VwGH Ra 2021/10/0086

VwGHRa 2021/10/008611.5.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Prendinger, über die Revision der 1. Mag. E U und 2. Mag. G Z, beide in P, beide vertreten durch Mag. Walter Dorn, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Bahnhofstraße 16, gegen das am 2. Dezember 2020 mündlich verkündete und am 25. Februar 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten, Zl. KLVwG‑1354‑1355/14/2020, betreffend Versagung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
NatSchG Krnt 2002 §5 Abs1 liti
NatSchG Krnt 2002 §9 Abs1 litc
NatSchG Krnt 2002 §9 Abs3 lita
NatSchG Krnt 2002 §9 Abs7
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021100086.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 25. Februar 2021 wurde die Beschwerde der nunmehrigen Revisionswerberinnen gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau vom 8. Juni 2020, mit welchem ihr Antrag auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung zur Errichtung einer Forst(arbeiter)hütte auf einem näher bezeichneten Grundstück abgewiesen worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen diese Entscheidung gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei.

2 Das Verwaltungsgericht stellte dazu im Wesentlichen fest, die Revisionswerberinnen hätten die Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung einer Forst(arbeiter)hütte auf einer näher genannten, in ihrem Eigentum stehenden und laut anzuwendendem Flächenwidmungsplan als „Grünland ‑ Land‑ und Forstwirtschaft“ ausgewiesenen Parzelle beantragt. Diese befinde sich in einem waldfreien Areal innerhalb einer Almweide. Die Hütte solle die Bewirtschaftung, die Pflege und den Schutz der Wälder erleichtern. Aber auch almwirtschaftliche Maßnahmen und die Bejagung könnten mit dem Vorhaben leichter, besser und effizienter ausgeübt werden. Konkret sollten in erster Linie näher genannte Parzellen mit einem Flächenausmaß von rund 5,1 ha bewirtschaftet werden. Die Waldflächen der Revisionswerberinnen seien durch ein System von Forststraßen und Almwegen erschlossen. Die nicht zusammenhängenden Waldflächen der Revisionswerberinnen im Ausmaß von rund 24 ha erstreckten sich über eine Höhenlage von 820 m bis 1.740 m. Zu den nördlichsten Waldgrundstücken, die nicht zusammenhängend seien, gebe es zwei voneinander unabhängige Zufahrten. Ausgehend von der Hofstelle der Revisionswerberinnen betrage die Zufahrtsstrecke über die G.-Alm 10,5 km und über den G. Weg 12 km bei einer Fahrtzeit von 25 bzw. 27 Minuten. Für die gesamten Waldflächen sei mit einem jährlichen Arbeitsaufwand von 10 bis 15 Tagen zu rechnen und für den anteilsmäßigen Besitz an den Flächen der Agrargemeinschaften mit einem solchen von 5 bis 10 Tagen.

3 § 9 Abs. 1 lit. c iVm § 9 Abs. 3 lit. a Kärntner Naturschutzgesetz 2002 (K‑NSG 2002) verbiete die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung nach § 5 Abs. 1 lit. i leg. cit., wenn durch das Vorhaben eine Zersiedelung eingeleitet oder fortgesetzt werde. Darunter sei nach der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine „ohne funktionales Erfordernis oder ohne ortsplanerische Konzeption vorgenommene Bebauung außerhalb geschlossener Siedlungen“ zu verstehen. Für die Beurteilung, ob durch ein Bauwerk eine Zersiedelung eingeleitet oder fortgesetzt werde, sei daher entscheidend, ob das Bauwerk einem funktionalen Erfordernis diene, das heißt, ob es für die Bewirtschaftung bestimmter Flächen erforderlich sei. Dabei komme es nicht auf subjektive, in der Person des Bewirtschaftenden gelegene Umstände an, sondern darauf, ob eine Bewirtschaftung dieser Flächen ohne die Baulichkeit bei objektiver Betrachtung unmöglich wäre. Fallbezogen erleichtere die beabsichtigte Errichtung der Hütte die Bewirtschaftung der von den Revisionswerberinnen angeführten Flächen. Davon, dass ohne die geplante Hütte die Bewirtschaftung der Wald‑ und Almflächen unmöglich wäre, sprächen selbst die Revisionswerberinnen nicht, weshalb die Erforderlichkeit der Baulichkeit nicht gegeben sei. Da die Revisionswerberinnen aufgrund der Größe der Grundstücke nicht als Jagdausübungsberechtigte anzusehen seien, sei die ins Treffen geführte jagdliche Nutzung der geplanten Hütte für die Bewirtschaftung ihrer Flächen nicht als erforderlich zu betrachten. Auch eine im Sinn des § 9 Abs. 7 K‑NSG 2002 durchzuführende Interessenabwägung verhelfe dem Projekt zu keiner Bewilligung. Weder könne in dem beantragten Vorhaben eine als öffentliches Interesse zu qualifizierende Agrarstrukturverbesserungsmaßnahme erkannt werden, noch könne das Klimaschutzinteresse an der Verhinderung der bei Errichtung der Hütte wegfallenden Anfahrtswege unter dem Aspekt des Gemeinwohls ein solches Gewicht erlangen, dass es das Interesse des Naturschutzes überwiege, weil die Bedeutung der Einsparungen für den Klimaschutz nicht über den Einzelfall hinausgingen.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 23.3.2023, Ra 2022/10/0160; 28.2.2023, Ra 2022/10/0164; 25.3.2020, Ra 2020/10/0015).

9 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird zunächst darauf hingewiesen, dass die betroffene Gemeinde L. dem gesamten Verfahren nicht beigezogen und rechtlich nicht gehört worden sei. Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass die Gemeinde ein öffentliches Interesse an der Durchführung des beantragten Projekts geltend gemacht hätte, insbesondere mit Blick auf den auch für die Gemeinde wichtigen Schutzwald. Insofern liege ein wesentlicher Verfahrensmangel vor. Auch fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich mit der subjektiven Betroffenheit der Parteien bei einem Verstoß gegen § 53 K‑NSchG 2002 (Parteistellung der Gemeinden) auseinandersetze.

10 Diesem Vorbringen steht der Akteninhalt entgegen, wonach die betroffene Gemeinde L. mit Schreiben vom 29. November 2019 eine Stellungnahme abgegeben hat und ihr der verwaltungsbehördliche Bescheid auch zugestellt wurde. Da somit der behauptete Verfahrensmangel der Nichtbeiziehung der Gemeinde nicht vorliegt, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob § 53 K‑NSG 2002, der das Recht der von einem bewilligungspflichtigen Vorhaben betroffenen Gemeinden, dass die im § 9 umschriebenen Interessen bei der Entscheidung gewahrt werden, vorsieht, (auch) den Antragstellern ein subjektives Recht einräumt.

11 Als weitere Verfahrensmängel macht die Zulässigkeitsbegründung Folgendes geltend:

12 Die Revisionswerberinnen hätten nachweislich viele Male beantragt, dass in ihrer Anwesenheit die Gutachtenserörterung sowie ein Ortsaugenschein stattfinden sollten. Ebenso hätten sie auf Grund des strengen Lockdowns um Vertagung der Verhandlung ersucht, um persönlich anwesend sein zu können. Da das Verwaltungsgericht (und zuvor die Behörde) all dem nicht gefolgt sei, hätten sich die Revisionswerberinnen nicht persönlich und unmittelbar zu ihrer eigenen Sache äußern können. Hätte das Verwaltungsgericht den Revisionswerberinnen gemäß § 3 Abs. 3 iVm Abs. 6 Verwaltungsrechtliches COVID‑19‑Begleitgesetz (COVID‑19‑VwBG) die Möglichkeit gegeben, durch Bild‑ und Wortübertragung an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, so hätten sie dazu beitragen können, „weiteres Vorbringen“ zu erstatten und „weitere Fragen“ an den Sachverständigen zu stellen, um so die wesentlichen Ungereimtheiten betreffend die Fahrtstrecken ‑ vor allem im forstfachlichen Gutachten ‑ zu unterstreichen. Es sei keinesfalls ausgeschlossen, dass die Anwesenheit der Revisionswerberinnen dazu geführt hätte, dass der Gutachter seine Schlussfolgerungen ändere, ein weiterer Gutachter beigezogen werde, der sachverständige Zeuge H. beigezogen werde oder aber etwa eine Frist zur Erstattung eines Privatgutachtens aufgetragen werde. Die ihren Betrieb bewirtschaftenden Revisionswerberinnen wüssten über die entscheidungswesentlichen Tatsachen ‑ wie etwa das Siedlungsgebiet ‑ so gut Bescheid wie sonst niemand und hätten glaubhaft vermitteln können, dass die angenommenen Fahrtzeiten und ‑strecken des Gutachters ebenso wie die notwendigen Arbeitstage nicht mit der Realität übereinstimmten, sondern deutlich höher anzusetzen seien und dass eine kostendeckende Bewirtschaftung ihres Betriebes ohne eine solche Forst(arbeiter)hütte derzeit nicht möglich sei.

13 Ebenso hätte sich bei Durchführung des beantragten Ortsaugenscheins ergeben, dass die Annahmen des forstfachlichen Sachverständigen und des Sachverständigen aus dem Naturschutz „nicht mit der Realität übereinstimmen“; an den Gutachten insgesamt „hätte sodann gezweifelt werden können“. Das Verwaltungsgericht hätte sich davon überzeugen können, dass der forstfachliche Gutachter die Lage der Grundstücke in Bezug auf den Arbeitsaufwand sowie Fahrtstrecken und ‑zeiten unrichtig angenommen habe. Die Fahrtzeiten hätten anlässlich des Ortsaugenscheins selbst überprüft werden können, ebenso die Beschwerlichkeit der Wege.

14 Die Revisionswerberinnen hätten unzählige Male beantragt den sachverständigen Zeugen H. zu laden und einzuvernehmen. Dieser Forstexperte sei bestens mit der Örtlichkeit der G.‑Alm und der Region vertraut. Durch Beiziehung und Einvernahme dieses sachverständigen Zeugen hätten die Revisionswerberinnen dem Amtsgutachten auf demselben fachlichen Niveau entgegentreten und so die Erstellung eines äußerst kostenintensiven Privatgutachtens vorerst vermeiden können. Der sachverständige Zeuge hätte beweisen können, dass im konkreten Fall die Notwendigkeit der Errichtung einer Forst(arbeiter)hütte gegeben sei und die Annahmen des Amtssachverständigen zur Lage der Grundstücke, zur Ortsüblichkeit sowie zum Arbeitsaufwand keinesfalls mit der Realität übereinstimmten. Das Verwaltungsgericht habe nicht wissen können, welche Tatsachen die Einvernahme hervorbringen würde und habe daher unzulässig eine vorweggenommene Beweiswürdigung durchgeführt.

15 Bereits die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird. Der Revisionswerber hat die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten. Er darf sich nicht darauf beschränken, einen Verfahrensmangel (bloß) zu relevieren, ohne die Relevanz für den Verfahrensausgang durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. etwa VwGH 20.3.2023, Ra 2023/10/0018; 5.12.2022, Ra 2021/10/0067, mwN). Die Entscheidungswesentlichkeit setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 15.5.2020, Ra 2020/20/0064).

16 Eine solche Relevanzdarstellung gelingt den Revisionswerberinnen mit ihrem ‑ oben wiedergegebenen ‑ allgemein gehaltenen Vorbringen, das weder Aussagen dazu enthält, welches konkrete Tatsachenvorbringen die Revisionswerberinnen in der Verhandlung erstattet hätten, noch, zu welchen Gutachtensänderungen und Ergänzungen des Beweisverfahrens es dadurch hätte kommen können, nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, mit welchem Ergebnis bei der Einvernahme des Zeugen H. zu rechnen gewesen wäre und welcher ‑ für die Revisionswerberinnen günstigere ‑ Sachverhalt im Fall der Einvernahme des beantragten Zeugen zu erwarten gewesen wäre. Dem Erfordernis einer konkreten Relevanzdarstellung wird das Vorbringen ‑ das den vom Verwaltungsgericht im Rahmen einer ausführlich begründeten Beweiswürdigung beurteilten Gutachten nichts Konkretes entgegen zu setzen vermag ‑ auch in Bezug auf die Nichtdurchführung eines Augenscheins nicht gerecht, weil mit der Behauptung von zu erwartenden „Zweifeln an den Gutachten“ nicht aufgezeigt wird, welche konkreten ‑ in den Gutachten nicht oder nicht ausreichend berücksichtigten ‑ örtlichen Besonderheiten der Augenschein hervorgebracht hätte und zu welchen anderen Berechnungen hinsichtlich der Fahrtstrecken und ‑zeiten und des zu erwartenden Arbeitsaufwands diese geführt hätten.

17 Eine weitere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung sehen die Revisionswerberinnen in der Nichteinräumung einer Frist zur Vorlage eines Privatgutachtens. Das forstfachliche Amtsgutachten sei in der mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember 2020 erörtert worden. Somit habe erst an diesem Tag die Möglichkeit bestanden, die zahlreichen Fragen persönlich an den Gutachter zu richten und auf eine Ergänzung und Korrektur des Gutachtens einzuwirken. Als ersichtlich gewesen sei, dass der Sachverständige die vorgebrachten Argumente nicht gelten lasse und sein Gutachten nicht abändere, sei der Antrag auf Einräumung einer Frist von zwölf Wochen zur Vorlage eines Privatgutachtens gestellt worden, welcher jedoch nicht berücksichtigt worden sei. Damit habe das Verwaltungsgericht gegen näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 45 Abs. 3 AVG verstoßen. Es sei keinesfalls ausgeschlossen, dass das Gericht zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn ein Privatgutachten binnen aufgetragener Frist hätte vorgelegt werden können.

18 Dazu ist zunächst auszuführen, dass nach dem Akteninhalt das schriftliche forstfachliche Amtssachverständigengutachten vom 25. Februar 2020 stammt und den Revisionswerberinnen laut eigenen Angaben von der belangten Behörde am 6. März 2020 zugestellt wurde. Die zunächst eingeräumte zweiwöchige Stellungnahmefrist wurde antragsgemäß bis 31. Mai 2020 verlängert; mit Eingabe vom 29. Mai 2020 gaben die Revisionswerberinnen u.a. zum Gutachten eine ablehnende Stellungnahme ab. Eben dieses Gutachten wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 2. Dezember 2020 erörtert. Schon vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass die Revisionswerberinnen nicht ausreichend Zeit zur Einholung eines Gegengutachtens gehabt hätten. Dass für die Frage, ob eine zur Vorlage eines Gegengutachtens ausreichende Frist förmlich einzuräumen ist, der Zeitpunkt der mündlichen Erörterung eines schriftlich erstatteten und den Parteien übermittelten Gutachtens maßgeblich wäre, ergibt sich aus der in der Revision genannten Judikatur (VwGH 14.4.1999, 98/04/0209; 7.7.2010, 2009/12/0096) nicht. In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ‑ wird eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht ‑ der Revisionswerber konkret darzulegen hat, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt jenem der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. VwGH 23.3.2023, Ra 2022/10/0160; 3.3.2023, Ra 2022/10/0088, mwN). Diesen Anforderungen wurde fallbezogen nicht entsprochen. Darüber hinaus legen die Revisionswerberinnen auch diesbezüglich mangels Konkretisierung ihres Vorbringens im Sinn der obigen Ausführungen (vgl. Rn. 15) nicht dar, zu welchen anderen Feststellungen das Verwaltungsgericht bei Einräumung einer Frist zur Vorlage eines Privatgutachtens nach der mündlichen Beschwerdeverhandlung gelangt wäre. Auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wird somit nicht konkret dargelegt.

19 Die Revisionswerberinnen bringen ferner vor, das Verwaltungsgericht setze sich mit seiner Auslegung des Begriffes der „Zersiedelung“ in Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Es komme nicht auf die Unmöglichkeit der Flächenbewirtschaftung, sondern darauf an, ob durch die Umsetzung des Vorhabens (hier: die Errichtung der Forst[arbeiter]hütte) die Bewirtschaftung der Alm- und Waldflächen erheblich erleichtert werde und aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten (dringend) notwendig sei (Hinweis auf VwGH 16.12.2002, 99/10/0014). Die Revisionswerberinnen hätten ausführlich in der Beschwerde aufgezeigt, dass eine wirtschaftliche Bewirtschaftung der Wald- und Almenflächen wegen umständlicher und langer An- und Abfahrtszeiten nicht mehr gegeben sei.

20 Der Begriff der „Zersiedelung“ (§ 9 Abs. 3 lit. a K‑NSG 2002) wird im K‑NSG 2002 nicht definiert. Darunter ist eine „ohne funktionales Erfordernis oder ohne ortsplanerische Konzeption vorgenommene Bebauung außerhalb geschlossener Siedlungen“ zu verstehen. Für die Beurteilung, ob durch ein Bauwerk, das das Merkmal der „Bebauung außerhalb geschlossener Siedlungen“ erfüllt, eine Zersiedelung eingeleitet oder fortgesetzt wird, ist daher entscheidend, ob das Bauwerk einem funktionalen Erfordernis dient, das heißt, ob es für die Bewirtschaftung bestimmter Flächen erforderlich ist (vgl. VwGH 14.7.2011, 2009/10/0192; 2.10.2007, 2006/10/0147; vgl. auch VwGH 12.9.2005, 2002/10/0073, sowie 16.12.2002, 99/10/0014, zum Krnt NatSchG 1986). Dabei kommt es nicht auf subjektive, in der Person des Bewirtschaftenden, gelegene Umstände an, sondern darauf, ob eine Bewirtschaftung dieser Flächen ohne die Baulichkeit bei objektiver Betrachtung unmöglich wäre (vgl. wiederum VwGH 14.7.2011, 2009/10/0192; 2.10.2007, 2006/10/0147; vgl. auch VwGH 27.8.2002, 2002/10/0117).

21 Das Verwaltungsgericht hat die Feststellungen getroffen, dass die geplante Hütte die Bewirtschaftung, die Pflege und den Schutz der Wälder erleichtern solle, aber auch almwirtschaftliche Maßnahmen und die Bejagung mit dem Vorhaben leichter, besser und effizienter ausgeübt werden könnten. Von der Hofstelle der Revisionswerberinnen seien die nördlichsten Waldgrundstücke in einer Fahrtzeit von unter einer halben Stunde erreichbar. Der jährliche Arbeitsaufwand für die gesamten, von den Revisionswerberinnen zu bewirtschaftenden Waldflächen betrage ca. 15 bis 20 Tage. Vor diesem Hintergrund kam das Verwaltungsgericht unter Berufung auf die hg. Rechtsprechung zum Begriff der „Zersiedelung“ zu dem Ergebnis, dass die geplante Hütte die Bewirtschaftung zwar erleichtern würde, jedoch deren Erforderlichkeit iSd genannten Rechtsprechung zu verneinen sei. Auch eine von den Revisionswerberinnen behauptete Abweichung vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2002, 99/10/0014, wurde nicht dargetan, weil auch dort die Erforderlichkeit des Vorhabens nach den o.a. Kriterien geprüft wurde. Die dort thematisierte Wirtschaftlichkeit betraf zudem die Neuerrichtung eines Betriebes und ist daher mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar.

22 Schließlich machen die Revisionswerberinnen in der Sache einen Begründungsmangel geltend, weil das Verwaltungsgericht im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 Abs. 7 K‑NSG 2002 unberücksichtigt gelassen habe, dass der gesamte Südabhang in Richtung der Ortschaft G. eine Schutzwaldfunktion aufweise, sodass an der Errichtung der geplanten Forst(arbeiter)hütte ein öffentliches Interesse bestehe. Vor dem Hintergrund, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zum Ausdruck bringt, dass die von den Revisionswerberinnen durchzuführende Bewirtschaftung auch ohne die Errichtung der Forst(arbeiter)hütte ortsüblich zu bewältigen ist ‑ wodurch die Schutzwaldfunktion nicht beeinträchtigt wäre ‑ ist nicht ersichtlich, warum das Schicksal der Revision von dem aufgeworfenen Verfahrensmangel abhängen sollte. Eine entsprechende Relevanzdarstellung, die im Hinblick auf geltend gemachte Verfahrensmängel zu erfolgen hätte (vgl. Rn. 15), ist nicht erfolgt; die Zulässigkeitsbegründung erfüllt auch diesbezüglich die Anforderungen nicht.

23 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Mai 2023

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