung der Verjährungsfrist nur dem Täter als Zollschuldner gegenüber erfolge. Die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß Art. 221 Abs. 4 ZK ivm § 74 Abs. 2 ZollR‑DG komme zur Anwendung, wenn im Zusammenhang mit den gegenständlichen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen worden sei. Nach § 60 ZollR‑DG (in der Fassung ab 1. Mai 2016) lägen die Voraussetzungen für eine verlängerte Verjährungsfrist bereits dann vor, wenn die Zollschuld aufgrund einer ‑ somit auch fahrlässig begangenen ‑ strafbaren Handlung entstanden sei.
8 Gegenständlich lägen vorsätzliche strafbare Handlungen vor, weil in den Zollinhaltserklärungen nicht die korrekten Warenwerte angegeben worden seien und es sich nicht wie angegeben um Geschenksendungen gehandelt habe. Zumal die verkürzten Eingangsabgaben in den verfahrensgegenständlichen und in den zusammentreffenden Fällen mehr als 50.000 € (§ 53 Abs. 2 lit. a FinStrG) ausmachten und das Finanzvergehen der Hinterziehung von Eingangs‑ und Ausgangsabgaben durch das Gericht zu ahnden sei, seien die Voraussetzungen für die Verlängerung der Verjährungsfrist auf zehn Jahren gegeben.
9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vorlegte.
10 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); das Zollamt erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der es die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision beantragte.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Der Revisionswerber führt zur Zulässigkeit der Revision zunächst aus, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verjährungsfrist gemäß Art. 221 Abs. 4 ZK iVm § 74 Abs. 2 ZollR‑DG bzw. gemäß Art. 103 UZK iVm § 60 ZollR‑DG. Die im Revisionsfall vorliegenden einzelnen acht Verkürzungen von Eingangsabgaben seien jeweils als gesonderte Finanzvergehen zu werten, sodass für diese gesondert der Eintritt der Verjährung zu prüfen sei.
15 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision schon deshalb nicht dargetan, weil das Bundesfinanzgericht keineswegs angenommen hat, die verfahrensgegenständlichen Verkürzungen seien als ein einziges Delikt anzusehen. Das Bundesfinanzgericht hat lediglich über die Festsetzung der betreffenden Eingangsabgaben abgesprochen und dabei mit näherer Begründung angenommen, die jeweiligen Abgabenansprüche seien noch nicht verjährt. Das rechtliche Schicksal der Revision hängt daher nicht von der Lösung dieser Rechtsfrage ab.
16 Zur Zulässigkeit wird weiters vorgebracht, es stelle sich die Rechtsfrage, ob bei der Hinterziehung von Eingangsabgaben ‑ entsprechend der Judikatur des OGH ‑ jede einzelne Einfuhr von Waren in das Zollgebiet eine selbständige Tat sei. Weiters stelle sich die Rechtsfrage, ob sich eine Verlängerung der Verjährungsfrist gemäß § 74 Abs. 2 ZollR‑DG auch bei Vorliegen einer ausschließlichen Gerichtszuständigkeit nach § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 lit. a zweiter Fall FinStrG, somit durch Summierung einzelner strafbestimmender Wertbeträge auf über 50.000 €, ergeben könne. Zudem habe das Bundesfinanzgericht unrichtigerweise auch auf angenommene Abgabenverkürzungen Dritter abgestellt.
17 Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zum Art. 221 Abs. 3 ZK ‑ als unionsrechtlichen Grundlage des § 74 Abs. 2 ZollR‑DG (idF vor dem AbgÄG 2015, BGBl. I Nr. 163/2015) ‑ der Abgabenbetrag dem Zollschuldner nach Ablauf der Frist von drei Jahren mitgeteilt werden kann, wenn die Zollbehörden aufgrund einer strafbaren Handlung anfänglich den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag nicht genau ermitteln konnten, und zwar auch dann, wenn der Zollschuldner nicht der Täter dieser strafbaren Handlung ist (EuGH 16.7.2009, Snauwaert, C‑124/08 und C‑125/08 ). Dieser Rechtsprechung folgend hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es für die verlängerte Verjährungsfrist des § 74 Abs. 2 ZollR‑DG nicht darauf ankommt, ob der in Anspruch genommene Zollschuldner die Abgaben selbst hinterzogen hat oder der Zollschuldner der Täter der strafbaren Handlung ist (vgl. VwGH 11.1.2019, Ra 2017/16/0074, mwN). Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers ist das Bundesfinanzgericht in der angefochtenen Entscheidung nicht von dieser Rechtsprechung abgewichen.
18 Der Revisionswerber verneint in der Zulässigkeitsbegründung das Vorliegen der in § 74 Abs. 2 ZollR‑DG geregelten Voraussetzung, wonach ‑ damit es zur Verlängerung der Verjährungsfrist auf 10 Jahren kommt ‑ im Zusammenhang mit den jeweiligen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen vorliegen muss, bei einer lediglich aufgrund der Zusammenrechnung der maßgeblichen strafbestimmenden Wertbeträge gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 lit. a zweiter Fall FinStrG gegebenen Gerichtszuständigkeit. In einem solchen Fall sei entgegen dem Wortlaut des § 74 Abs. 2 ZollR‑DG nicht nur „ein“ ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen gegeben.
19 Damit scheint der Revisionswerber allerdings zu übersehen, dass, sobald aufgrund § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 lit. a zweiter Fall FinStrG das Gericht zur Ahndung mehrerer Finanzvergehen zuständig ist, jedes einzelne dieser Finanzvergehen „ein“ ausschließlich vor einem Gericht zu verfolgendes Finanzvergehen iSd § 74 Abs. 2 ZollR‑DG ist. Gegen die Beurteilung des Bundesfinanzgerichtes, wonach im vorliegenden Fall B als Versender der verfahrensgegenständlichen Waren Eingangsabgaben vorsätzlich verkürzt habe und aufgrund der Zusammenrechnung der maßgeblichen strafbestimmenden Wertbeträge das Gericht zur Ahndung dieser Finanzvergehen zuständig sei, wendet sich der Revisionswerber nicht.
20 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 30. Oktober 2024
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