Normen
VwRallg
WaffG 1996 §10
WaffG 1996 §21 Abs2
WaffG 1996 §22 Abs2
WaffG 1996 §22 Abs2 Z1
WaffV 02te 1998 §6
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030080.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht den Antrag des Revisionswerbers auf Ausstellung eines Waffenpasses ‑ durch Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde ‑ gemäß § 21 Abs. 2 Waffengesetz 1996 (WaffG) ab. Die Revision erklärte es für unzulässig.
2 Dem legte das Verwaltungsgericht ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ im Wesentlichen Folgendes zugrunde:
3 Der (aufgrund gewichtsbedingter Abnützung des Bewegungsapparats mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades samt Schmerzen in multiplen Gelenken zu 20 % behinderte) Revisionswerber betreibe eine Trafik an einem näher genannten Standort in W. Die eingenommenen täglichen Bargeldbeträge verbringe er von der Trafik zunächst zu seinem Wohnort im Sprengel der belangten Behörde und von dort am nächsten Morgen zu seiner Hausbank in S. Abgesehen vom täglichen Transport des Bargelds betreue er den im Außenbereich der Trafik vorhandenen Zigarettenautomaten, hole bei den Wiener Verkehrsbetrieben Fahrscheine und Kurzparkscheine ab und bringe sie in die Trafik. Deren Innenraum verfüge über eine Videoüberwachung; der Revisionswerber sei im Besitz einer Waffenbesitzkarte.
4 Zur Begründung einer Gefahrenlage habe der Revisionswerber ergänzend auf aus Zeitungsartikeln ersichtliche Überfälle auf Trafiken verwiesen. Zudem sei eine persönliche Gefährdung aus einem Überfall auf die Trafik vor etwa drei Jahren und aus einem Raubversuch beim Abholen der Parkscheine und Fahrscheine abzuleiten.
5 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht fallbezogen im Wesentlichen Folgendes aus:
6 Mit der vom Revisionswerber geltend gemachten Möglichkeit eines räuberischen Überfalls außerhalb seiner Betriebsräume könne ‑ ausgehend von der näher zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, wonach selbst der Transport hoher Geldbeträge im Allgemeinenkein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko darstelle ‑ keine einen Bedarf begründende Gefahr dargelegt werden. Zudem liege die Abwehr von gefährlichen Angriffen grundsätzlich bei den Sicherheitsbehörden und sei auch zu berücksichtigen, dass die Bekämpfung einer etwaigen Gefahrensituation durch Waffengewalt zu einer erheblichen Gefährdung Unbeteiligter führen könne. Mit dem Vorbringen zu den Sicherheitsverhältnissen im 12. Wiener Gemeindebezirk, insbesondere am Standort der vom Revisionswerber betriebenen Trafik in der Nähe des M‑Bahnhofes könne ebenso wenig eine besondere Gefährdung dargelegt werden. Hinsichtlich der geltend gemachten Raubüberfälle auf Trafiken selbst sei der Revisionswerber darauf zu verweisen, dass er zur Selbstverteidigung innerhalb seiner Betriebsräume mit der ihm ausgestellten Waffenbesitzkarte das Auslangen finden könne, die ihn dazu berechtige, nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 WaffG eine Waffe bei sich zu haben.
7 Ausgehend von den Leitlinien der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs erfülle der Revisionswerber daher nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Waffenpasses, wie schon die belangte Behörde zutreffend dargelegt habe.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ‑ außerordentliche - Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht zusammengefasst Folgendes geltend:
13 Das angefochtene Erkenntnis verstoße insofern gegen die (näher zitierte) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, als es sich einerseits mit den Umständen des Einzelfalls, nämlich insbesondere der Behinderung des Revisionswerbers, die gefährdungserhöhend wirke, nicht ausreichend auseinandergesetzt, und andererseits keine Ermessensentscheidung getroffen habe. Trotz fehlenden Bedarfs könne nämlich ein Waffenpass als Ergebnis einer positiven Ermessensentscheidung zu Gunsten des Antragstellers ausgestellt werden, was gerade im vorliegenden Fall wegen der körperlichen Behinderung des Revisionswerbers besondere Relevanz habe.
14 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicherBedeutung zu lösen hätte.
15 Hinsichtlich der für die Ausstellung eines Waffenpasses maßgebenden Rechtslage wird zunächst gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG auf VwGH 21.1.2019, Ro 2018/03/0056, verwiesen. Hervorzuheben ist Folgendes:
16 Es ist allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hiebei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine solche Waffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl. in diesem Sinne etwa auch VwGH 21.12.2017, Ra 2017/03/0102, mwN).
17 Zur vom Revisionswerber angesprochenen Möglichkeit eines räuberischen Überfalls (auch außerhalb von Betriebsräumlichkeiten) hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass die Durchführung von Geldtransporten (auch in den Abendstunden) und selbst das Mitführen sehr hoher Geldbeträge nicht schon an sich eine Gefahr darstellt, die einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen begründet. Klargestellt wurde dabei, dass die Notwendigkeit des Transports von Geldbeträgen im Allgemeinen kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko bedeutet; liegt mit Rücksicht auf die maßgebenden örtlichen und zeitlichen Umstände (unbeschadet der für jedermann bestehenden Gefahr, auch zur Tageszeit und in Gebieten mit günstigen Sicherheitsverhältnissen allenfalls das Opfer eines räuberischen Überfalls zu werden) kein erhöhtes Sicherheitsrisiko vor, fehlt es an einem Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2018/03/0132, mwN).
18 Die Abwehr von gefährlichen Angriffen (sei es auf Leib und Leben, sei es auf fremdes Eigentum) liegt grundsätzlich bei den Sicherheitsbehörden und der Sicherheitsexekutive, weshalb es regelmäßig zuzumuten ist, gegebenenfalls die Sicherheitsbehörden zu verständigen, anstatt sich aus eigenen Stücken in (mutmaßliche) Gefahrensituationen zu begeben. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass die Bekämpfung einer etwaigen Gefahrensituation durch Waffengewalt zu einer erheblichen Gefährdung Unbeteiligter führen und der Versuch, Gefahrensituationen mit Waffengewalt hintanzuhalten, eine Erhöhung der Gefährlichkeit solcher Situationen mit sich bringen kann (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2018/03/0132; 26.4.2019, Ra 2019/03/0045, jeweils mwN).
19 Gemäß § 10 WaffG sind bei der Anwendung einer im WaffG enthaltenen Ermessensbestimmung „private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen“, „als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist“. Zu dem somit auch bezüglich der Ermessensbestimmungen des WaffG gesetzlich vorgegebenen strengen Maßstab, der sich aus dem dem WaffG allgemein zu Grunde liegenden, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahren ergibt (vgl. etwa VwGH 22.11.2017, Ra 2017/03/0082), und der konsequenterweise auch eine restriktive Handhabung der Ermessensbestimmung in § 21 Abs. 2 WaffG verlangt, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zum Ausdruck gebracht, dass eine vom Antragsteller bloß geltend gemachte Zweckmäßigkeit einem Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG nicht nahekommen kann und damit im Lichte des § 6 der 2. Waffengesetz‑DurchführungsV dann kein privates Interesse gegeben ist, welches die Ausstellung eines Waffenpasses rechtfertigen könnte; das Ermessen darf daher nur im Rahmen privater Interessen ausgeübt werden, die einem Bedarf nahe kommen (vgl. VwGH 7.9.2018, Ra 2018/03/0097; 22.11.2017, Ra 2017/03/0082).
20 Die nach dieser Judikatur maßgebenden Leitlinien hat das Verwaltungsgericht ‑ entgegen dem Vorbringen der Revision ‑ nicht überschritten:
21 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich schon mehrfach mit Anträgen von Tabaktrafikanten auf Ausstellung eines Waffenpasses auseinandergesetzt (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2018/03/0132; 30.9.2010, 2007/03/0138, je mwN). Dabei wurde klargestellt, dass die Notwendigkeit des Transports von Geldbeträgen wie auch von geldwerten Objekten ebenso wie das Erfordernis der Betreuung „dislozierter“ Automaten im Allgemeinen kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko begründet.
22 Das Vorbringen der Revision, die körperliche Behinderung des Revisionswerbers beeinträchtige seine Verteidigungsfähigkeit und hätte bei Beurteilung des Bedarfs besonders gewichtet und zu einer Stattgebung des Antrags führen müssen, ist nicht zielführend: Der Aktenlage nach weist der Revisionswerber einen Gesamtgrad der Behinderung von 20 % auf, leidet an Adipositas samt gewichtsbedingten Abnützungen des Bewegungsapparats „mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades“; seine Gesamtmobilität bzw. sein Gangbild werden im Gutachten mit „behäbig, schwerfällig, sicher“ beschrieben. Vor diesem Hintergrund kann nicht gesehen werden, dass sich die Situation des Revisionswerbers hinsichtlich einer iSd § 22 Abs. 2 Z 1 WaffG maßgeblichen Gefährdung von der anderer Inhaber von Tabaktrafiken abheben würde und eine andere Beurteilung des Bedarfs erfordert hätte.
23 Ebenso wenig zielführend ist das Revisionsvorbringen zur Ermessensentscheidung: Die belangte Behörde hatte in ihrem Bescheid vom 22. Oktober 2019 ausdrücklich auch eine Ermessensentscheidung vorgenommen und diese im Wesentlichen mit dem hohen öffentlichen Interesse an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Schusswaffen verbundenen Gefahren begründet. Die gegen den behördlichen Bescheid gerichtete Beschwerde wandte sich nicht näher gegen dessen Ermessensentscheidung. Wenn das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund auf Basis des festgestellten Sachverhalts die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Waffenpasses ‑ insgesamt ‑ verneint hat, kommt dem von der Revision geltend gemachten, in der Unterlassung einer näheren Auseinandersetzung mit der behördlichen Ermessensentscheidung liegenden Verfahrensmangel keine Relevanz zu, zumal nach dem oben Gesagten eine positive Ermessensentscheidung voraussetzt, dass die geltend gemachten privaten Interessen einem Bedarf nahe kommen.
24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 29. Juli 2020
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