VwGH Ra 2022/12/0085

VwGHRa 2022/12/008518.11.2024

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie Senatspräsidentin Mag.a Nussbaumer‑Hinterauer und Hofrätin Dr. Holzinger als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 22. März 2022, VGW‑002/053/7858/2019‑13, VGW‑002/V/053/7860/2019, betreffend Beschlagnahme und Einziehung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien; mitbeteiligte Partei: A G GmbH, G, vertreten durch Dr. Günter Schmid und Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Hafferlstraße 7), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2
GSpG 1989 §2 Abs1
GSpG 1989 §53 Abs1 Z1 lita idF 2010/I/111
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §17
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022120085.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 8. Mai 2019 sprach die Landespolizeidirektion Wien (LPD Wien) gemäß § 53 Abs. 1 Glücksspielgesetz (GSpG) die Beschlagnahme und gemäß § 54 Abs. 1 GSpG die Einziehung näher bezeichneter Glücksspielgeräte ‑ darunter ein Ein‑ und Auszahlungsgerät ‑ aus.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der von der Mitbeteiligten dagegen erhobenen Beschwerde statt und behob den bekämpften Bescheid. Weiters sprach es aus, die Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei unzulässig.

3 Das Verwaltungsgericht ging davon aus, die Kontrolle vom 24. Februar 2019 sei auf Grund einer Anzeige der Rechtsanwaltskanzlei Dr. B erfolgt. Danach habe eine Detektei im verfahrensgegenständlichen Lokal am 20. Jänner 2019 verdeckte Probespiele durchgeführt und dabei illegale Glücksspiele in Form von virtuellen Walzenspielen festgestellt. Bei der Kontrolle durch die Finanzpolizei am 24. Februar 2019 sei ein ungehinderter Zutritt in das Lokal nicht möglich gewesen, weil dieses mit mehreren Schleusen und Kameras gesichert gewesen sei. Die Tür sei über behördlichen Auftrag durch einen Schlosser geöffnet worden. Bis auf drei Geräte seien alle Glücksspielgeräte in Betrieb und im „Demo‑Modus“ bespielbar gewesen. Die drei nicht mehr in Betrieb befindlichen Geräte (FA Nr. 12 bis 14) seien offenbar bis unmittelbar vor der Amtshandlung in Betrieb gewesen, wie sich auf Grund einer Temperaturmessung ergeben habe. Die Geräte seien entweder vom dort angetroffenen Angestellten oder über einen mittels Internet übermittelten Befehl heruntergefahren worden. Bei den im „Demo‑Modus“ befindlichen Geräten habe nur ein Zeitguthaben erworben werden können, dies im Gegensatz zu einem normalerweise erworbenen Guthaben in Geldwert. Feststellungen zu den im Normalbetrieb gegebenen Spielabläufen auf den Geräten sowie zum Inaussichtstellen eines Gewinnes hätten nicht getroffen werden können, weil die Geräte nur im „Demo‑Modus“ hätten bespielt werden können. Im vorliegenden Fall habe nicht erwiesen werden können, dass am vorgeworfenen Tatort zum angegebenen Tatzeitpunkt verbotene Ausspielungen stattgefunden hätten, weil auf der Grundlage der bei der Kontrolle durch die Finanzpolizei gesicherten, lediglich im „Demo‑Modus“ der Geräte erlangten Beweise nicht habe festgestellt werden können, dass Glücksspiele angeboten worden seien. Auf den Geräten seien Walzenspiele installiert gewesen. Bei den Geräten mit der Bezeichnung „Apex“ und „Mainvision“ handle es sich um amtsbekannte Glücksspielgeräte, mit denen im Normalbetrieb Gewinne in Geld hätten erspielt werden können. Im „Demo‑Modus“ habe der Spielverlauf durch Geschicklichkeit nicht beeinflusst werden können. Die Frage, ob ein Gewinn vorliege oder nicht, habe sich im „Demo‑Modus“ danach gerichtet, ob gleiche Symbole in einer Reihe bei den Walzen als Spielergebnis aufgeschienen seien.

4 Im vorliegenden Fall hätten keine Feststellungen über die Art des Spieles getroffen werden können, weil es den Kontrollorganen nicht möglich gewesen sei, die beschlagnahmten Geräte außerhalb des „Demo‑Modus“ zu testen. Es sei daher kein substantiierter Verdacht eines Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 GSpG vorgelegen. Die Beschlagnahme sei daher nicht gerechtfertigt gewesen. Auch die Anordnung der Einziehung sei zu beheben gewesen, weil ein Verstoß gegen § 52 Abs. 1 GSpG nicht habe nachgewiesen werden können.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Bundesministers für Finanzen mit dem Antrag, dieses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

7 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei ‑ entgegen seinen eigenen Ausführungen ‑ zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Spielablauf der Glücksspiele nicht habe dargestellt werden können. Weiters habe es zu Unrecht die Angaben aus dem Anzeigenkonvolut der Rechtsanwaltskanzlei betreffend die Veranstaltung von Glücksspielen nicht berücksichtigt und zu Unrecht den Berufsdetektiv nicht vernommen. Es habe dadurch gegen näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen.

8 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 53 Abs. 1 Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl. Nr. 620/1989 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, lautet:

Beschlagnahmen

§ 53. (1) Die Behörde kann die Beschlagnahme der Glücksspielautomaten, der sonstigen Eingriffsgegenstände und der technischen Hilfsmittel anordnen, und zwar sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn

1. der Verdacht besteht, dass

a) mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, oder

b) durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird oder

2. fortgesetzt und wiederholt mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen gemäß Z 1 lit. a gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird oder

3. fortgesetzt und wiederholt durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird.“

10 § 54 Abs. 1 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2013 lautet:

Einziehung

§ 54. (1) Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, sind zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 einzuziehen, es sei denn der Verstoß war geringfügig.“

11 Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt in Abweichung von diesen Grundsätzen allerdings dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der in § 45 AVG aufgestellte Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, dass die Behörde oder das Verwaltungsgericht willkürlich vorgehen dürften, sondern nur, dass sie bei ihrer Beweiswürdigung nicht an Beweisregeln gebunden sind. Alle Beweismittel sind grundsätzlich gleichwertig und haben die gleiche abstrakte Beweiskraft. Dafür, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht, hat allein der „innere Wahrheitsgehalt“ der Ergebnisse des Beweisverfahrens ausschlaggebend zu sein (vgl. etwa VwGH 15.3.2018, Ra 2017/20/0487; 15.9.2020, Ra 2020/19/0145).

12 Das Verwaltungsgericht hat daher im Rahmen der Beweiswürdigung alle relevanten Beweisergebnisse zu berücksichtigen. Die gänzliche Außerachtlassung eines Beweisergebnisses, ohne sich mit dessen inneren Wahrheitsgehalt auseinandergesetzt zu haben, entspricht nicht dem Gesetz (vgl. VwGH 15.3.2018, Ra 2017/20/0487).

13 Im vorliegenden Fall gelangte das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass kein ausreichend substantiierter Verdacht vorliege, dass mit Glücksspielgeräten oder sonstigen Eingriffsgegenständen fortgesetzt oder wiederholt gegen Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen worden sei.

14 Zutreffend wurde in der Zulässigkeitsbegründung der Revision darauf hingewiesen, dass in diesem Zusammenhang die „Anzeige“ und insbesondere der ihr angeschlossene Bericht des Detektivs nicht berücksichtigt und keiner Beweiswürdigung unterzogen wurden. Schon die belangte Behörde ist in ihrem Bescheid vom 8. Mai 2019 davon ausgegangen, dass seit 20. Jänner 2019, dem Tag des Lokalbesuchs durch den Detektiv, verbotene Ausspielungen im verfahrensgegenständlichen Lokal stattgefunden hätten. Insgesamt hat das Verwaltungsgericht Wien ausschließlich auf Grund der Tatsache, dass am Tag der Kontrolle durch die Finanzpolizei nur Probespiele im „Demo‑Modus“ stattgefunden hätten, den Schluss gezogen, dass nicht hätte nachgewiesen werden können, dass mit den beschlagnahmten und eingezogenen Glücksspielgeräten verbotene Ausspielungen veranstaltet worden seien. Sämtliche in eine andere Richtung weisenden Beweisergebnisse und Tatsachenfeststellungen wurden unberücksichtigt gelassen (etwa, dass sich auch im „Demo‑Modus“ der Spielablauf von Walzenspielen gezeigt hat, ein Ein‑ und Auszahlungsgerät vorgefunden wurde, dass der Eingang zum Lokal nicht zugänglich war, etc.). Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung erweist sich daher als unvertretbar.

15 Soweit in der Revision der Standpunkt vertreten wird, das Verwaltungsgericht habe gegen den Grundsatz der Amtswegigkeit verstoßen und nicht alle sich bietenden Erkenntnisquellen erschöpft, indem es den Detektiv nicht vernommen habe, ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht, bei dem von ihm erzielten Ergebnis, dass verbotene Ausspielungen mit den beschlagnahmten und eingezogenen Glücksspielgeräten nicht stattgefunden hätten, den Detektiv hätte vernehmen müssen.

16 Im Übrigen wird das Verwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in seine Überlegungen einzubeziehen haben, wonach der Umstand allein, dass die Bespielung der Apparate und damit die Durchführung von Probespielen zum Zeitpunkt der glücksspielrechtlichen Kontrolle nicht (mehr) möglich war, für sich genommen noch nicht dazu führt, dass schon deshalb angenommen werden könnte, der Verdacht des Eingriffs in das Glücksspielmonopol des Bundes mit Glücksspielgeräten sei entkräftet. Eine Ausspielung im Sinne des § 2 Abs. 1 GSpG mit Glückspielautomaten liegt nur vor, wenn den Spielern für eine vermögenswerte Leistung eine mittels eines Glückspielautomaten zu bewirkende vermögenswerte Gegenleistung in Aussicht gestellt wird. Das ist bereits dann der Fall, wenn der Glückspielautomat in betriebsbereitem Zustand aufgestellt ist oder aus den Umständen hervorgeht, dass jedem potentiellen Interessenten die Inbetriebnahme des Gerätes möglich ist. Eine Betriebsbereitschaft (Spielbereitschaft) wird noch nicht durch jederzeit unmittelbar reversible Maßnahmen beendet (vgl. etwa VwGH 29.1.2024, Ra 2021/17/0095, mwN; sowie 7.12.2023, Ra 2023/12/0045, betreffend einen Fall, in dem die Geräte unmittelbar vor der Kontrolle ausgeschaltet wurden, mwN).

17 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 18. November 2024

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