VwGH Ra 2023/20/0530

VwGHRa 2023/20/05309.11.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, in den Rechtssachen der Revisionen 1. des O A und 2. des M A, beide vertreten durch Mag. Wissam Barbar, Rechtsanwalt in 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 99/2/10, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 15. September 2023, 1. L512 2271355‑1/8E und 2. L512 2271353‑1/9E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §8 Abs1
MRK Art3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023200530.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerber sind Brüder und Staatsangehörige des Libanon. Sie stellten nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 22. Juli 2022 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge mit den Bescheiden vom 28. März 2023 (betreffend den Erstrevisionswerber) und vom 17. März 2023 (betreffend den Zweitrevisionswerber) ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung, stellte jeweils fest, dass die Abschiebung in den Libanon zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab. Unter einem sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG jeweils nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die Revisionswerber beziehen sich in der Begründung für die Zulässigkeit der von ihnen erhobenen Revisionen allein auf die Versagung der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten. Sie bringen vor, die Sicherheitslage habe sich an der libanesisch‑israelischen Grenze verschärft, und verweisen auf die schlechte wirtschaftliche Lage im Libanon.

8 Zu Ersterem kann es genügen, auf die ‑ unbestrittenen ‑ Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zu verweisen, wonach die Revisionswerber im Libanon aus der Stadt Tripoli (die nicht im Gebiet der Grenze des Libanon zu Israel liegt) stammen. Auf die von den Revisionswerbern angestellten Spekulationen über zukünftige, im Ungewissen liegende Ereignisse war nicht weiter einzugehen.

9 Zum die wirtschaftlichen Verhältnisse im Libanon betreffenden Vorbringen ist festzuhalten, dass selbst ein Leben im Herkunftsstaat in ärmlichen Verhältnissen für sich genommen nicht dazu führt, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK gegeben sein könnte (vgl. VwGH 25.7.2023, Ra 2023/20/0289). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits ausgeführt, dass die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. dazu sowie zu den sonstigen Voraussetzungen, wann von der realen Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK auszugehen ist, ausführlich VwGH 25.4.2022, Ra 2021/20/0448, mwN).

10 In den Revisionen werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 9. November 2023

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