Normen
B-VG Art133 Abs4
SHG AusführungsG OÖ 2020 §7 Abs2 Z2 lita
SHG AusführungsG OÖ 2020 §7 Abs5
SHG AusführungsG OÖ 2020 §7 Abs8
VwGG §34 Abs1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021100121.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 31. Mai 2021 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) ‑ im Beschwerdeverfahren ‑ einen Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung von Leistungen der Sozialhilfe gestützt auf das Oö. Sozialhilfe‑Ausführungsgesetz ‑ Oö. SOHAG ab, wobei es die Revision gegen diese Entscheidung gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zuließ.
2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, der Revisionswerber sei österreichischer Staatsbürger, lebe mit seiner Mutter und zugleich gesetzlichen Erwachsenenvertreterin in L. und beziehe erhöhte Familienbeihilfe und Pflegegeld der Stufe 7; der Unterhaltsanspruch gegen den Vater des Revisionswerbers sei, so letztlich die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts, uneinbringlich. Die monatlichen Mietzahlungen würden von der Mutter des Revisionswerbers geleistet, die eine Wohnbeihilfe von Euro 222,‑ monatlich sowie 14 mal im Jahr eine Berufsunfähigkeitspension in der Höhe von monatlich Euro 1.079,31 beziehe.
3 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht ‑ soweit für die vorliegende Revision von Interesse ‑ im Wesentlichen aus, gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 lit. a Oö. SOHAG sei zunächst der Richtsatz für eine in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Person heranzuziehen, welcher 70 % des Netto‑Ausgleichszulagen‑Richtsatzes für Alleinstehende, somit Euro 664,62, betrage. Zudem erhöhe sich der dem Revisionswerber zustehende Richtsatz gemäß § 7 Abs. 4 Oö. SOHAG um den Zuschlag für volljährige Personen mit Behinderung in Höhe von Euro 170,90. Als weitere Bemessungsgrundlage zur Errechnung der monatlichen Leistung der Sozialhilfe lege der Gesetzgeber in § 7 Abs. 9 Oö. SOHAG fest, dass der anzuwendende Richtsatz im Ausmaß von 25 % zu verringern sei, wenn eine bezugsberechtigte volljährige Person keine Aufwendungen zur Deckung des Wohnbedarfs für Miete, Betriebs‑ und Energiekosten habe. Da seitens des Revisionswerbers keine entsprechenden Aufwendungen nachgewiesen worden seien, sei der für ihn in Anwendung zu bringende Richtsatz im Ausmaß von Euro 166,16 zu kürzen.
4 Gemäß dem in § 3 Abs. 3 Oö. SOHAG festgelegten Grundsatz der Subsidiarität von Leistungen der Sozialhilfe sei gemäß § 14 Abs. 2 leg. cit. dem Revisionswerber aufgrund der fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit sowohl die für die Wohnsituation gewährte Wohnbeihilfe als auch der Teil des Einkommens seiner unterhaltspflichtigen Mutter, der ihren Richtsatz übersteige, anzurechnen. Da der daraus ermittelte Betrag über dem für den Revisionswerber gemäß § 7 Oö. SOHAG ermittelten Richtsatz liege, sei dem Antrag des Revisionswerbers von der belangten Behörde zu Recht nicht stattgegeben worden.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zur Zulässigkeit wird in der Revision vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung des Zusammenlebens einer volljährigen, einkommenslosen pflegebedürftigen Person mit einem unterhaltspflichtigen pflegenden Elternteil nach dem Oö. SOHAG. Das Verwaltungsgericht unterstelle dem Oö. SOHAG einen gleichheitswidrigen Inhalt, wodurch der Revisionswerber als schwer beeinträchtigte Person sogar schlechter gestellt sei als eine nicht beeinträchtigte Person. Die Gleichheitswidrigkeit ergebe sich insbesondere aus der konkreten Anwendung der §§ 7 und 14 Oö. SOHAG, aus der Kombination der verminderten Bemessungsgrundlage für eine Haushaltsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 lit. a Oö. SOHAG mit einem Abzug des die Bemessungsgrundlage gemäß § 7 Oö. SOHAG übersteigenden Einkommens der unterhaltspflichtigen Mutter. Wäre der Revisionswerber nicht schwer beeinträchtigt und somit seiner Mutter gegenüber nicht unterhaltsberechtigt, dann wäre das Einkommen der im gleichen Haushalt lebenden Mutter nicht in Abzug zu bringen. Eine gemeinsame Wirtschaftsführung sei auszuschließen, weil sich der Revisionswerber angesichts der gegebenen Pflegestufe Nr. 7 nicht an der Wirtschaftsführung beteiligen könne. Bei Verneinung der Haushaltsgemeinschaft hätten dem Revisionswerber 100 % des Richtsatzes für Alleinstehende als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Sozialhilfe zugebilligt werden und das Gesetz diesbezüglich gleichheitskonform ausgelegt werden müssen.
10 Zudem wäre klarzustellen, ob § 14 Abs. 2 Oö. SOHAG den Abzug einer nicht vom Revisionswerber selbst, sondern von seiner Mutter bezogenen Wohnbeihilfe erlaube. Es fehle Rechtsprechung zu dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht die von der Mutter des Revisionswerbers bezogene Wohnbeihilfe abgezogen habe, obwohl das Gesetz diesen Abzug nicht vorsehe und diesbezüglich unklar sei. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis aufgrund der Abstandnahme von einer notwendigen mündlichen Verhandlung mit groben Verfahrensfehlern belastet.
11 Soweit die Zulässigkeitsbegründung der Revision eine Verfassungswidrigkeit (Gleichheitswidrigkeit) in der gleichzeitigen Anwendung eines aufgrund des Bestehens einer Haushaltsgemeinschaft angenommenen geringeren Richtsatzes und der Berücksichtigung jenes Teils des Einkommens des unterhaltspflichtigen Haushaltsangehörigen, der die errechnete Bemessungsgrundlage dieser Person übersteigt, sieht, ist zu entgegnen, dass in Fällen, in denen in der Revision eine Rechtsverletzungsbehauptung aufgestellt wird, wie sie nach Art. 144 Abs. 1 B‑VG für eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erforderlich ist, der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig ist (Art. 133 Abs. 5 B‑VG), weshalb ein solches Vorbringen die Zulässigkeit einer Revision nicht begründen kann (vgl. die Nachweise bei Thienel, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, ZVG 2018, 180 [189], sowie etwa VwGH 5.3.2021, Ra 2018/04/0117 und 0138).
12 Der der Zulässigkeitsbegründung in diesem Zusammenhang zugrundeliegenden Beurteilung, eine Haushaltsgemeinschaft ‑ eine solche bilden gemäß § 7 Abs. 5 erster Satz Oö. SOHAG mehrere in einer Wohneinheit oder Wohngemeinschaft lebende Personen, „soweit eine gänzliche oder teilweise gemeinsame Wirtschaftsführung nicht auf Grund besonderer Umstände ausgeschlossen werden kann“ ‑ könne im Fall des Zusammenlebens einer pflegebedürftigen Person mit der sie pflegenden unterhaltspflichtigen Person nicht vorliegen, ist die mit Blick auf die Gesetzesmaterialien ergangene hg. Judikatur entgegenzuhalten, wonach durch das Sozialhilfe‑Grundsatzgesetz und das Oö. SOHAG der Begriff der „Haushaltsgemeinschaft“ in seinem bisherigen Begriffsverständnis übernommen wurde. Demnach wird von einer gemeinsamen Wirtschaftsführung in Teilbereichen etwa dann ausgegangen, wenn Einrichtungen, die für die Haushaltsführung notwendig sind, wie etwa Küche, Badezimmer oder Waschmaschine, mitbenützt und sohin die betreffenden Bedürfnisse nicht außerhalb der Wohneinheit befriedigt werden (vgl. VwGH 25.11.2021, Ra 2020/10/0143; 10.11.2021, Ra 2020/10/0171; 16.2.2021, Ra 2020/10/0147, sowie die Materialien zum Oö. SOHAG, AB 1180/2019 Blg OöLT, 28. GP 12, woraus ebenso hervorgeht, dass es keine Rolle spiele, ob zwischen den im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen unterhaltsrechtliche Beziehungen bestehen oder nicht). Allein mit dem Hinweis auf den Pflegebedarf des Revisionswerbers wird eine Abweichung von der ‑ im Übrigen nicht vom Revisionswerber dargelegten ‑ Rechtsprechung nicht dargetan.
13 Soweit die Zulässigkeitsbegründung ‑ wiederum ohne Bezugnahme auf vorhandene hg. Rechtsprechung ‑ unterstellt, die Mutter des Revisionswerbers sei als Alleinerzieherin iSd § 7 Abs. 5 Oö. SOHAG anzusehen, ist darauf zu verweisen, dass die Eigenschaft einer sozialhilfeberechtigten Person als „alleinerziehende Person“ im Sinne des § 7 Abs. 8 Oö. SOHAG nicht in Betracht kommt, wenn bzw. sobald die Haushaltsgemeinschaft, der diese Person angehört, (auch nur) eine weitere volljährige Person umfasst. Auf den Umstand, dass diese Person gegenüber einer in der Haushaltsgemeinschaft lebenden (volljährigen) Person allenfalls zum Unterhalt verpflichtet ist, stellt das Gesetz nicht ab (vgl. dazu grundlegend VwGH 1.6.2021, Ra 2020/10/0095).
14 Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2019/10/0180 bis 0182, 0187; 25.3.2020, Ra 2020/10/0015; 27.2.2020, Ra 2019/10/0121).
15 Diesen Anforderungen entspricht die knappe Ausführung der Frage der Berücksichtigung der von der Mutter des Revisionswerbers bezogenen Wohnbeihilfe nicht. Die Zulässigkeitsbegründung scheint davon auszugehen, dass die Wohnbeihilfe, weil sie nicht vom Revisionswerber bezogen wird, „nicht in Abzug zu bringen“ sei. Ausgehend von der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses wurde die Wohnbeihilfe jedoch nicht bei der Bemessungsgrundlage des Revisionswerbers berücksichtigt, sondern (hypothetisch) bei jener der Mutter und anhand der Gegenüberstellung des für den Revisionswerber ermittelten Richtsatzes und des hinsichtlich der Mutter (gegenüber dem für sie in Betracht kommenden Richtsatz) errechneten Überschusses festgestellt, dass letzterer den Richtsatz für den Revisionswerber übersteige, sodass kein Sozialhilfeanspruch bestehe. Davon, dass die Wohnbeihilfe bei jener Person zu berücksichtigen ist, die sie bezieht, geht offenbar auch der Revisionswerber aus; die diesbezügliche Anordnung in § 14 Abs. 1 Oö. SOHAG ist eindeutig. Warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar dargelegt.
16 Wenn der Revisionswerber schließlich pauschal und ohne nähere Begründung das Vorliegen grober Verfahrensmängel aufgrund der „Abstandnahme von einer sehr wohl zur Klärung des Sachverhalts notwendigen mündlichen Verhandlung“ ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen den an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gestellten Anforderungen schon deshalb nicht entspricht, weil unterlassen wird darzutun, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verwaltungsgericht nach Ansicht der Revision in welchen Punkten abgewichen sein soll (vgl. VwGH 29.6.2022, Ra 2022/10/0043; 28.5.2019, Ra 2018/10/0134, mwN).
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. Februar 2023
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