Normen
AsylG 2005 §5 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41
32013R0604 Dublin-III Art18 Abs1 litd
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022200145.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Afghanistans, stellte nach unrechtmäßiger Einreise am 17. Mai 2021 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit Bescheid vom 6. August 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das das Asylverfahren der Revisionswerberin nicht zugelassen hatte, diesen Antrag als unzulässig zurück, stellte fest, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) 604/2013 (Dublin III‑Verordnung) Dänemark zuständig sei, ordnete gegen die Revisionswerberin die Außerlandesbringung an und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Dänemark zulässig sei.
3 In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass sich nach der erkennungsdienstlichen Behandlung der Revisionswerberin herausgestellt habe, dass sie am 12. Jänner 2016 in Dänemark, am 27. Jänner 2016 in Finnland und am 9. Juni 2020 in der Schweiz um Asyl angesucht habe. Daraufhin habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 25. Mai 2021 ein Wiederaufnahmegesuch nach der Dublin III‑Verordnung an die Schweiz gestellt. Die Übernahme der Revisionswerberin sei von der Schweiz noch am selben Tag unter Hinweis auf die Zuständigkeit Dänemarks abgelehnt worden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe daher am 27. Mai 2021 ein Wiederaufnahmegesuch an Dänemark gerichtet. Dänemark habe mit Schreiben vom 31. Mai 2021 seine Zuständigkeit gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III‑Verordnung bestätigt.
Das Vorbringen der Revisionswerberin, sie habe sich vor ihrer Einreise nach Österreich für mehr als drei Monate im Iran und damit außerhalb des Hoheitsgebiets der EU‑Mitgliedstaaten aufgehalten, stufte die Behörde als nicht glaubwürdig ein.
4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 6. April 2022 ohne Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab. Die Erhebung einer Revision erklärte es für gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zur Zulässigkeit der Revision macht die Revisionswerberin geltend, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Versäumung der Überstellungsfrist nach der Dublin III‑Verordnung die Zuständigkeit auf jenen Mitgliedstaat übergehe, der zuvor einen anderen Mitgliedstaat um Übernahme der betreffenden Person ersucht hätte. Im Fall der Revisionswerberin habe sich Dänemark mit Schreiben vom 28. Juli 2020 aufgrund eines Wiederaufnahmeersuchens der Schweiz zur Übernahme der Revisionswerberin nach deren Asylantragstellung in der Schweiz verpflichtet. Die Überstellungsfrist sei auf Ersuchen der Schweiz vom 18. August 2020 auf 18 Monate verlängert worden. Die Überstellungsfrist sei am 28. Jänner 2022 abgelaufen, ohne dass es zu einer Überstellung der Revisionswerberin durch die Schweiz nach Dänemark gekommen sei, weshalb die Zuständigkeit Dänemarks nach der Dublin III-Verordnung nicht mehr gegeben sei.
9 Das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage kann nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. etwa VwGH 14.12.2016, Ra 2016/19/0300; 28.7.2016, Ra 2015/07/0147, jeweils mwN).
10 Nach der Rechtsprechung des VwGH gilt das aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot auch für solche Rechtsausführungen, deren Richtigkeit nur auf Grund von Tatsachenfeststellungen überprüft werden kann, die deshalb unterblieben sind, weil im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht diesbezüglich nichts vorgebracht wurde (vgl. VwGH 20.10.2021, Ra 2021/20/0368, mwN).
11 Sowohl im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch vor dem Verwaltungsgericht hat die Revisionswerberin vorgebracht, Österreich sei deswegen nach der Dublin III-Verordnung für die Bearbeitung ihres erneuten Asylgesuchs zuständig, weil sie das Hoheitsgebiet der EU‑Mitgliedstaaten vor der erneuten Einreise in dieses Hoheitsgebiet für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten verlassen gehabt habe. Dass die Zuständigkeit Dänemarks aus anderen Gründen nicht (länger) bestünde, wurde von ihr nie geltend gemacht. Somit steht der Beachtlichkeit der oben angeführten, erstmals in der Revision aufgestellten Behauptungen das im Revisionsverfahren geltende Neuerungsverbot entgegen. Schon deshalb kann mit diesem Vorbringen nach der oben dargestellten Rechtslage die Zulässigkeit der Revision nicht begründet werden.
12 Bloß der Vollständigkeit halber wird die Revisionswerberin im Hinblick auf ihr Vorbringen auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im ‑ auf das Urteil des Gerichtshofes des Europäischen Union vom 2. April 2019, C‑582/17 und C‑583/17 , Bezug nehmenden ‑ Beschluss vom 12. Juni 2019, Ra 2017/19/0206, hingewiesen (vgl. dem folgend auch VwGH 4.10.2022, Ra 2022/20/0269).
13 Wenn in der Revision das Unterbleiben einer Verhandlung beanstandet wird, wird nicht aufgezeigt, dass eine Verletzung der in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Fall von Beschwerden gegen im Zulassungsverfahren getroffene zurückweisende Entscheidungen nach der Sonderbestimmung des § 21 Abs. 6a BFA‑Verfahrensgesetz, wonach das Bundesverwaltungsgericht unter anderem über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden kann (vgl. zu den diesbezüglichen Leitlinien VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072), vorläge.
14 In der Zulässigkeitsbegründung wird weiters ins Treffen geführt, das Bundesverwaltungsgericht habe seinem Erkenntnis Berichte zu Dänemark zugrunde gelegt, in denen auf den Aspekt der Beachtung des Refoulmentverbots nicht Bezug genommen werde. Das trifft aber am Boden des Inhalts der angefochtenen Entscheidung nicht zu, weil das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich davon ausging, Dänemark erteile temporäre Aufenthaltsgenehmigungen, wenn Personen im Fall der Rückkehr in ihr Herkunftsland mit Todesstrafe, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung konfrontiert wären (sh. S. 34f. im angefochtenen Erkenntnis).
15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 24. November 2022
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