Normen
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §114 Abs1
FrPolG 2005 §114 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs4
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021210146.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein ägyptischer Staatsangehöriger, ging am 24. September 2012 die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin ein. Im Hinblick darauf wurden ihm ab Mitte Mai 2013 Aufenthaltstitel als Familienangehöriger einer Österreicherin, zuletzt befristet bis 18. Mai 2019, erteilt. Diesbezüglich stellte er am 28. März 2019 einen Verlängerungsantrag. Der Ehe entstammen drei im September 2013, im September 2014 und im Juli 2020 geborene Töchter, die ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Alle Genannten leben in einem gemeinsamen Haushalt.
2 Nachdem der Revisionswerber im März 2015 wegen an seiner Ehefrau und an seinem Schwager begangener Körperverletzungen zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten rechtkräftig verurteilt worden war, verhängte das Landesgericht Wels mit rechtskräftigem Urteil vom 18. April 2017 über den Revisionswerber wegen des Verbrechens der Schlepperei gemäß § 114 Abs. 1 und 3 Z 2 sowie Abs. 4 erster Fall FPG eine unbedingte Freiheitsstrafe von 32 Monaten, die er ‑ unter Anrechnung von Vorhaft ‑ vom 10. November 2016 bis zur bedingten Entlassung nach zwei Drittel der Strafzeit am 20. August 2018 verbüßte. Dem Schuldspruch lag zugrunde, der Revisionswerber habe als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei Mittätern die rechtswidrige Ein‑ bzw. Durchreise von jeweils mindestens drei in Österreich unrechtmäßig aufhältigen Fremden in einen Nachbarstaat Österreichs mit Bereicherungsvorsatz gefördert, nämlich insbesondere auf näher beschriebene Weise am 20./21. März 2016 den Transport von drei irakischen Staatsangehörigen von Österreich nach Deutschland.
3 Im Hinblick darauf erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), nachdem der Revisionswerber im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 8. Mai 2017 eine Stellungnahme erstattet hatte, den Bescheid vom 13. Dezember 2017, mit dem gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA‑VG eine Rückkehrentscheidung erlassen und damit gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot verbunden wurde. Des Weiteren stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Ägypten zulässig sei. Schließlich wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA‑VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und demzufolge gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.
4 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2020 mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 11. Jänner 2021 insofern Folge, als die Dauer des Einreisverbotes auf ein Jahr herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ‑ nach Ablehnung der Behandlung der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde und ihrer Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof (VfGH 10.3.2021, E 663/2021‑5) ‑ fristgerecht ausgeführte außerordentliche Revision. Die Revision erweist sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B‑VG als unzulässig.
6 Gemäß der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
8 In dieser Hinsicht meint der Revisionswerber zunächst, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach der Ehegatte einer Österreicherin nicht schlechter behandelt werden dürfe als ein begünstigter Drittstaatsangehöriger, die Ausweisung des daueraufenthaltsberechtigten Revisionswerbers somit nur dann zulässig wäre, wenn sein Aufenthalt im Sinne des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Als Beleg für diese Auffassung bezog sich der Revisionswerber auf das zum Fremdengesetz aus 1992 ergangene Erkenntnis VwGH 12.4.1999, 96/21/0012. Dazu genügt es zu erwidern, dass sich die dort angestellten Überlegungen nicht auf die aktuelle Rechtslage übertragen lassen (siehe die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG, die in Bezug auf die Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger im gegebenen Zusammenhang ausdrücklich darauf abstellt, dass der österreichische Ehegatte sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, wofür im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte bestehen; siehe dazu auch VfGH 16.12.2009, G 244/09 ua., VfSlg. 18.968, und VfGH 23.9.2010, G 284/09 ua., VfSlg. 19.160).
9 Auch der weitere Einwand in der Revision, das BVwG habe sich nicht mit dem zwischen dem Revisionswerber und seiner Ehefrau und den Kindern bestehenden Familienleben auseinandergesetzt, ist nicht zielführend. Denn das BVwG ging insoweit ohnehin von einem durch die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot bewirkten maßgeblichen Eingriff in dieses Familienleben aus, befasste sich auch ausreichend mit den Auswirkungen der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auf das Verhältnis zu seinen Familienangehörigen und nahm nicht zuletzt auch deshalb eine deutliche Reduktion der Dauer des Einreisverbotes vor.
10 Der Revisionswerber führt zwar in Bezug auf seine Straftaten und die hieraus ableitbare Gefährlichkeit in der Revision mehrere relativierende Gesichtspunkte ins Treffen und folgert dann, in Bezug auf die Gefährdungsprognose und die Interessenabwägung sei das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Allerdings ist die diesbezügliche ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Verwertung des persönlichen Eindrucks mit ausführlicher Begründung vorgenommene ‑ Einschätzung des BVwG insgesamt nicht als unvertretbar einzustufen. Vor allem ist dem Revisionsvorbringen in diesem Zusammenhang aber zu entgegnen, dass es sich bei einer im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen Schlepperei um ein unter fremdenrechtlichen Aspekten besonders verpöntes Verhalten handelt (vgl. allgemein VwGH 29.9.2020, Ra 2020/21/0305, Rn. 10, mwN), bei dem das BVwG angesichts des seit der Entlassung aus der Strafhaft vergangenen Zeitraums von knapp zweieinhalb Jahren noch nicht von einem Wegfall der Gefährdung ausgehen musste. Vor diesem Hintergrund war auch die Ansicht des BVwG vertretbar, die vorübergehende Trennung der Familienangehörigen sei im öffentlichen Interesse hinzunehmen.
11 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist aber die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen ‑ wenn sie (wie hier) auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (vgl. etwa aus der letzten Zeit VwGH 11.3.2021, Ra 2021/21/0045, Rn. 9, mwN).
12 Der Revision gelingt es somit nicht, eine für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufzuzeigen.
Wien, am 20. Mai 2021
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