VwGH Ro 2022/08/0009

VwGHRo 2022/08/00095.7.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der Österreichischen Gesundheitskasse, vertreten durch Dr. Haymo Modelhart, Mag. Dr. Elisabeth Humer‑Rieger und Mag. Katrin Riesenhuber, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 25/Quergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Mai 2022, L503 2245208‑1/2E, betreffend Beitragszuschlag nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: T GmbH in Linz, vertreten durch Mag. Wolfgang Kempf, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bürgerstraße 41), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §111 Abs4
ASVG §111a
ASVG §111a Abs1
ASVG §113 Abs1
ASVG §113 Abs1 Z1 idF 2007/I/031
ASVG §113 Abs2
ASVG §113 Abs2 idF 2007/I/031
ASVG §113 Abs3
ASVG §114 Abs1 Z1
ASVG §115 Abs2
ASVG §33 Abs1
ASVG §41a
PLABG 2018 §5
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022080009.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit die Vorschreibung des Beitragszuschlags hinsichtlich des Teilbetrags für die gesonderte Bearbeitung in Höhe von € 400,‑‑ behoben wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) verpflichtete die mitbeteiligte Partei mit Bescheid vom 9. Dezember 2020 gemäß § 113 ASVG zur Entrichtung eines Beitragszuschlags in der Höhe von € 1.800,‑‑. Bei einer Überprüfung durch ein „Organ der Exekutivbehörde (Autobahnpolizei K [...])“ sei festgestellt worden, dass drei namentlich genannte Dienstnehmer bei der mitbeteiligten Partei beschäftigt gewesen seien, ohne bei der ÖGK gemeldet zu sein.

2 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab die ÖGK mit Beschwerdevorentscheidung vom 25. Februar 2021 insoweit Folge, als der Beitragszuschlag auf € 1.000,‑‑ herabgesetzt wurde. Dafür war maßgeblich, dass die ÖGK einen Meldeverstoß nur mehr hinsichtlich eines Dienstnehmers annahm. Dieser habe im Kontrollzeitpunkt das Firmenfahrzeug auf dem Weg zu einer Baustelle gelenkt und dafür nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag einen Entgeltanspruch gehabt. Die beiden anderen Personen hätten sich hingegen erst auf dem Arbeitsweg befunden und die Arbeit somit noch nicht angetreten.

3 Die mitbeteiligte Partei stellte einen Vorlageantrag.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und änderte die Beschwerdevorentscheidung dahingehend ab, dass der Ausgangsbescheid vom 9. Dezember 2020 ersatzlos behoben werde.

5 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass die Insassen eines auf die mitbeteiligte Partei zugelassenen Fahrzeugs am 23. Juni 2020 um 9:35 Uhr auf der Pyhrnautobahn von Beamten der LPD Oberösterreich, Autobahnpolizei K., angehalten und einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen worden seien. Nach Beendigung der Kontrolle hätten die Beamten einen Bericht an die Finanzpolizei mit dem Ersuchen um Überprüfung einer möglichen illegalen Beschäftigung übermittelt.

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass § 113 ASVG idF der Novelle BGBl. I Nr. 79/2015 ‑ so wie bisher § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG ‑ nicht in allen Fällen einer Verletzung der Pflicht zur Anmeldung von Dienstnehmern vor Arbeitsantritt einen Beitragszuschlag vorsehe, sondern nur im Fall einer unmittelbaren Betretung im Sinn des § 111a ASVG. Diese Betretung müsse nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 8.5.2019, Ra 2019/08/0017) durch ein gesetzlich ermächtigtes Prüforgan erfolgen.

7 Im vorliegenden Fall seien die Fahrzeuginsassen von Beamten der Autobahnpolizei einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen worden. Dass den im Rahmen der Fremdenpolizei tätig werdenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gesetzlich die Ermächtigung, als „Prüforgan“ im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften ‑ insbesondere des § 113 ASVG ‑ einzuschreiten, eingeräumt worden sei, sei aus den fremdenpolizeilichen Vorschriften oder dem ASVG nicht abzuleiten. Es lasse sich auch mit dem Zweck der Vorschreibung eines Beitragszuschlags nach § 113 ASVG ‑ nämlich die Kosten für den Prüfeinsatz abzugelten ‑ nicht in Einklang bringen, dass hiervon auch beliebige fremdenpolizeiliche Kontrollen durch Organe der Bundespolizei, bei denen nur zufällig eine nicht zur Pflichtversicherung angemeldete Person betroffen sei, erfasst würden. Es leuchte demnach nicht ein, gleichsam jedwede Kontrolltätigkeit von Organen der Bundespolizei im Rahmen der Fremdenpolizei zugleich als Tätigwerden von „Prüforganen“ im Sinne des ASVG zu qualifizieren.

8 Im vorliegenden Fall könne daher in Ansehung der stattgefundenen fremdenpolizeilichen Kontrolle im Ergebnis nicht von einer Betretung durch gesetzlich ermächtigte Prüforgane gesprochen werden. Die Vorschreibung eines Beitragszuschlags gemäß § 113 ASVG sei somit zu Unrecht erfolgt.

9 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei. Zur entscheidungswesentlichen Frage, ob die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes als Prüforgane im Sinne des § 113 ASVG gelten, liege noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht, in dem die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung erstattete, erwogen hat:

11 Die Revision erweist sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht genannten Grund, auf den letztlich auch die Revision ‑ wenn auch unter der Annahme, dass das Bundesverwaltungsgericht die vorhandene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes missverstanden habe und daher davon abgewichen sei ‑ zurückkommt, als zulässig. Sie ist im Ergebnis auch teilweise berechtigt.

12 Beitragszuschläge für die nicht oder verspätet erfolgte Anmeldung zur Pflichtversicherung sowie für die Meldung eines zu niedrigen Entgelts waren bereits in der Stammfassung des § 113 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, vorgesehen. Die Zuschläge sollten „bis zum zweifachen Ausmaß der nachzuzahlenden Beiträge“ vorgeschrieben werden.

13 Mit der Novelle BGBl. Nr. 111/1986 wurde klargestellt, dass ein Meldeverstoß auch dann beitragszuschlagspflichtig ist, wenn keine Beiträge nachzuzahlen sind (vgl. dazu auch die ErlRV 774 BlgNR 16. GP , 38). Mit dieser Novelle erhielt § 113 Abs. 1 ASVG eine Zifferngliederung. Die Z 1 umfasste nun die Fälle, in denen eine Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht erstattet wurde oder das Entgelt nicht gemeldet wurde, und normierte dafür einen Beitragszuschlag „bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der Anmeldung bzw. bis zur Feststellung des Entgeltes durch den Versicherungsträger entfallen“. Die Z 2 regelte die Fälle einer verspäteten Anmeldung oder Entgeltmeldung, die Z 3 Fälle der Meldung eines zu niedrigen Entgelts.

14 Mit der Novelle BGBl. I Nr. 132/2005 wurde ‑ im Anschluss an die gleichzeitig eingeführte Verpflichtung zur Anmeldung „spätestens bei Arbeitsantritt“ nach § 33 ASVG ‑ in § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG statt wie bisher auf die nicht erfolgte „Anmeldung zur Pflichtversicherung“ auf die nicht erfolgte „vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2“ abgestellt. Damit sollte zufolge den Erläuterungen (ErlRV 1111 BlgNR 22. GP , 5) klargestellt werden, dass ein beitragszuschlagsrelevanter Meldeverstoß erst dann vorliegt, wenn die Frist von sieben Tagen (für die vollständige Anmeldung) verstrichen ist und der Dienstgeber nur eine Mindestangaben-Anmeldung (gemäß § 33 Abs. 1a Z 1 ASVG) oder keine Anmeldung erstattet hat.

15 Mit der Novelle BGBl. I Nr. 31/2007 wurden die bisher in der Z 1 des § 113 Abs. 1 enthaltenen Tatbestände auf zwei Ziffern aufgeteilt und im Hinblick auf die nun im § 33 ASVG vorgesehene Verpflichtung zur Anmeldung bereits vor Arbeitsantritt modifiziert (vgl. auch die ErlRV 77 BlgNR 23. GP , 4 f). Die Z 1 erfasste nun nur mehr die Fälle, in denen „die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde“, die Z 2 hingegen Fälle, in denen „die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde“. Zugleich wurde bei der Berechnung der Höhe des Zuschlags differenziert: Für Fälle des § 113 Abs. 1 Z 2 ASVG sah Abs. 3 weiterhin einen Beitragszuschlag in Höhe von maximal dem Doppelten jener Beiträge vor, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der vollständigen Anmeldung oder bis zum Einlangen der verspäteten vollständigen Anmeldung beim Versicherungsträger entfielen. Für den Fall des § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG bestimmte Abs. 2 hingegen, dass sich der Beitragszuschlag „nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a“ aus zwei Teilbeträgen zusammensetzt, mit denen die „Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden“, und zwar für die gesonderte Bearbeitung 500 € je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person und für den Prüfeinsatz 800 €.

16 Die geltende Fassung erhielt der § 113 ASVG durch das Meldepflicht‑Änderungsgesetz, BGBl. I Nr. 79/2015. Er lautet nunmehr:

„§ 113. (1) Den in § 111 Abs. 1 genannten Personen (Stellen) können Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde.

(2) Der Beitragszuschlag nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a setzt sich aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf 400 € je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf 600 €.

(3) Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz auf bis zu 300 € herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.“

17 Die anderen (nach der Anpassung der Meldepflichten durch die genannte Novelle noch möglichen) Fälle von Meldepflichtverletzungen sind nun in § 114 ASVG erfasst, der unter der Überschrift „Säumniszuschläge“ Zuschläge in der Höhe von in der Regel € 50,‑‑ (im Jahr 2023 wertangepasst € 59,‑‑) vorsieht, welche in einem Beitragszeitraum insgesamt nicht das Fünffache der täglichen Höchstbeitragsgrundlage überschreiten dürfen (woraus sich im Jahr 2023 eine Deckelung mit € 975,‑‑ ergibt).

18 § 111a Abs. 1 erster Satz ASVG, auf den § 113 Abs. 2 ASVG Bezug nimmt, lautet:

„Die Abgabenbehörden des Bundes oder das Amt für Betrugsbekämpfung, deren Organe Personen betreten haben, die entgegen § 33 Abs. 1 nicht vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet wurden, haben in den Verwaltungsstrafverfahren nach § 111 Parteistellung und sind berechtigt, gegen Entscheidungen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht und Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.“

19 Die dargestellte Entwicklung der Rechtslage zeigt, dass die überhaupt nicht oder verspätet erfolgte Anmeldung zur Pflichtversicherung stets mit Beitragszuschlägen belegt wurde. Eine Differenzierung zwischen gar nicht und verspätet erfolgter Anmeldung wurde erstmals mit der Novelle BGBl. Nr. 11/1986 vorgenommen, wobei sich die Rechtsfolgen nur insoweit unterschieden, als im einen Fall beim Höchstbetrag des Zuschlags auf das Doppelte der bis zur Feststellung des Fehlens der Anmeldung und im anderen Fall auf das Doppelte der bis zum Eintreffen der verspäteten Anmeldung entfallenden Beiträge abgestellt wurde. Mit der Novelle BGBl. I Nr. 31/2007 wurde weiter differenziert: § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG erfasste, wie oben dargestellt, die Fälle, in denen nicht schon vor Arbeitsantritt angemeldet wurde, § 113 Abs. 1 Z 2 ASVG hingegen die Fälle, in denen zwar möglicherweise die Mindestangaben-Meldung vor Arbeitsantritt erfolgte, dann aber die (fristgerechte) vollständige Anmeldung unterblieb. Für die Fälle des § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG „nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a“ wurde in Form von Pauschalbeträgen für die „gesonderte Bearbeitung“ und den „Prüfeinsatz“ eine neue ‑ von der angefallenen Beitragsschuld und damit von der Dauer des vor der Betretung schon bestehenden Versicherungsverhältnisses unabhängige ‑ Bemessung des Beitragszuschlags vorgesehen. Das wurde in den Gesetzesmaterialien (ErlRV 77 BlgNR 23. GP , 5) wie folgt erläutert:

„Bei unterbliebener Anmeldung vor Arbeitsantritt soll im Fall der Betretung grundsätzlich ein pauschalierter Beitragszuschlag Platz greifen, der sich aus zwei Teilbeträgen zusammensetzt: einem Betrag von 500 € pro Person, die anzumelden gewesen wäre, als Pauschalersatz für die Bearbeitungskosten des Sozialversicherungsträgers sowie einem Betrag von 800 € für den Prüfeinsatz als Pauschalersatz für jene Kosten, die der Sozialversicherung und den Behörden im Zuge einer einschlägigen Prüfung durch ihre Organe erwachsen. Die unterschiedliche Höhe der Teilbeträge ergibt sich daraus, dass der höhere Aufwand bei verspäteter Anmeldung vor allem aus dem Verfahren im Einzelfall und weniger aus dem Prüfeinsatz selbst resultiert.“

20 Entgegen in der Literatur geäußerten Ansichten (vgl. Feik/Warter in SV‑Komm, § 113 Rz 7, mit Hinweis auf Brodil, DRdA 2008, 383 [387], sowie Schrank, ZAS 2008, 4 [11]) und einer vereinzelt auch in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes angedeuteten Auslegung (vgl. VwGH 27.4.2011, 2011/08/0073, wo im Übrigen auch das Verhältnis der Z 1 und 2 des § 113 Abs. 1 ASVG idF BGBl. I Nr. 31/2007 erläutert wird) kann nicht davon ausgegangen werden, dass nach dieser Rechtslage eine nicht erfolgte Anmeldung vor Arbeitsantritt nur dann die Verpflichtung zur Zahlung eines Beitragszuschlags nach sich gezogen hat, wenn der Meldeverstoß im Zuge einer unmittelbaren Betretung hervorgekommen ist ‑ mag dies auch der typische Fall sein, in dem das Unterlassen einer Anmeldung vor Arbeitsantritt der Behörde zur Kenntnis gelangt. Dagegen sprechen sowohl der Wortlaut des § 113 ASVG idF BGBl. I Nr. 31/2007 ‑ der das Erfordernis einer „unmittelbaren Betretung“ nur in Abs. 2, also auf der Rechtsfolgenseite, anspricht ‑ als auch die Materialien, aus denen sich die Intention ergibt, jede unterbliebene Anmeldung vor Arbeitsantritt mit einem Beitragszuschlag zu belegen. Die Bedingung „nach einer unmittelbaren Betretung“ ist vielmehr nur darauf zu beziehen, dass dann zwei Teilbeträge ‑ für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz ‑ zu entrichten sind; hat keine unmittelbare Betretung ‑ und damit in aller Regel auch kein Prüfeinsatz ‑ stattgefunden, ist hingegen nur der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung vorzuschreiben. Dieser ist von einem Prüfeinsatz unabhängig, da grundsätzlich durch jede nicht vor Arbeitsantritt zur Pflichtversicherung angemeldete Person ein gesonderter Bearbeitungsaufwand verursacht wird.

21 Für die aktuelle Rechtslage gilt sinngemäß das Gleiche (vgl. auch die ErlRV 618 BlgNR 25. GP , 6, wonach sich der Beitragszuschlag nach dem bisherigen § 113 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG nur bezüglich seiner Höhe ändern soll). Ein Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 ASVG ist immer dann vorzuschreiben, wenn ein Dienstnehmer entgegen § 33 Abs. 1 ASVG nicht vor Arbeitsantritt zur Pflichtversicherung angemeldet wurde. Nach einer unmittelbaren Betretung im Sinn des § 111a ASVG setzt er sich aus Teilbeträgen für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz zusammen; in Ermangelung einer unmittelbaren Betretung muss der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen, der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung ist hingegen (sofern kein Nachsichtsgrund im Sinn des § 113 Abs. 3 ASVG vorliegt) vorzuschreiben. Das Ergebnis, dass immer dann, wenn keine unmittelbare Betretung im Sinn des § 111a ASVG erfolgt, der Beitragszuschlag nach § 113 ASVG ganz zu entfallen hätte, erschiene demgegenüber unsachlich: Es könnte dann höchstens (sofern der betreffende Tatbestand erfüllt ist) der deutlich niedrigere Säumniszuschlag nach § 114 Abs. 1 Z 1 ASVG vorgeschrieben werden, obwohl bloß aus dem Fehlen einer unmittelbaren Betretung weder ein geringerer Bearbeitungsaufwand noch eine weniger schwerwiegende Bedeutung des Verstoßes für das Funktionieren der gesetzlichen Sozialversicherung folgt.

22 Das Bundesverwaltungsgericht hätte die Vorschreibung des Beitragszuschlags somit ‑ ausgehend von der festgestellten Nichtmeldung vor Arbeitsantritt und in Ermangelung festgestellter Gründe für eine Nachsicht im Sinn des § 113 Abs. 3 ASVG ‑ nicht zur Gänze beheben dürfen.

23 Die von ihm verneinte Frage, ob im vorliegenden Fall eine Betretung im Sinn des § 111a ASVG stattgefunden hat, ist (nur) dafür relevant, ob neben dem Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz vorzuschreiben war.

24 Zur Frage der Betretung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis VwGH 8.5.2019, Ra 2019/08/0017 (noch zur ‑ im entscheidenden Punkt aber unveränderten ‑ Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 79/2015), Folgendes ausgeführt:

„Die Wortfolge ‚nach einer unmittelbaren Betretung iSd § 111a‘ in dieser Bestimmung enthält ausschließlich eine sachliche Definition des Begriffs ‚unmittelbare Betretung‘ und hat mit der in § 111a ASVG darüber hinaus enthaltenen Regelung der Parteistellung nichts zu tun. ‚Unmittelbare Betretung‘ bezieht sich auf die Wortfolge des § 111a ASVG ‚Personen betreten haben, die entgegen § 33 Abs. 1 nicht vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet wurden‘, gleichgültig, durch welche gesetzlich ermächtigten Prüforgane die Betretung erfolgte. [...] Auch in Ansehung der von der Revisionswerberin hervorgehobenen Kontrollbefugnisse der Gebietskrankenkassen ist es für den Verwaltungsgerichtshof nicht zweifelhaft, dass § 113 Abs. 2 ASVG für jede ‚Betretung‘ durch Prüforgane gilt, insbesondere durch solche der Versicherungsträger (vgl. § 111 Abs. 4 ASVG).“

25 Es muss sich also ‑ entsprechend der Anknüpfung an einen „Prüfeinsatz“ in § 113 Abs. 2 ASVG ‑ um eine Betretung durch „Prüforgane“ handeln. Die Prüfung, die diesen Organen obliegt, kann nur eine solche unter der Verantwortung des für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträgers sein, also nach dem ASVG (insbesondere dessen § 41a) bzw. nach dem Bundesgesetz über die Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge ‑ PLABG (nach dessen § 5 die Organe des Prüfdienstes bei der Sozialversicherungsprüfung als Organe der ÖGK bzw. BVAEB tätig werden und deren sachlichen Weisungen unterliegen). Nur insofern ist es sachlich, den Prüfaufwand im Wege eines (nach § 115 Abs. 2 ASVG auf die Versicherungsträger und „sonstigen Stellen“ im Verhältnis der Beitragsrückstände aufzuteilenden) Zuschlags zu den nach dem ASVG einzuhebenden Beiträgen den betroffenen Dienstgebern aufzuerlegen.

26 Da den im Rahmen der Verkehrspolizei tätigen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes keine Prüfbefugnisse im Rahmen des ASVG oder des PLABG (oder sonst unter der Verantwortung der ÖGK) zukommen, handelt es sich bei einer Betretung durch diese Organe somit um keine Betretung im Sinn des § 111a ASVG, die zur Vorschreibung eines Beitragszuschlags im Umfang auch des Beitragsteils für den Prüfeinsatz nach § 113 Abs. 2 ASVG ermächtigt.

27 Da aber nach dem oben Gesagten auf Basis der Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts ein Beitragszuschlag für die gesonderte Bearbeitung zu verhängen gewesen wäre, war das angefochtene Erkenntnis ‑ soweit es die Verpflichtung zur Zahlung eines Beitragszuschlags auch im Umfang des Teilbetrags für die gesonderte Bearbeitung verneinte ‑ gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl. zur Teilbarkeit des Spruchs VwGH 7.9.2011, 2008/08/0218). Im Übrigen war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 5. Juli 2023

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