VwGH Ra 2022/05/0174

VwGHRa 2022/05/017425.11.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Mag. Liebhart‑Mutzl und Dr.in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der Dr. S R in W, vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in 1210 Wien, Prager Straße 55/14, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 24. Juni 2022, VGW‑112/078/7572/2022‑2, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Erstreckung der Erfüllungsfrist für einen Bauauftrag gemäß § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §59 Abs2
AVG §68 Abs1
AVG §68 Abs7
BauO Wr §129 Abs4
BauRallg
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022050174.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde der Revisionswerberin gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Erstreckung der Erfüllungsfrist für einen näher genannten Bauauftrag nach § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien (BO) als unbegründet ab und sprach aus, dass eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

2 Dieses Erkenntnis begründete das Verwaltungsgericht damit, dass der Revisionswerberin mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. Dezember 2021 gemäß § 129 Abs. 2 und 4 BO unter anderem der Auftrag erteilt worden sei, binnen fünf Monaten nach Rechtskraft des Bescheides beim rückwärtigen Gebäudetrakt einer näher genannten Liegenschaft in Wien die Fassade zum Garten fachgerecht instand zu setzen. Bei der Eingabe der bevollmächtigten Hausverwaltung vom 14. April 2022 handle es sich um einen Antrag auf Verlängerung der Erfüllungsfrist hinsichtlich dieses Bauauftrages. Auch die Revisionswerberin selbst gehe davon aus, dass es sich dabei um einen Fristerstreckungsantrag handle. Die im Bescheid vom 13. Dezember 2021 festgesetzte Erfüllungsfrist stelle einen Bestandteil des Spruches des baupolizeilichen Instandsetzungsauftrages dar und sei von dessen Rechtskraft umfasst. Ein Antrag auf Verlängerung der Erfüllungsfrist sei deshalb als Antrag auf Abänderung des rechtskräftigen baupolizeilichen Auftrags anzusehen; diesem Ansuchen stehe res iudicata entgegen (Hinweis auf VwGH 28.3.2000, 99/05/0284). Der Revisionswerberin stehe auch kein Recht auf Ausübung des den Behörden gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG zustehenden Abänderungs‑ und Behebungsrechts und somit auch kein Recht auf Erstreckung der Erfüllungsfrist des in Rechtskraft erwachsenen baubehördlichen Instandsetzungsauftrages vom 13. Dezember 2021 zu. Auch handle es sich beim Verwaltungsgericht Wien um keine sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, weshalb ihm auch keine Kompetenz zur Abänderung eines Bescheides gemäß § 68 Abs. 2 AVG zukomme. Der Fristerstreckungsantrag sei zu Recht zurückgewiesen worden.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, die zur Begründung der Zulässigkeit zusammengefasst ausführt, die Revisionswerberin habe mit ihrem Antrag auf Verlängerung ein neues Verfahren anhängig gemacht, es liege kein Versuch der Bekämpfung des Bauauftrages nach Ablauf der Rechtsmittelfrist vor. Auch bestehe ein Rechtsanspruch auf eine Verlängerung der Erfüllungsfrist, „wenn begründete Erwägungen hiefür bestehen“. Es müsse der Partei möglich sein, bei Unmöglichkeit der Erfüllung innerhalb der Frist oder aus Gründen der Zweckmäßigkeit, dies an die Behörde heranzutragen und eine entsprechende Entscheidung zu begehren. Nach der ‑ nicht näher genannten ‑ ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien Anträge auf Gewährung eines Vollstreckungsaufschubes zulässig und auch solche, die gewährleisten würden, dass Bauaufträge leichter erfüllt werden könnten. Im Rahmen eines ihr zustehenden Parteiengehörs hätte die Revisionswerberin ihr Ansuchen umfassend begründen können. Da Fristverlängerungen, die für eine problemlose Erfüllung von Bauaufträgen zweckmäßig erschienen, zu bewilligen wären, hätte jedenfalls nach Prüfung des Vorbringens eine inhaltliche Entscheidung ergehen müssen und nicht bloß der Verweis auf eine verspätet eingebrachte Berufung. Fristverlängerungsanträge bei unzureichend bemessenen Erfüllungsfristen für Bauaufträge kämen einem „präventiv gestellten Antrag auf Vermeidung einer unmittelbaren Vollstreckung für die verlängerte Frist“ gleich und nicht einer verspäteten Beschwerdeerhebung. Es liege daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weil nach der Rechtsansicht der belangten Behörde und des Verwaltungsgerichts jeder Versuch, eine Verlängerung einer unzureichend bemessenen Erfüllungsfrist eines Bauauftrages zu erwirken, sich von vornherein als untauglich erweisen würde.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen hätten können, aufzugreifen (vgl. für viele etwa VwGH 29.8.2022, Ra 2022/06/0171 bis 0188, oder auch 23.5.2022, Ra 2021/06/0223, jeweils mwN).

8 In den demnach zur Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Revisionszulässigkeitsgründen ist dabei konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (vgl. etwa nochmals VwGH 29.8.2022, Ra 2022/06/0171 bis 0188, mwN). Schon diesem Erfordernis entspricht die Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht. Weder wird konkret auf den Revisionssachverhalt bezogen eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargelegt, noch wird aufgezeigt, welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof im gegenständlichen Zusammenhang uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hätte. Die Zulässigkeitsbegründung beeinhaltet ihrem gesamten Vorbringen nach vielmehr (bloß) Revisionsgründe; welche über den Revisionsfall hinausgehende konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG, von der die Entscheidung über die vorliegende Revision abhängt, vom Verwaltungsgerichtshof beantwortet werden sollte, wird darin nicht formuliert (vgl. zu diesem Erfordernis für viele etwa VwGH 25.5.2016, Ra 2016/06/0050, 27.4.2021, Ra 2021/06/0060, oder auch 24.2.2022, Ra 2021/10/0194, jeweils mwN).

9 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass in der BO keine Bestimmung vorgesehen ist, nach der die bescheidmäßig festgesetzte Frist für die Behebung von Baugebrechen verlängert werden kann. Auch die gemäß § 129 Abs. 4 BO in einem Bescheid festgesetzte Erfüllungsfrist stellt ‑ wie die Frist gemäß § 59 Abs. 2 AVG ‑ einen Bestandteil des Spruches des baupolizeilichen Instandsetzungsauftrages dar und ist von dessen Rechtskraft erfasst. Ein Antrag auf Verlängerung der Erfüllungsfrist kann daher nur als Antrag auf Abänderung des rechtskräftigen baupolizeilichen Auftrages angesehen werden. Einem Ansuchen um Verlängerung der Erfüllungsfrist eines baupolizeilichen Auftrages steht daher gemäß § 68 Abs. 1 AVG res iudicata entgegen. Auf die Erstreckung der Erfüllungsfrist eines in Rechtskraft erwachsenen Bauauftrages steht niemandem ein Rechtsanspruch zu (vgl. VwGH 27.2.2006, 2006/05/0024, mwN; weiters 3.5.2011, 2011/05/0059).

10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 25. November 2022

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