Normen
B-VG Art133 Abs4
COVID-19-EinreiseV 2020
COVID-19-EinreiseV 2020 AnlE
COVID-19-EinreiseV 2020 AnlF
COVID-19-EinreiseV 2020 §1 Abs2
COVID-19-EinreiseV 2020 §2
COVID-19-EinreiseV 2020 §3
COVID-19-EinreiseV 2020 §3 Abs1
COVID-19-EinreiseV 2020 §4 Abs2
COVID-19-EinreiseV 2020 §4 Abs3
COVID-19-EinreiseV 2020 §6
COVID-19-EinreiseV 2020 §7
COVID-19-EinreiseV 2020 §8
EpidemieG 1950 §40 Abs1 litc
VStG §44a Z1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023070141.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 24. August 2021 wurde dem Revisionswerber vorgeworfen, er habe am 14. Jänner 2021 um 9:15 Uhr an einem näher genannten Ort seinen dortigen Hauptwohnsitz verlassen, obwohl er sich mit seiner eigenhändigen Unterschrift am 9. Jänner 2021 um 19:30 Uhr beim Grenzübergang Kufstein Kiefersfelden (A12) im Zuge der Einreise aus Deutschland bzw. vorhergehend aus Spanien/Palma de Mallorca verpflichtet habe, eine 10-tägige selbstüberwachte Heimquarantäne anzutreten. Die Dauer der Heimquarantäne habe somit am 9. Jänner 2021 begonnen und hätte erst am 19. Jänner 2021 geendet. Es sei auch kein molekularbiologischer Test oder Antigen-Test auf SARS-CoV-2 frühestens am fünften Tag nach der Einreise, welcher negativ sei, durchgeführt worden, sodass die Heimquarantäne nicht vorzeitig beendet habe werden dürfen.
2 Der Revisionswerber habe dadurch eine Übertretung nach § 3 iVm § 4 Abs. 2 COVID-19-Einreiseverordnung (COVID-19-EinreiseV), BGBl. II Nr. 445/2020 idF BGBl. II Nr. 563/2020, iVm § 40 Abs. 1 lit. c Epidemiegesetz 1950 (EpiG), BGBl. Nr. 186/1950 idF BGBl. I Nr. 136/2020, begangen, wofür über ihn gemäß § 40 Abs. 1 EpiG eine Geldstrafe von € 300,- (Ersatzfreiheitsstrafe 139 Stunden) verhängt wurde.
3 Im Akt erliegt dazu eine vom Revisionswerber ausgefüllte und unterschriebene Erklärung nach Anlage F der COVID-19-EinreiseV („Declaration of quarantine“), in der in der Rubrik „Time, date and place of arrival“ die handschriftliche Eintragung „09.01.20 / 1930 Kufstein A12“ (gemeint wohl: 09.01.21) lautet.
4 Bereits mit dem Einspruch gegen die vorangehende Strafverfügung hatte der Revisionswerber einen für das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, München Flughafen Testing, erstellen Laborbefund über einen PCR-Test auf SARS-CoV-2 mit negativem Ergebnis vorgelegt, der als Zeitpunkt der Probenentnahme den 9. Jänner 2021, 19:36 Uhr, aufweist.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die gegen das behördliche Straferkenntnis erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen, ihn zur Leistung eines weiteren Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet und ausgesprochen, dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig sei.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vorbringt, es liege eine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens vor. Über den Revisionswerber sei unzulässiger Weise eine Quarantäne verhängt worden, zumal er vorher am Flughafen München negativ auf COVID-19 getestet worden sei. Es stelle sich somit a priori die Frage, was ein „negativer Test“ überhaupt wert sei, wenn trotzdem eine Quarantäne verhängt werde. Sinn einer Quarantäne sei, dass jemand „der nicht getestet ist“, nicht irgendeinen anderen anstecke. Abgesehen davon sei gegen den Revisionswerber hinsichtlich der Tatzeit ein falscher Schuldvorwurf erhoben worden. Tatort und die genaue Tatzeit seien essentiell, weil damit Doppelbestrafungen vermieden würden. Der „Vorwurf der Behörde“, der Revisionswerber sei am 9. Jänner 2021 um 19:36 Uhr auf dem Flughafen München negativ auf SARS-CoV-2 (COVID-19) getestet worden, sei nicht nachvollziehbar, da er eben 6 Minuten vorher am 9. Jänner 2021 um 19:30 Uhr angeblich am Grenzübergang Kufstein/Kiefersfelden eine Verpflichtungserklärung unterschrieben habe, was aber absolut unmöglich sei.
7 Die Revision erweist sich als nicht zulässig:
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die COVID-19-EinreiseV, BGBl. II Nr. 445/2020 in der zur Tatzeit anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 563/2020, lautete:
„1. Abschnitt - Allgemeine Bestimmungen
...
Ärztliche Zeugnisse
§ 2. Ärztliche Zeugnisse nach dieser Verordnung dienen dem Nachweis, dass die im Zeugnis angeführte Person durch einen molekularbiologischen Test oder Antigen-Test negativ auf SARS-CoV-2 getestet wurde. Die Zeugnisse sind in deutscher oder englischer Sprache entsprechend den Anlagen C oder D vorzulegen. Sie sind ungültig, wenn die Probenahme im Zeitpunkt der Einreise mehr als 72 Stunden zurückliegt.
Quarantäne
§ 3. (1) Personen, die nach dieser Verordnung zur Quarantäne verpflichtet sind, haben diese selbstüberwacht
1. an einem bestehenden Wohnsitz (Heimquarantäne) oder
2. in einer sonstigen geeigneten Unterkunft, über deren Verfügbarkeit bei der Einreise eine Bestätigung vorzulegen ist,
anzutreten. Die Kosten der Unterkunft sind selbst zu tragen. Der Wohnsitz oder die Unterkunft darf für den Quarantänezeitraum nicht verlassen werden. Personen, die zur Quarantäne verpflichtet sind, haben dies mit eigenhändiger Unterschrift entsprechend den Anlagen E oder F zu bestätigen. Das Formular entsprechend den Anlagen E oder F ist tunlichst bereits ausgefüllt bei der Einreise mitzuführen.
(2) Die Quarantäne kann zum Zweck der Ausreise aus Österreich vorzeitig beendet werden, wenn sichergestellt ist, dass bei der Ausreise das Infektionsrisiko größtmöglich minimiert wird.
2. Abschnitt
Einreise aus EU-/EWR-Staaten, aus der Schweiz, Andorra, Monaco, San Marino, dem Vatikan und dem Vereinigten Königreich
§ 4. (1) Aus EU-/EWR-Staaten sowie aus der Schweiz, Andorra, Monaco, San Marino, dem Vatikan und dem Vereinigten Königreich dürfen Personen uneingeschränkt einreisen, wenn sie
1. aus einem in der Anlage A genannten Staat oder Gebiet einreisen und
2. bei der Einreise glaubhaft machen, dass sie sich innerhalb der letzten zehn Tage ausschließlich in Österreich oder in einem in der Anlage A genannten Staat oder Gebiet aufgehalten haben.
(2) Personen, die bei der Einreise die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 oder 2 nicht erfüllen, haben unverzüglich eine zehntägige Quarantäne gemäß § 3 anzutreten. Die Quarantäne gilt als beendet, wenn ein molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 oder Antigen-Test auf SARS-CoV-2 frühestens am fünften Tag nach der Einreise durchgeführt wird und das Testergebnis negativ ist. Die Kosten für den Test sind selbst zu tragen.
(3) Abweichend von Abs. 2 ist die Einreise von
1. humanitären Einsatzkräften,
2. Personen, die zu beruflichen Zwecken einreisen,
3. einer Begleitperson im Rahmen der Einreise aus medizinischen Gründen gemäß § 6,
4. Personen, die zum Zweck der Wahrnehmung einer zwingenden gerichtlich oder behördlich auferlegten Pflicht, wie der Wahrnehmung von Ladungen zu Gerichtsverhandlungen, einreisen,
5. Fremden, wenn diese über einen Lichtbildausweis gemäß § 95 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, verfügen,
mit einem ärztlichen Zeugnis gemäß § 2 möglich. Kann das ärztliche Zeugnis nicht vorgelegt werden, ist unverzüglich eine zehntägige Quarantäne gemäß § 3 anzutreten. Ist ein währenddessen durchgeführter molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 oder Antigen-Test auf SARS-CoV-2 negativ, gilt die Quarantäne als beendet. Die Kosten für den Test sind selbst zu tragen.“
10 Zum Zeitpunkt der Einreise waren in der Anlage A der COVID-19-EinreiseV weder Deutschland noch Spanien angeführt.
11 Aus dem Wortlaut der COVID-19-EinreiseV ergibt sich eindeutig, dass in einem - wie hier unstrittig gegebenen - Fall des § 4 Abs. 2 erster Satz ein vor der Einreise nach Österreich absolvierter (negativer) Test auf SARS-CoV-2 (in Form eines ärztlichen Zeugnisses nach § 2) nur dann von der Absolvierung einer Quarantäne nach § 3 entbindet, wenn eine der Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 erster Satz vorliegt. Dass dies (oder sonst eine Ausnahme nach § 1 Abs. 2 oder §§ 6 bis 8) auf den Revisionswerber zutreffen würde, ergibt sich aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes nicht und wurde von ihm auch nicht behauptet. Damit blieb es für ihn beim Regelfall (§ 4 Abs. 2 zweiter Satz), wonach die Quarantäne erst bei Vorliegen eines negativen Testergebnisses frühestens am fünften Tag nach der Einreise als beendet gilt.
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt dann, wenn die Rechtslage eindeutig ist, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 26.3.2021, Ro 2020/03/0004, und 27.4.2017, Ra 2017/07/0028, je mwN). Mit dem Vorbringen zur Bedeutung eines vor der Einreise durchgeführten „negativen Tests“ wird aus diesem Grund keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
13 Mit dem weiteren Vorbringen, wonach der im Spruch angegebene Zeitpunkt für die Unterfertigung der Erklärung nach Anlage F COVID-19-EinreiseV (am 9. Jänner 2021 um 19:30 Uhr) im Hinblick auf die Probenentnahme am Flughafen München am selben Tag um 19:36 Uhr faktisch unmöglich sei, bezieht sie sich offenbar auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erforderlichkeit der konkreten Angabe von Tatort und Tatzeit in einem Straferkenntnis nach § 44a Z 1 VStG.
14 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, hat der Spruch eines Straferkenntnisses, um den Erfordernissen des § 44a Z 1 VStG zu entsprechen, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale möglich ist und die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.
Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist nämlich dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z 1 VStG genügt oder nicht genügt, mithin, ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lässt. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. etwa VwGH 3.5.2023, Ra 2023/02/0062, 27.6.2022, Ra 2021/03/0328 [verstärkter Senat], und 28.5.2014, 2011/07/0176, je mwN).
15 Für den vorliegenden Fall ist zunächst klarzustellen, dass es sich beim Zeitpunkt der Unterfertigung der Bestätigung nach § 3 Abs. 1 dritter Satz iVm Anlage F COVID-19-EinreiseV am 9. Jänner 2021 nicht um den Zeitpunkt der vorgeworfenen Tat handelt, dieser war vielmehr am 14. Jänner 2021 um 9:15 Uhr, an dem der Revisionswerber sich nicht in selbstüberwachter Heimquarantäne befunden hat. Weiters besteht die Verpflichtung zum Antritt einer (zunächst) zehntägigen Quarantäne nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 iVm § 3 COVID-19-EinreiseV bereits unmittelbar aufgrund der Einreise, sodass sie auch nicht von der Unterzeichnung einer Bestätigung nach Anlage E oder F abhängt. Bei der Unterzeichnung einer solchen Bestätigung handelt es sich demnach nicht um ein zur Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat erforderliches Tatbestandsmerkmal.
16 Dass der Revisionswerber (frühestens) am 9. Jänner 2021 aus Deutschland kommend nach Österreich eingereist ist, wird von ihm nicht bestritten und ergibt sich auch gerade aus dem von ihm hervorgehobenen Umstand, dass er sich an diesem Tag einer Testung am Flughafen München unterzogen habe. Dies reicht nach dem Gesagten aber schon dafür aus, dass er am 14. Jänner 2021 nach § 4 Abs. 2 COVID-19-EinreiseV zur Einhaltung einer Quarantäne im Sinne des § 3 COVID-19-EinreiseV verpflichtet war. Vor diesem Hintergrund ist daher nicht erkennbar, inwiefern der Revisionswerber im vorliegenden Fall durch eine allenfalls unrichtige Angabe der Uhrzeit, zu der er die Bestätigung nach Anlage F unterzeichnet haben soll, der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt oder daran gehindert wäre, sich gegen den Tatvorwurf zu verteidigen.
17 Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG liegt damit nicht vor.
18 Soweit der Revisionswerber schließlich eine Mangelhaftigkeit des abgeführten Ermittlungsverfahrens rügt, legt er nicht dar, zu welchem Ergebnis die von ihm vermissten Ermittlungen geführt hätten, und vor allem, inwiefern darauf gegründete Feststellungen zu einem anderen rechtlichen Ergebnis geführt hätten (vgl. zur Erforderlichkeit einer solchen Relevanzdarstellung, wenn die Zulässigkeit einer Revision auf Verfahrensmängel gestützt wird, etwa VwGH 18.7.2023, Ra 2021/07/0050, mwN)
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 16. Oktober 2023
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
