Normen
ASVG §420 Abs5
ASVG §420 Abs5 litb
ASVG §553 Abs7
BezügeG 1972
BezügeG 1972 §24
BezügeG 1972 §28
BezügeG 1972 §29
PG 1965
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021080013.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Österreichische Gesundheitskasse hat der Erstrevisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Antrag der Österreichischen Gesundheitskasse auf Kostenersatz wird abgewiesen.
Begründung
1 Die Erstrevisionswerberin war mit A. F. bis zu dessen Tod am 10. August 2013 verheiratet. A. F. stand in einem der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterliegenden Dienstverhältnis, war von September 1977 bis November 1990 Abgeordneter zum Nationalrat und von 1978 bis 31. März 1993 Obmann der Betriebskrankenkasse voestalpine Bahnsysteme (BKK‑VB), deren Rechtsnachfolgerin aufgrund des Sozialversicherungs‑Organisationsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2018, seit 1. Jänner 2020 die Österreichische Gesundheitskasse (die Zweitrevisionswerberin) ist (§ 718 Abs. 8 und Abs. 8a ASVG). Nach Beendigung dieser Funktionen bezog A. F. eine Alterspension nach dem ASVG und einen Ruhebezug nach dem Bezügegesetz sowie bis 31. März 1994 in Teilbeträgen eine Abfertigung. Seit dem Tod des A. F. bezieht die Erstrevisionswerberin eine Alterspension und eine Witwenpension nach dem ASVG sowie einen Witwenversorgungsbezug nach §§ 28 und 29 Bezügegesetz.
2 Die Erstrevisionswerberin beantragte bei der BKK‑VB die Erlassung eines Bescheides „mit Berechnungsmodus“ bezüglich der Entschädigungen nach § 420 Abs. 5 ASVG (idF am 31. Dezember 1993), die ihrem verstorbenen Ehemann A. F. bis zu seinem Tod zugestanden seien sowie ihr selbst als Hinterbliebene zustünden.
3 Mit Bescheid vom 22. März 2018 sprach die BKK-VB über die Entschädigungen nach § 420 Abs. 5 ASVG (idF am 31. Dezember 1993) zum einen des A. F. in der Zeit von April 1994 bis August 2013 und zum anderen der Erstrevisionswerberin als Hinterbliebene von September 2013 bis September 2017 ab. Dazu stellte die BKK‑VB monatlich gestaffelt die Höhe der Entschädigungen, die von den monatlichen Entschädigungen (aufgrund von Ruhe‑, Versorgungs- und Pensionsbezügen) in Abzug zu bringenden Beträge und die sich daraus ergebenden auszuzahlenden Beträge fest und sprach aus, dass hinsichtlich der Entschädigungen des A. F. für die Zeit von April 1994 bis August 2013 sich somit insgesamt ein auszuzahlender Betrag von € 6.740,02 ergebe, die Erstrevisionswerberin als Hinterbliebene für September 2013 bis September 2017 jedoch keinen Anspruch auf Auszahlung einer Entschädigung habe.
4 Begründend führte die BKK‑VB aus, die Entschädigung des A. F. habe sich rechnerisch im Jahr 1994 auf monatlich ATS 14.877 und ‑ nach jährlicher Valorisierung ‑ zum Zeitpunkt seines Todes im Jahr 2013 auf monatlich € 1.631,34 belaufen. Der Erstrevisionswerberin als Hinterbliebener stehe dem Grunde nach 60 % der Entschädigung des Verstorbenen zu. Daraus ergebe sich rechnerisch eine Entschädigung der Erstrevisionswerberin im Jahr 2013 von € 978,80, 2014 von € 998,53, 2015 von € 1.016,57, 2016 von € 1.028,98 und 2017 von € 1.040,97. Aus § 14 der Grundsätze des Bundesministers für Arbeit und Soziales für die Gewährung von Entschädigungen an die Mitglieder von Verwaltungskörpern der Sozialversicherungsträger (Entschädigungsgrundsätze ‑ EG) sei jedoch abzuleiten, dass auf die Entschädigungen Ruhe- und Versorgungsbezüge nach dem Bezügegesetz soweit anzurechnen seien, als diese allein oder gemeinsam mit Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung in Summe die ASVG‑Höchstpension überschritten. Dies entspreche auch einer vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger mitgeteilten Rechtsansicht. Infolge dieser Anrechnung ergebe sich nur in einzelnen (näher bezeichneten) Monaten ein Anspruch auf Auszahlung der vor dem Tod des A. F. angefallenen Entschädigungen. Nach dem Tod des A. F. hätten die anzurechnenden Beträge die der Erstrevisionswerberin als Hinterbliebener zustehenden Entschädigungen in jedem Monat überstiegen, sodass es zu keiner Auszahlung zu kommen habe.
5 In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte die Erstrevisionswerberin vor, aus § 14 der Entschädigungsgrundsätze könne wohl abgeleitet werden, dass Ruhe- und Versorgungsbezüge nach dem Bezügegesetz insoweit auf die Entschädigungen anzurechnen seien, als diese die ASVG‑Höchstpension überstiegen. Die Annahme der BKK‑VB, es hätte zur Ermittlung, ob bzw. in welchem Ausmaß die ASVG‑Höchstpension überschritten werde, eine Zusammenrechnung mit Pensionen nach dem ASVG zu erfolgen, sei mit dem Wortlaut der Bestimmung jedoch nicht in Einklang zu bringen.
6 Zur Vorgeschichte wird im Übrigen auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Mai 2019, Ra 2019/08/0001, verwiesen. Mit diesem hat der Verwaltungsgerichtshof den im ersten Rechtsgang ergangenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Erstrevisionswerberin wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen hatte, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführte, liegt entgegen der vom Bundesverwaltungsgericht im ersten Rechtsgang vertretenen Ansicht keine Leistungssache im Sinn des § 354 ASVG, sondern eine Verwaltungssache im Sinn des § 355 ASVG vor und war die Beschwerde der Revisionswerberin zulässig.
7 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus, in Stattgebung der Beschwerde der Erstrevisionswerberin werde der Bescheid der BKK‑VB aufgehoben und festgestellt, dass der Erstrevisionswerberin ab September 2013 bis laufend Entschädigungsleistungen „nach § 14 Entschädigungsgrundsätze ‑ EG in der gesetzlichen Höhe“ gebührten, wobei die von ihr bezogene ASVG-Pension und der „von ihr bezogene Ruhebezug eines Mitgliedes des Nationalrates“ bei der Anwendung der Bestimmung des § 14 Abs. 1 und 2 Entschädigungsgrundsätze außer Betracht zu bleiben hätten. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig.
8 In seiner Begründung gab das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen den Akteninhalt und den eingangs dargestellten unstrittigen Sachverhalt wieder und folgerte in rechtlicher Hinsicht, aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 3 Z 2 Entschädigungsgrundsätze ergebe sich, dass Ruhe‑ und Versorgungsbezüge von öffentlich‑rechtlichen Gebietskörperschaften, somit auch ein Ruhebezug aus einer Tätigkeit als Mitglied des Nationalrates, auf die Entschädigungsleistungen nicht anzurechnen seien. Die Berechnung der Entschädigungen durch die BKK‑VB sei daher verfehlt, sodass sich die Beschwerde der Erstrevisionswerberin als berechtigt erweise.
9 Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Anrechnung von Pensionsleistungen bzw. Ruhebezügen aufgrund einer Tätigkeit als Mitglied des Nationalrates auf die Entschädigungen fehle.
10 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die Revisionen. Zur Revision der Erstrevisionswerberin wurde vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine Revisionsbeantwortung erstattet. Zur Amtsrevision der Österreichischen Gesundheitskasse hat die Erstrevisionswerberin als Mitbeteiligte dieses Revisionsverfahrens eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Österreichische Gesundheitskasse verweist zur Zulässigkeit ihrer Revision im Wesentlichen auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts. Die bislang vom Verwaltungsgerichtshof zu Entschädigungen nach § 420 Abs. 5 ASVG ergangene Rechtsprechung habe nicht die Berechnung der Leistung betroffen. Die Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht entspreche nicht der Intention des Gesetzgebers.
13 Die Erstrevisionswerberin erklärt, das in Revision gezogene Erkenntnis insoweit anzufechten, als mit diesem der Bescheid der BKK‑VB vom 22. März 2018 (zur Gänze) aufgehoben worden sei, der Erstrevisionswerberin als Gesamtrechtsnachfolgerin des A. F. jedoch Entschädigungsleistungen nicht zuerkannt worden seien, die für A. F. von 1. April 1993 bis 10. August 2013 angefallen seien. Unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision bringt sie vor, das Bundesverwaltungsgericht habe nicht über das, was Inhalt des bei ihm bekämpften Bescheides gewesen sei, abgesprochen. Gegenstand des Verfahrens der BKK-VB seien - neben den der Erstrevisionswerberin als Hinterbliebener zustehenden Entschädigungen - nämlich auch die Entschädigungen des A. F. von April 1994 bis zu seinem Tod am 10. August 2013 gewesen.
14 Die Revisionen sind zulässig und im Ergebnis berechtigt.
15 § 553 Abs. 4, 5 und 7 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 lautet:
„(4) Präsident und Vizepräsidenten des Hauptverbandes, Obmänner, Obmann‑Stellvertreter sowie Vorsitzende und Vorsitzenden-Stellvertreter der Überwachungsausschüsse und der Landesstellenausschüsse, die nach dem 31. Dezember 1993 weiterhin eine solche Funktion ausüben, haben weiterhin Anspruch auf Anwartschaften (Pension) nach den Bestimmungen des § 420 Abs. 5 und den darauf beruhenden Rechtsvorschriften in der am 31. Dezember 1993 in Geltung gestandenen Fassung.
(5) Den in Abs. 4 genannten Personen, deren Anwartschaften zum 31. Dezember 1993 nach den Bestimmungen des § 420 Abs. 5 und den darauf beruhenden Rechtsvorschriften in der zu diesem Zeitpunkt in Geltung gestandenen Fassung erfüllt sind, bleibt der Anspruch auf Anwartschaften (Pension) nach diesen Bestimmungen gewahrt.
(7) Die Bestimmungen des § 420 Abs. 5 in der am 31. Dezember 1993 in Geltung gestandenen Fassung und die darauf beruhenden Rechtsvorschriften sind, soweit sie sich auf Entschädigungsleistungen an ausgeschiedene Funktionäre und deren Hinterbliebene beziehen, auf die im Abs. 4 angeführten, aber aus ihrer Funktion bis spätestens zum Ende der Amtsdauer der alten Verwaltungskörper ausgeschiedenen Personen sowie deren Hinterbliebene weiterhin anzuwenden.“
16 Der gemäß § 553 Abs. 5 und 7 ASVG auf den dort genannten Personenkreis weiterhin anzuwendende § 420 Abs. 5 ASVG in der am 31. Dezember 1993 in Geltung gestandenen Fassung (davor zuletzt geändert mit BGBl. Nr. 111/1986) lautet:
„(5) Die Mitglieder der Verwaltungskörper versehen ihr Amt auf Grund einer öffentlichen Verpflichtung als Ehrenamt; ihre Tätigkeit in Ausübung dieses Amtes begründet kein Dienstverhältnis zum Versicherungsträger. Den Mitgliedern der Verwaltungskörper, ferner den aus ihrer Funktion ausgeschiedenen Obmännern, Obmann-Stellvertretern, Vorsitzenden und Vorsitzenden-Stellvertretern der Überwachungsausschüsse, Vorsitzenden und Vorsitzenden-Stellvertretern der Landesstellenausschüsse sowie den Hinterbliebenen der genannten Funktionäre können jedoch Entschädigungen gewährt werden. Die Entscheidung über die Gewährung der Entschädigungen sowie über ihr Ausmaß obliegt dem Vorstand. Der Bundesminister für soziale Verwaltung hat hiefür nach Anhörung des Hauptverbandes Grundsätze aufzustellen und für verbindlich zu erklären; in diesen Grundsätzen sind einheitliche Höchstsätze für Reisekostenentschädigungen und Sitzungsgelder sowie unter Berücksichtigung des örtlichen Wirkungsbereiches, der Zahl der Versicherten und der Dauer der Funktionsausübung
a) Höchstsätze für die Funktionsgebühren der Mitglieder der Verwaltungskörper festzusetzen und
b) das Höchstausmaß und die Voraussetzungen für die Gewährung von Entschädigungen an ausgeschiedene Funktionäre bzw. deren Hinterbliebene in der Weise zu regeln, daß die Gewährung der Entschädigung unter Bedachtnahme auf die Richtlinien für die pensionsrechtlichen Verhältnisse der Sozialversicherungsbediensteten von der Erreichung eines bestimmten Anfallsalters sowie von einer Mindestdauer der Ausübung der Funktion abhängig gemacht wird; ferner ist vorzusehen, daß auf die Entschädigung alle Einkünfte des ausgeschiedenen Funktionärs bzw. der Hinterbliebenen mit Ausnahme der Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung anzurechnen sind; nicht anzurechnen ist ferner ein Ruhe- oder Versorgungsgenuß von einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft, insoweit er nach Art und Ausmaß mit einer Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung vergleichbar ist.
§ 107 Abs. 4 gilt entsprechend.“
17 Der Bundesminister für Arbeit und Soziales erließ auf Grundlage von § 420 Abs. 5 ASVG Grundsätze „für die Gewährung von Entschädigungen an die Mitglieder von Verwaltungskörpern der Sozialversicherungsträger (Entschädigungsgrundsätze ‑ EG)“. Abschnitt III der Entschädigungsgrundsätze (§§ 9 bis 23) enthält Bestimmungen betreffend Entschädigungen an Mitglieder von Verwaltungskörpern der Sozialversicherungsträger, die aus ihrem Amt ausgeschieden sind, sowie an die Hinterbliebenen dieser Personen. § 14 der Entschädigungsgrundsätze in der am 31. Dezember 1993 in Geltung gestandenen Fassung lautet:
„§ 14. (1) Auf alle Entschädigungsleistungen nach Abschnitt III dieser Grundsätze sind Einkünfte nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen anzurechnen.
(2) Unter Einkünften ist der Gesamtbetrag dessen zu verstehen, was dem Empfänger einer Entschädigungsleistung in Geld oder Geldeswert zufließt, nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlichen Abzüge.
(3) Bei der Anwendung der Abs. 1 und 2 haben außer Betracht zu bleiben:
1. Pensionsleistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung;
2. Ruhe‑ und Versorgungsbezüge von öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften, soweit diese ihrem Ausmaß nach mit einer Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung vergleichbar sind;
3. die im § 292 Abs. 4 lit. d, i und m des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes genannten Bezüge.“
18 Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass A. F. aufgrund seiner bis 31. März 1993 ausgeübten Tätigkeit als Obmann der BKK‑VB Ansprüche auf Entschädigungen nach § 420 Abs. 5 ASVG (idF am 31. Dezember 1993) dem Grunde nach erworben hat und nach seinem Ausscheiden aus der Funktion ihm bzw. der Erstrevisionswerberin als seiner Hinterbliebenen diese Ansprüche gemäß § 553 Abs. 7 ASVG erhalten geblieben sind. Nicht in Zweifel gezogen wurde von der BKK‑VB im Übrigen, dass die Erstrevisionswerberin als Rechtsnachfolgerin des A. F. berechtigt ist, auch die Auszahlung der Entschädigungsleistungen des A. F., die (allenfalls) vor seinem Tod offengeblieben sind, zu begehren. Strittig ist jedoch, ob bzw. in welchem Ausmaß eine Anrechnung der Pensions- und Ruhebezüge des A. F. bzw. der Erstrevisionswerberin auf die Entschädigungen stattzufinden hat.
19 Es ist nicht zweifelhaft, dass als „Ruhe‑ und Versorgungsbezüge von öffentlich‑rechtlichen Gebietskörperschaften“ im Sinn von § 420 Abs. 5 lit. b ASVG (idF am 31. Dezember 1993) ‑ in Abgrenzung zu Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung ‑ insbesondere auch die Ruhebezüge nach §§ 24 ff Bezügegesetz bzw. die Versorgungsbezüge der Hinterbliebenen nach §§ 28 und 29 Bezügegesetz, zu verstehen sind. § 14 Abs. 3 Z 2 Entschädigungsgrundsätze, der anordnet, dass auf Entschädigungsleistungen nach Abschnitt III „Ruhe‑ und Versorgungsbezüge von öffentlich‑rechtlichen Gebietskörperschaften“ insoweit nicht anzurechnen sind, soweit sie „ihrem Ausmaß nach“ mit einer Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung vergleichbar sind, stellt eine Wiederholung der gesetzlichen Vorgaben des § 420 Abs. 5 lit. b ASVG dar.
20 Schon aus dem klaren Wortlaut des § 420 Abs. 5 lit. b ASVG folgt, dass ‑ entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ‑ eine Anrechnung der Einkünfte nicht jedenfalls zu unterbleiben hat, sondern davon abhängig ist, ob ein solcher Ruhe- oder Versorgungsbezug „seinem Ausmaß“ ‑ somit seiner Höhe ‑ nach im Rahmen einer Pension der gesetzlichen Sozialversicherung bleibt. Dieses „Ausmaß“ ist in § 420 Abs. 5 lit. b ASVG (und auch in § 14 Abs. 3 Z 2 Entschädigungsgrundsätze) nicht ausdrücklich definiert. Richtigerweise ist aber ‑ wovon beide Parteien dem Grundsatz nach ausgegangen sind ‑ eine Vergleichbarkeit mit einer Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung jedenfalls dann dem Ausmaß nach nicht mehr gegeben, wenn die ASVG‑Höchstpension, somit die höchste zeitraumbezogen nach den Vorschriften des ASVG zu erzielende Alterspension, überschritten wird.
21 Mit Blick auf den vorliegenden Fall ist zu beachten, dass die Erstrevisionswerberin einerseits als Hinterbliebene ihres verstorbenen Ehegatten A. F. einen monatlichen Witwenversorgungsbezug nach §§ 28 und 29 Bezügegesetz sowie andererseits eine Alterspension und eine Witwenpension nach dem ASVG bezieht. A. F. bezog neben dem Ruhebezug nach dem Bezügegesetz eine Alterspension nach dem ASVG. Sowohl nach den Feststellungen der BKK‑VB in ihrem Bescheid als auch nach dem Vorbringen der Erstrevisionswerberin in ihrer Beschwerde haben die monatlichen Ruhebezüge des A. F. nach dem Bezügegesetz die ASVG‑Höchstpension in einzelnen Zeiträumen zwischen April 1994 und August 2013 (geringfügig) überschritten, während der Witwenversorgungsbezug der Erstrevisionswerberin nach dem Bezügegesetz durchgehend unter der ASVG-Höchstpension geblieben ist. Die Summen der jeweiligen Pensionen nach dem ASVG und der Leistungen nach dem Bezügegesetz haben die ASVG‑Höchstpension jedoch in jedem Monat ‑ teilweise deutlich ‑ überstiegen. Ausgehend von diesem unstrittigen Sachverhalt ist somit zu klären, ob bei Beurteilung, ob die Ruhe‑ und Versorgungsbezüge im Sinn des § 420 Abs. 5 lit. b ASVG ihrem „Ausmaß“ nach mit einer Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung vergleichbar sind, isoliert auf diese Leistungen abzustellen ist, wovon die Erstrevisionswerberin ausgeht, oder ob im Sinn der Ausführungen der BKK‑VB Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung ‑ hier somit Alterspensionen und Witwen(r)pensionen nach dem ASVG ‑ in die Beurteilung miteinzubeziehen sind.
22 Hinweise auf die Beantwortung dieser Frage ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien. Die in § 420 Abs. 5 ASVG (idF bis 31. Dezember 1993) vorgesehene Möglichkeit, Entschädigungen auch an ausgeschiedene Funktionäre bzw. deren Hinterbliebene vorzusehen, geht auf die 29. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 31/1973, zurück. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (404 BlgNR 13. GP 128) sollten damit Härten vermieden werden, die durch den Entfall der Entschädigungen nach dem altersbedingten Ausscheiden aus einer Funktion entstünden. Solche Härten seien dann besonders gravierend, wenn die während der Amtszeit gewährte Entschädigung einen erheblichen Teil des Einkommens eines Funktionärs ausgemacht habe, sodass es durch den Entfall zu einer wesentlichen Herabsetzung des Lebensstandards komme. Auf die Entschädigungen solle jedoch eine Anrechnung aller Einkünfte der begünstigten Funktionäre „mit Ausnahme einer allfälligen Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung“ erfolgen.
23 Im Zuge der Beratungen im parlamentarischen Ausschuss für soziale Verwaltung wurde in den in der Folge beschlossenen Gesetzestext gegenüber dem Entwurf der Regierungsvorlage in § 420 Abs. 5 lit. b ASVG die Passage eingefügt, wonach ferner auch „ein Ruhe- oder Versorgungsgenuß von einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft, insoweit er nach Art und Ausmaß mit einer Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung vergleichbar ist“, nicht anzurechnen ist. Eine Erläuterung dazu findet sich im Ausschussbericht (AB 578 BlgNR 13. GP ) nicht.
24 Als Grundsatz gilt nach den Vorgaben des § 420 Abs. 5 lit. b ASVG eine Anrechnung aller Einkünfte auf die Entschädigung (vgl. auch § 14 Abs. 1 und 2 Entschädigungsgrundsätze). Wie sich auch aus den zitierten Materialien ergibt, wonach die Vermeidung von „Härten“ beabsichtigt war, sollten die Entschädigungen an ausgeschiedene Funktionäre bzw. deren Hinterbliebene somit grundsätzlich nur Personen zugutekommen, deren Lebensunterhalt nicht ohnehin bereits aus anderen Quellen gut abgesichert ist. Die in der Regierungsvorlage vorgesehene Ausnahme von der Anrechnung lediglich für Pensionsleistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung hätte dazu geführt, dass sämtliche anderen der Altersversorgung dienenden Leistungen wie insbesondere die Pensionen der Bundesbeamten nach dem Pensionsgesetz 1965 bzw. der Landesbeamten nach den Pensionsgesetzen der Länder und ihrer Hinterbliebenen oder ‑ wie vorliegend maßgeblich ‑ die Ruhe‑ und Versorgungsbezüge nach dem Bezügegesetz zur Gänze auf die Entschädigungen anzurechnen gewesen wären. Die in § 420 Abs. 5 lit. b ASVG eingefügte Ergänzung, wonach derartige Leistungen nicht anzurechnen sind, soweit „nach Art und Ausmaß“ eine Vergleichbarkeit mit einer Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung besteht, sollte offensichtlich die Bezieher dieser Leistungen mit Personen, die (ausschließlich) eine Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung beziehen, hinsichtlich des Ausmaßes der durch die Entschädigungen gewährten Absicherung im Alter gleichstellen. Eine Bevorzugung dieses Personenkreises war erkennbar dagegen nicht beabsichtigt. Vor diesem Hintergrund ist der Zweitrevisionswerberin zuzustimmen, dass Ruhe- und Versorgungsbezüge im Sinn von § 420 Abs. 5 lit. b ASVG und § 14 Abs. 3 Z 2 Entschädigungsgrundsätze bereits dann ihrem Ausmaß nach nicht mehr mit den Pensionsbezügen aus der gesetzlichen Sozialversicherung als vergleichbar anzusehen sind, soweit sie in Summe mit den Pensionsbezügen aus der gesetzlichen Sozialversicherung die ASVG‑Höchstpension überschreiten.
25 Anzurechnen auf die Entschädigungen nach § 420 Abs. 5 ASVG (idF am 31. Dezember 1993) ist somit jener Teil der Ruhe‑ und Versorgungsbezüge von öffentlich‑rechtlichen Gebietskörperschaften, der allein oder in Summe mit den Pensionsbezügen aus der gesetzlichen Sozialversicherung die ASVG‑Höchstpension ‑ somit die höchste zeitraumbezogen aus der gesetzlichen Sozialversicherung erzielbare Alterspension ‑ überschreitet.
26 Die Erstrevisionswerberin zeigt ‑ im Ergebnis zutreffend ‑ eine weitere Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat das Verwaltungsgericht nämlich (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) und die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt ist, „in der Sache selbst“ zu entscheiden. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsgericht über den Inhalt der vor der Verwaltungsbehörde behandelten Rechtssache abspricht, wobei sie entweder die Beschwerde gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid abweist oder dieser durch seine Entscheidung Rechnung trägt. Das Verwaltungsgericht hat somit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, über die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. etwa VwGH 25.9.2019, Ra 2018/09/0211, mwN).
27 Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend den bei ihm angefochtenen Bescheid der BKK‑VB nicht nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG mit Beschluss aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen, sondern mit Erkenntnis in der Sache entschieden. Dabei wäre aber im Sinn der dargestellten Rechtsprechung über die Angelegenheit abzusprechen gewesen, die Inhalt des Bescheides der BKK‑VB vom 22. März 2018 war. Angelegenheit des Bescheides war der von der Erstrevisionswerberin geltend gemachte Anspruch auf Entschädigungen nach § 420 Abs. 5 ASVG (idF am 31. Dezember 1993), die zum einen für ihren verstorbenen Ehegatten A. F. in der Zeit von April 1994 bis August 2013 und zum anderen für sie als Hinterbliebene von September 2013 bis September 2017 angefallen sind. Darüber wäre vom Bundesverwaltungsgericht ‑ im Fall eines Zuspruchs der Leistungen auch ziffernmäßig ‑ abzusprechen gewesen. Dem wird der Spruch des in Revision gezogenen Erkenntnisses nicht gerecht.
28 Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
29 Von der Durchführung der von der Zweitrevisionswerberin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Der für die Frage der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts relevante Sachverhalt war geklärt. Es waren ausschließlich Rechtsfragen zu lösen, für die eine mündliche Verhandlung durch Art. 6 EMRK nicht geboten ist, zumal das Verwaltungsgericht, ein Tribunal im Sinn der EMRK, eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.
30 Die Entscheidung über den Aufwandersatz der Erstrevisionswerberin beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
31 Die Zweitrevisionswerberin (die Österreichische Gesundheitskasse) hat gemäß § 47 Abs. 4 VwGG im Fall einer Amtsrevision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B‑VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz. Ein solcher kommt aber auch deswegen nicht in Betracht, weil die Zweitrevisionswerberin selbst Rechtsträger im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG ist. Der diesbezügliche Antrag war daher abzuweisen (vgl. VwGH 29.1.2020, Ra 2018/08/0028, mwN).
Wien, am 26. April 2022
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
