Normen
VwRallg
WaffG 1996 §10
WaffG 1996 §21 Abs2
WaffG 1996 §22 Abs2
WaffV 02te 1998 §6
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030040.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Bezirkshauptmannschaft Ried, die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und nunmehrige Revisionswerberin (iF auch: BH), hatte mit Bescheid vom 18. März 2021 den Antrag des Mitbeteiligten auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 21 Abs. 2 iVm § 22 Abs. 2 Z 1 und § 10 WaffG abgewiesen. Die vom Mitbeteiligten geltend gemachten Umstände (Tätigkeit im Jagdkommando des Österreichischen Bundesheeres) begründeten keinen Bedarf zum privaten Führen von Schusswaffen der Kategorie B und reichten auch nicht an einen Bedarf heran, sodass auch keine positive bedarfsunabhängige Ermessensentscheidung zu treffen gewesen sei.
2 Über die gegen diesen Bescheid vom Mitbeteiligten erhobene Beschwerde entschied das Verwaltungsgericht mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis dahin, dass der Beschwerde Folge und dem Antrag des Mitbeteiligten auf Ausstellung eines Waffenpasses für zwei Schusswaffen der Kategorie B stattgegeben wurde; die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.
3 Dem legte das Verwaltungsgericht ‑ auf das für das nunmehrige Revisionsverfahren Wesentliche zusammengefasst ‑ Folgendes zu Grunde:
4 Der Mitbeteiligte sei Angehöriger des Jagdkommandos und sei mehrfach im Ausland (etwa in Afghanistan oder in Mali) zur Ausbildung der dortigen Einheiten im Kampf gegen extremistische Gruppierungen eingesetzt gewesen. Im Rahmen eines Afghanistan-Einsatzes vor der Machtübernahme der Taliban sei ‑ wie bei Auslandseinsätzen generell üblich ‑ die erkennungsdienstliche Erfassung seiner Daten von der afghanischen Regierung vorgenommen worden. Diese Daten seien mit der Machtübernahme der Taliban dem nunmehrigen afghanischen Innenminister H übergeben worden, der zuvor Anführer jenes terroristischen Netzwerkes gewesen sei, das den Afghanistan-Einsatz des Jagdkommandos, dem auch der Mitbeteiligte angehörte, bedroht habe.
5 Ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK), der in Afghanistan ebenfalls erkennungsdienstlich behandelt worden und in der gleichen Uniform wie die Angehörigen des Jagdkommandos als Ausbildner tätig gewesen sei, sei von einem Kontaktmann der Taliban in Deutschland vor der Kaserne mit einem Messer niedergestochen worden.
6 Auch in Mali bestehe aufgrund des jüngsten Militärputsches eine angespannte Situation und habe es „eine konkrete Bedrohung für die österreichischen Truppenangehörigen“ gegeben.
7 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte habe die (bedarfsbegründende) besondere Gefahrenlage, die bei ihm „als Antiterrorspezialisten des Jagdkommandos“ vorliege, insofern dargetan, als über seine Daten nach der Machtübernahme der Taliban nunmehr der Innenminister H verfüge, und damit jener, der zuvor Anführer des den Afghanistan-Einsatz des Jagdkommandos bedrohenden terroristischen Netzwerkes gewesen sei. Dem „Missionsgegner“ sei somit „die Identität des [Mitbeteiligten] bekannt geworden“. Daraus ergebe sich „die konkrete Gefahrenlage in diesem Einzelfall, die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die belangte Behörde noch nicht vorgelegen“ sei. Die Situation hinsichtlich des Einsatzes des Mitbeteiligten in Mali sei insofern ähnlich, als er auch hier erkennungsdienstlich behandelt worden sei und jüngst ein Militärputsch stattgefunden habe.
8 Zwar begründe die „bloße Verbandszugehörigkeit zum Jagdkommando“ noch keinen Bedarf, die „beschriebene Gefahrenlage“ bedeute aber eine „konkrete Gefährdungssituation des [Mitbeteiligten], in der eine genehmigungspflichtige Schusswaffe zwingend erforderlich ist und in die der [Mitbeteiligte] mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt“. Die konkrete Gefahr für den Mitbeteiligten in Österreich manifestiere sich insofern, „als die Taliban bekanntermaßen Racheaktionen mithilfe von Kontaktpersonen insbesondere gegenüber Personen, die im Militär eine bedeutende Funktion hatten, durchführen“. Der Mitbeteiligte sei daher einer außerordentlichen Gefahr ausgesetzt, was durch den vergleichbaren Fall eines durch einen Kontaktmann der Taliban niedergestochenen deutschen KSK-Angehörigen bestätigt werde.
9 Da der Mitbeteiligte also die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Waffenpasses iSd § 21 Abs. 2 WaffG erfülle, sei der Beschwerde Folge zu geben gewesen. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Entscheidung der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entspreche und der Frage, ob konkret der Mitbeteiligte sich in einer bedarfsbegründenden Situation befinde, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ‑ außerordentliche ‑ Revision der BH.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Beurteilung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung.
14 Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die vorliegende Revision auf Basis ihres Zulässigkeitsvorbringens zulässig ist (vgl. aus vielen VwGH 26.3.2021, Ra 2021/03/0017, mwN).
15 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht bloß geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche „von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, insbesondere von seinen Entscheidungen vom 29.05.2009, GZ 2006/03/0098, betreffend den Bedarf zum Führen von Schusswaffen (§ 22 Abs. 2 iVm § 21 Abs. 2 WaffG), und vom 29.07.2002, GZ Ra 2020/03/0080, betreffend die Anwendung der im Waffengesetz 1996 enthaltenen Ermessensbestimmungen (§ 10, § 22 Abs. 2 iVm § 21 Abs. 2 WaffG)“.
16 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.
17 Ein Revisionswerber, der ‑ entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts ‑ eine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, hat konkret darzulegen, dass der der von ihm angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im revisionsgegenständlichen Fall jedoch anders entschieden hat und es damit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Hiezu reichen eine bloße Wiedergabe von Rechtssätzen ebenso wenig wie die bloße Zitierung von Literaturfundstellen ohne jegliche Bezugnahme auf solche Rechtsprechung oder die Zitierung von Rechtsprechung nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf die behaupteten inhaltlichen Abweichungen von dieser Rechtsprechung einzugehen (vgl. nur etwa VwGH 25.11.2021, Ra 2021/16/0087, VwGH 13.3.2018, Ra 2018/02/0077, VwGH 23.3.2917, Ra 2016/20/0219, je mwN).
18 Im Übrigen sind die von der Revision ins Treffen geführten Entscheidungen mit dem vorliegenden Revisionsfall tatsächlich auch nicht vergleichbar:
19 Zu VwGH 2006/03/0098 ist die dienstliche Tätigkeit des damaligen Beschwerdeführers (ebenfalls Angehöriger des Jagdkommandos) als nicht geeignet beurteilt worden, einen Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG zu begründen, weil ihm während der Dienstzeit ohnehin eine Dienstwaffe zur Verfügung gestellt wurde, und eine Konkretisierung des Vorbringens, eine Gefährdung bestehe auch außerhalb der Dienstzeit, ebensowenig erfolgt war wie eine nähere Darstellung, warum die behauptete „Geheimnisträgerschaft“ zu einer außerdienstlichen Gefährdung führe.
20 VwGH Ra 2020/03/0080 wiederum betraf den Fall eines Trafikanten, dessen berufliche Tätigkeit (auch unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustands) als kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko begründend bewertet wurde, wobei der Verwaltungsgerichtshof auch die vorgenommene Ermessensentscheidung nicht beanstandet hat, zumal eine positive Ermessensentscheidung voraussetzt, dass die geltend gemachten privaten Interessen einem Bedarf nahe kommen.
21 Im vorliegenden Revisionsfall hingegen hat das Verwaltungsgericht nicht etwa eine Ermessensentscheidung getroffen, sondern der Entscheidung eine (nicht bloß aus der Zugehörigkeit zum Jagdkommando resultierende) seiner Auffassung nach bestehende und bedarfsbegründende „konkrete Gefährdung“ des Mitbeteiligten zu Grunde gelegt.
22 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision werden nach dem Gesagten keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 24. Februar 2022
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