VwGH Ra 2021/10/0138

VwGHRa 2021/10/013830.8.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Prendinger, über die Revision des K S in K, vertreten durch die Singer & Kessler Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Seilerstätte 22/1/23, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 5. Juli 2021, Zl. LVwG‑AV‑991/002‑2020, betreffend Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Krems an der Donau), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
MSG NÖ 2010 §8 Abs2
MSG NÖ 2010 §8 Abs3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021100138.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Krems an der Donau vom 10. August 2020 wurde dem Antrag des Revisionswerbers vom 27. April 2020 auf Zuerkennung von monatlichen Leistungen nach dem NÖ Sozialhilfe‑Ausführungsgesetz (NÖ SAG) zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhaltes und zur Befriedigung des Wohnbedarfes sowie bei Krankheit teilweise stattgegeben, indem dem Revisionswerber Geldleistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhaltes von 1. Mai 2020 bis 31. Mai 2020 in näher genannter Höhe zuerkannt wurden. Im Übrigen wurde der Antrag des Revisionswerbers abgewiesen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. Juli 2021 gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid vom 10. August 2020 insofern Folge, als es diesem für die Zeiträume von 1. Juli 2020 bis 31. August 2020, 1. Oktober 2020 bis 30. November 2020, 1. Jänner 2021 bis 31. Jänner 2021 sowie 1. März 2021 bis 31. März 2021 monatliche Geldleistungen in jeweils bestimmter Höhe zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhaltes nach dem NÖ SAG zuerkannte; im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht ‑ soweit für die vorliegende Revisionssache von Interesse ‑ aus, dem Revisionswerber stünden Geldleistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhaltes nach dem NÖ SAG dem Grunde nach zu. Jedoch sei das Einkommen seiner Mutter (Leistungen des Arbeitsmarktservice sowie Krankengeld), die den Wohnaufwand des nicht selbsterhaltungsfähigen Revisionswerbers trage und somit Naturalunterhalt leiste, gemäß dem in § 3 Abs. 2 NÖ SAG verankerten Grundsatz der Subsidiarität bei der Bemessung der Sozialhilfe insoweit zu berücksichtigen, als es den für sie nach §§ 14 bis 17 NÖ SAG maßgebenden Richtsatz übersteige, weil die Mutter als im gemeinsamen Haushalt lebende unterhaltspflichtige Angehörige des Revisionswerbers im Sinne des § 8 Abs. 2 NÖ SAG anzusehen sei. Da der Revisionswerber im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zudem bei seiner Mutter in der Krankenversicherung mitversichert gewesen sei, stünden ihm ‑ erneut unter Berufung auf den Grundsatz der Subsidiarität ‑ auch keine Leistungen bei Krankheit zu.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Zur Zulässigkeit wird in der Revision zunächst vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob § 8 Abs. 2 NÖ SAG im Sinne des ‑ mittlerweile nicht mehr in Kraft stehenden ‑ § 8 Abs. 3 NÖ Mindestsicherungsgesetz (NÖ MSG), anhand dessen vor Inkrafttreten des NÖ SAG gleichgelagerte Fälle von Anträgen auf Sozialhilfe beurteilt worden seien, auszulegen sei. Das NÖ SAG enthalte nämlich keine mit § 8 Abs. 3 NÖ MSG vergleichbare Bestimmung, wonach einer Hilfe suchenden Person der volle Richtsatz zustehe, wenn diese glaubhaft mache, dass sie vom im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten, einem eingetragenen Partner oder einer sonst unterhaltspflichtigen Person sowie einem Lebensgefährten keine oder nur in geringerem Ausmaß Leistungen erhalte und die Rechtsverfolgung aussichtslos beziehungsweise unzumutbar sei.

9 Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 27.2.2023, Ra 2021/10/0121; 25.3.2020, Ra 2020/10/0015; 27.2.2020, Ra 2019/10/0121).

10 Eine solche konkrete Darlegung lässt die Zulässigkeitsbegründung der Revision vermissen. Sie tritt der Annahme des Verwaltungsgerichtes, wonach der Revisionswerber Unterhaltsleistungen seiner Mutter in Form von Naturalunterhalt erhalte, nicht entgegen und zeigt somit nicht auf, dass der Revisionswerber keine oder nur in geringerem Ausmaß Leistungen seitens einer unterhaltspflichtigen Person erhalte. Warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzliche Bedeutung abhängen sollte, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar dargetan.

11 Die Revision bringt in der Zulässigkeitsbegründung weiters vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Dieser habe mit Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, 97/08/0390, bereits ausgesprochen, dass für die Beurteilung der Unterhaltspflicht einer Person auch deren Lebensverhältnisse zu berücksichtigen seien. Eine Person, die selbst nur Sozialleistungen erhalte, könne für andere nicht unterhaltspflichtig werden.

12 In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ‑ wird eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht ‑ der Revisionswerber konkret darzulegen hat, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt jenem der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. etwa VwGH 11.5.2023, Ra 2021/10/0086; 23.3.2023, Ra 2022/10/0160).

13 Diesen Anforderungen wird die Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht gerecht, weil sie nicht darlegt, in welcher Hinsicht das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich des zugrundeliegenden Sachverhalts jenem des ins Treffen geführten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 2000 gleicht und woraus sich ein Abgehen von diesem Erkenntnis, das sich auf die Frage der Standesgemäßheit des Unterhalts des Vorfahren gegenüber seinem Kind bezieht, ergeben soll.

14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. August 2023

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