European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023200025.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine armenische Staatsangehörige, stellte am 14. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Mit Bescheid vom 26. Juli 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Revisionswerberin hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Armenien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).
3 Die ausdrücklich nur gegen die Spruchpunkte II., IV. und V. dieses Bescheides erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Erhebung einer Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Soweit sich die Revisionswerberin in der Begründung für die Zulässigkeit der Revision gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes wendet, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof nach seiner ständigen Rechtsprechung als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 31.1.2023, Ra 2022/20/0347, mwN). Dass die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes, das ‑ nach Durchführung einer Verhandlung ‑ dem Vorbringen der Revisionswerberin, wonach sie den Herkunftsstaat aus Furcht vor Misshandlungen durch ihren Ehegatten verlassen habe, die Glaubwürdigkeit versagte, mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wäre, zeigt die Revision nicht auf.
8 Dem auf der Prämisse der Richtigkeit der eigenen Behauptung zu den Gründen des Verlassens des Herkunftsstaates aufbauenden Revisionsvorbringen zu Ermittlungsmängeln ist somit schon deswegen der Boden entzogen.
9 Soweit die Revisionswerberin rügt, sie sei vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durch einen männlichen Organwalter befragt worden, zeigt sie nicht auf, dass das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, das durch eine Richterin weiblichen Geschlechtes entschieden hat, in dieser Hinsicht fehlerhaft gewesen wäre (vgl. VwGH 14.10.2021, Ra 2021/19/0027, mwN).
10 Weiters wendet sich die Revisionswerberin in der Begründung der Zulässigkeit der Revision gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung nach § 9 BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) vorgenommene Interessenabwägung.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG (vgl. VwGH 30.5.2022, Ra 2022/20/0132; 30.9.2022, Ra 2022/20/0240, jeweils mwN).
12 Wenn die Revisionswerberin vorbringt, ihre erwachsene Tochter und deren Kinder regelmäßig zu besuchen und ihre Enkelkinder zu betreuen, zeigt sie damit keine Merkmale einer über die üblichen Bindungen einer Mutter zu ihrer erwachsenen Tochter und ihren Enkelkindern hinausgehenden Abhängigkeit auf (zu den Voraussetzungen eines Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK außerhalb des insbesondere zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens siehe erneut Ra 2022/20/0240, mwN).
13 Insgesamt gelingt es der Revisionswerberin mit ihrem Vorbringen nicht, darzutun, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seinen im Rahmen der Interessenabwägung vorgenommenen Erwägungen die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien nicht beachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte. Das Bundesverwaltungsgericht hat sämtliche fallbezogen entscheidungswesentlichen Umstände, insbesondere auch die in der Revision ins Treffen geführte Dauer des Aufenthaltes der Revisionswerberin in Österreich, die Bindungen zur Tochter und den Enkelkindern, ihre (ehrenamtliche) Aushilfstätigkeit als Betreuerin von Kindern, hilfsbedürftigen Personen und als Reinigungskraft sowie das Ausmaß ihrer Deutschkenntnisse hinreichend berücksichtigt und ist zu dem insgesamt nicht unvertretbaren Ergebnis gelangt, dass die privaten Interessen der Revisionswerberin das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nicht überwiegen.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 18. April 2023
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