VwGH Ra 2023/20/0237

VwGHRa 2023/20/023713.6.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann‑Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des W W, vertreten durch Mag. Daniel Kirch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. April 2023, I407 2269620‑1/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023200237.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Tunesien, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 7. Februar 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 14. März 2023 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Tunesien zulässig sei, erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise.

3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht, das von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen hatte, mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Der Revisionswerber behauptet in der Begründung der Zulässigkeit der von ihm erhobenen Revision, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht keine Verhandlung durchgeführt und es seien ihm weitere Verfahrensfehler unterlaufen.

8 Das Bundesverwaltungsgericht ging ‑ wie zuvor das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ‑ davon aus, dass der Revisionswerber seinen Herkunftsstaat ausschließlich aus wirtschaftlichen Erwägungen verlassen hat. Weiters hat es Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat getroffen und darauf gegründet sowie unter Hinweis darauf, dass Tunesien gemäß § 1 Z 11 Herkunftsstaaten‑Verordnung als sicherer Herkunftsstaat gelte, das Bestehen von in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 genannten Gefahren verneint.

9 Soweit in der Revision nicht von diesen Feststellungen ausgegangen wird, ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht mit einem Vorbringen begründet werden kann, das unter das nach § 41 VwGG im Revisionsverfahren geltende Neuerungsverbot fällt (vgl. VwGH 24.11.2022, Ra 2022/20/0145, mwN). Dass die erwähnten Feststellungen zum Grund des Verlassens des Herkunftsstaates auf vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Verfahrensmängel beruht hätten, wird vom Revisionswerber nicht dargetan.

10 Jeglichem weiteren Vorbringen zu Verfahrensfehlern, das sich seinerseits auf die dem Neuerungsverbot unterliegenden Behauptungen gründet, ist somit schon deswegen der Boden entzogen.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob im Sinn des ‑ fallbezogen maßgeblichen ‑ § 21 Abs. 7 erster Satz BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) „der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich:

12 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA‑VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. dazu ausführlich VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; sowie aus der weiteren Rechtsprechung etwa VwGH 29.11.2022, Ra 2022/20/0372, mwN).

13 Der Revisionswerber zeigt ‑ ausgehend von den für diese Beurteilung fallbezogen maßgeblichen Ausführungen in der an das Verwaltungsgericht erhobenen Beschwerde ‑ nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht von diesen Leitlinien abgewichen wäre.

14 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (VwGH 9.3.2023, Ra 2023/20/0041 bis 0043, mwN). Soweit die Revision überhaupt im Revisionsverfahren beachtliche Ausführungen (§ 41 VwGG) enthält, ist eine solche Relevanz anhand des Vorbringens nicht zu erkennen.

15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 13. Juni 2023

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