Normen
AMD-G 2001 §61 Abs1
AMD-G 2001 §62 Abs1
VwGVG 2014 §28
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022030038.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Verwaltungsgericht ‑ in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides der belangten Behörde vom 11. Februar 2020 ‑ gemäß §§ 60, 61 Abs. 1 und 62 Abs. 1 Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (AMD‑G) in der Fassung BGBl. I Nr. 86/2015 fest, dass die Revisionswerberin die Bestimmung des § 10 Abs. 7 AMD‑G in der Fassung BGBl. I Nr. 86/2015 dadurch verletzt habe, dass sie die erfolgte Änderung in den Eigentumsverhältnissen einer indirekten Muttergesellschaft der Revisionswerberin, nämlich die Übernahme von 9,6 % der Anteile durch eine weitere Gesellschaft, nicht binnen zwei Wochen ab Rechtswirksamkeit der Abtretung oder Anteilsübernahme der Regulierungsbehörde angezeigt habe, und stellte weiters gemäß § 62 Abs. 4 AMD‑G fest, dass es sich bei dieser Rechtsverletzung um keine schwerwiegende Verletzung des AMD‑G handle. Weiters erklärte das Verwaltungsgericht die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis als zulässig.
2 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Revisionswerberin Inhaberin von Zulassungen zur Veranstaltung zweier Satellitenfernsehprogramme sei, die im Spruch genannte Anteilsübertragung der Regulierungsbehörde am 15. Juli 2019 von einer anderen Konzerngesellschaft angezeigt worden sei und der Konzern von der Übertragung der Geschäftsanteile am 29. Mai 2019 Kenntnis erlangt habe.
3 In rechtlicher Hinsicht prüfte das Verwaltungsgericht zunächst die anzuwendende Rechtslage, weil die als verletzt festgestellte Vorschrift des § 10 Abs. 7 AMD‑G mit der Novelle BGBl. I Nr. 150/2020 mit Wirkung zum 1. Jänner 2021 ‑ somit nach Erlassung des angefochtenen Bescheides und nach Verwirklichung des diesem zu Grunde liegenden Sachverhaltes ‑ geändert worden und nunmehr für die Revisionswerberin mutmaßlich günstiger sei: Während § 10 Abs. 7 AMD‑G in der Fassung BGBl. I Nr. 86/2015 den Fernsehveranstalter verpflichte, Änderungen der Eigentums- oder Mitgliederverhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt der Zulassung binnen zwei Wochen ab Rechtswirksamkeit der Abtretung oder Anteilsübertragung der Regulierungsbehörde anzuzeigen, sehe diese Bestimmung in der nunmehr geltenden Fassung BGBl. I Nr. 150/2020 lediglich eine Übermittlung der aktualisierten Daten an die Regulierungsbehörde hinsichtlich der direkten und indirekten Eigentumsverhältnisse, Adresse und Vertretungsbefugnis jedenfalls jährlich bis zum 31. Dezember jedes Jahres und nur unter näher bestimmten weiteren Voraussetzungen eine zusätzliche Meldung binnen vier Wochen ab Rechtswirksamkeit der Änderung vor.
Die Textierung des § 62 AMD‑G („Die Entscheidung der Regulierungsbehörde besteht in der Feststellung, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes verletzt worden ist. [..]“) lasse grundsätzlich keinen Zweifel daran, dass es sich um ein Verfahren zur Feststellung einer Verletzung einer konkreten Bestimmung des AMD‑G durch einen Mediendiensteanbieter zu einem konkreten Zeitpunkt bzw. Zeitraum handle. Schon aus diesen Erwägungen ergebe sich, dass sich die Feststellung einer Verletzung einer bestimmten Vorschrift des AMD‑G durch einen bestimmten Mediendiensteanbieter in einem bestimmten (in der Vergangenheit liegenden) Zeitraum bzw. zu einem bestimmten (in der Vergangenheit liegenden) Zeitpunkt auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung, also auch eine bestimmte, zu diesem Zeitpunkt in Geltung stehende Fassung des AMD‑G beziehen müsse. Dies entspreche auch der näher dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Sach- und Rechtslage bei Feststellungsbescheiden.
Es sei somit ‑ trotz zwischenzeitiger Änderung der Rechtslage in Bezug auf § 10 Abs. 7 AMD‑G ‑ für das gegenständliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht unverändert § 10 Abs. 7 AMD‑G in der Fassung des Zeitpunktes der Feststellung der Rechtsverletzung, somit BGBl. I Nr. 86/2015, heranzuziehen.
4 In der Sache erwog das Verwaltungsgericht mit eingehender Begründung, dass § 10 Abs. 7 AMD-G in der Fassung BGBl. I Nr. 86/2015 sämtliche Anteilsübertragungen selbst an nur indirekt am Mediendiensteanbieter beteiligten Kapitalgesellschaften in die Anzeigepflicht einbeziehe und eine Beschränkung der Anzeigepflicht auf „wesentliche“ Anteilsübertragungen ‑ wie es die Revisionswerberin fordere ‑ ausscheide. Soweit sie weiters vorbringe, dass die Anzeigepflicht lediglich im zumutbaren Ausmaß bestehe, sei ihr zu entgegen, dass Mediendiensteanbieter letztlich dafür Sorge zu tragen hätten, dass sie ihrer Anzeigepflicht nachkommen können. Insofern könne der Umstand, dass komplexe Eigentümer- und Konzernstrukturen errichtet und eine Börsennotierung der Muttergesellschaft des Konzerns herbeigeführt worden seien, nicht zu einer Befreiung von der Anzeigepflicht führen.
5 Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu fehle, welche Rechtslage das Verwaltungsgericht in Beschwerdeverfahren gegen Bescheide anzuwenden habe, mit denen gemäß § 62 AMD‑G die Verletzung spezifischer Bestimmungen des AMD‑G zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung festgestellt werde, die als verletzt festgestellte Bestimmung jedoch in ihrer zum Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtes in geänderter bzw. novellierter Form in Geltung stehenden Fassung für die beschwerdeführende Partei allenfalls günstiger wäre.
6 Gegen dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die zur Frage ihrer Zulässigkeit die dargestellte, vom Verwaltungsgericht diesbezüglich formulierte Rechtsfrage wiederholt und deren Relevanz für potenzielle weitere Verfahren näher ausführt.
7 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie beantragt, die Revision zurück-, in eventu abzuweisen.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. VwGH 26.3.2021, Ro 2020/03/0004, mwN).
12 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ‑ auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision ‑ bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. etwa VwGH 26.3.2021, Ra 2021/03/0017).
13 Eine solche Konstellation liegt hier vor, weil die vom Verwaltungsgericht und der Revision zur Begründung der Zulässigkeit einzig angesprochene Rechtsfrage mittlerweile im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 2022, Ra 2022/03/0015, ausdrücklich geklärt wurde:
Demnach hat das Verwaltungsgericht zwar im Allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung seiner Entscheidung geltende Recht anzuwenden, eine andere Betrachtungsweise hat aber - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Regelung etwa in einer Übergangsbestimmung - dann Platz zu greifen, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Wenn § 62 Abs. 1 AMD‑G normiert, dass die zu treffende Entscheidung in der Feststellung besteht, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes „verletzt worden ist“, weist dies eine zeitraumbezogene Komponente auf: Zu prüfen ist, ob im Zeitpunkt der inkriminierten Handlung bzw. Unterlassung, also des „Sachverhalts“ iSd § 62 Abs. 1 AMD‑G, das AMD‑G verletzt wurde. Die allfällige Feststellung der Rechtsverletzung hat sich daher auf den - regelmäßig in der Vergangenheit liegenden - Zeitpunkt bzw. Zeitraum der Tathandlung zu beziehen.
14 Davon ausgehend, dass nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes zumindest bis zur Entscheidung der belangten Behörde seitens der Revisionswerberin keine Anzeige nach § 10 Abs. 7 AMD‑G zu den inkriminierten Eigentumsübertragung erstattet worden sei und das Verwaltungsgericht daher wie die belangte Behörde eine zu diesem Zeitpunkt noch andauernde Rechtsverletzung angenommen hat (vgl. dazu erneut VwGH 24.5.2022, Ra 2022/03/0015, Rn 27, 28), steht die Heranziehung der Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde durch das Verwaltungsgericht mit dieser Rechtsprechung in Einklang.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 7. Juni 2022
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