VwGH Ra 2022/19/0221

VwGHRa 2022/19/02213.10.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, über die Revision des H A, vertreten durch Mag. Paul Hechenberger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. August 2021, W284 1411044‑2/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9
FrPolG 2005 §114 Abs1
FrPolG 2005 §114 Abs3 Z1
FrPolG 2005 §114 Abs3 Z2
FrPolG 2005 §114 Abs4
FrPolG 2005 §52
FrPolG 2005 §52 Abs2
FrPolG 2005 §53 Abs1
MRK Art8

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022190221.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 17. August 2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das (damals zuständige) Bundesasylamt wies diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber aber mit Bescheid vom 16. Dezember 2009 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine (in weiterer Folge mehrfach verlängerte) befristete Aufenthaltsberechtigung.

2 Die gegen die Versagung des Status des Asylberechtigten gerichtete Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem am 14. November 2018 mündlich verkündeten und am 4. März 2020 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis rechtskräftig abgewiesen.

3 Der Revisionswerber war inzwischen zweimal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden, nämlich zunächst mit Urteil des Bezirksgerichtes Bludenz vom 7. September 2017 wegen Diebstahls nach § 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat und dann mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. Dezember 2018 wegen des Verbrechens der (teilweise versuchten) gewerbsmäßigen Schlepperei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung nach §§ 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 1 und Z 2 sowie Abs. 4 erster Fall FPG, § 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Am 19. Mai 2020 wurde der Revisionswerber bedingt entlassen.

4 In der Folge erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 18. März 2020 dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 ab, entzog ihm die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA‑VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 4 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Ferner legte das BFA gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erließ gegen den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer Verhandlung ‑ „mit der Maßgabe“, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf sieben Jahre herabgesetzt werde ‑ als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

6 Mit Beschluss vom 14. Juni 2022, E 3667/2021‑10, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

7 Schließlich erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 In seiner Zulässigkeitsbegründung wendet sich der Revisionswerber gegen die Interessenabwägung nach § 9 BFA‑VG und bringt dazu vor, das BVwG habe die langjährige Beziehung zu seiner Lebensgefährtin und die Beziehung zu seinem sechsjährigen Sohn nicht hinreichend berücksichtigt.

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Das gilt sinngemäß sowohl für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose als auch für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots (vgl. VwGH 9.3.2022, Ra 2021/19/0461, mwN).

13 Das BVwG nahm auf den langjährigen Aufenthalt des Revisionswerbers und seine familiären Bindungen ausreichend Bedacht, durfte aber auch die erhebliche Straffälligkeit des Revisionswerbers entsprechend einbeziehen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei einer im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen Schlepperei um ein unter fremdenrechtlichen Aspekten besonders verpöntes Verhalten (vgl. VwGH 20.5.2021, Ra 2021/21/0146, mwN). Der Bekämpfung der Schlepperei kommt hinsichtlich des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 13.2.2020, Fe 2019/01/0001; 20.8.2013, 2013/22/0097, mwN).

14 Ebenso entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Trennung von einem in Österreich dauerhaft niedergelassenen Ehepartner oder von in Österreich asylberechtigten Familienangehörigen gerechtfertigt ist, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit (vgl. VwGH 6.9.2021, Ra 2021/19/0159, mwN).

15 Insbesondere zu Delikten der hier in Rede stehenden Art hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon wiederholt die Meinung gebilligt, dass die Auswirkungen einer durch den Vollzug von aufenthaltsbeenden Maßnahmen bewirkten Trennung auf die Beziehung auch zu Kindern im großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Schlepperei hinzunehmen seien (vgl. etwaVwGH 29.9.2020, Ra 2020/21/0305, mwN).

16 Vor diesem Hintergrund vermag die Revision mit ihren pauschal gehaltenen Überlegungen auch unter Berücksichtigung des Kindeswohls nicht aufzuzeigen, dass die vom BVwG im Einzelfall vorgenommene Gewichtung der festgestellten Umstände unvertretbar wäre. Vielmehr ist das Ergebnis der Interessenabwägung, die das BVwG nach Durchführung einer Verhandlung, in der es den Revisionswerber und seine Lebensgefährtin als Zeugin einvernahm und sich einen persönlichen Eindruck von den familiären Verhältnissen verschaffen konnte, getroffen hatte, nicht zu beanstanden.

17 Soweit der Revisionswerber Feststellungs- und Begründungsmängel, wie etwa zur konkreten Dauer seines Strafvollzuges oder zur Betreuung des an frühkindlichem Autismus leidenden Sohnes durch die Mutter, geltend macht, gelingt es der Revision in Anbetracht der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, die Relevanz dieser Verfahrensmängel darzulegen (vgl. zu den Anforderungen an das Zulässigkeitsvorbringen VwGH 27.6.2022, Ra 2022/19/0020, mwN).

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 3. Oktober 2022

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