Normen
B-VG Art10 Abs1 Z10
B-VG Art102
IEV 1998
IEV 1998 AnlA
IEV 1998 §2 Abs2 Z1
IEV 1998 §2 Abs2 Z2
IEV 1998 §3
VStG §44a Z1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §47 Abs5
VwGG §59
VwGVG 2014 §38
WRG 1959
WRG 1959 §114
WRG 1959 §137 Abs2 Z5
WRG 1959 §32b Abs5
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021070090.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung von Aufwandersatz durch das Land Oberösterreich wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis vom 16. Oktober 2020 sprach die belangte Behörde aus, die S. GmbH habe zumindest in den Zeiträumen von 2. September 2019 bis 6. September 2019, 9. September 2019 bis 13. September 2019 und am 16. September 2019 „eine bewilligungspflichtige Indirekteinleitung (AOX) in eine öffentliche Kanalisation vorgenommen, ohne über eine wasserrechtliche Bewilligung zu verfügen.“ Der Revisionswerber sei als Geschäftsführer der S. GmbH als das nach außen zur Vertretung befugte Organ dafür strafrechtlich verantwortlich.
2 Dadurch habe der Revisionswerber „§§ 137 Abs. 2 Z 5 und 32b WRG 1959 iVm. §§ 2 f Indirekteinleiterverordnung iVm. § 9 Abs. 1 VStG“ verletzt, weshalb die belangte Behörde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von € 3.000,‑‑ (im Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen und 14 Stunden) verhängte.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Es sprach aus, der Revisionswerber habe einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 600,-- zu leisten. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
4 Eingangs seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht fest, die S. GmbH sei aufgrund der Einleitung von Abwässern in die (mit Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 24. November 2000 wasserrechtlich) bewilligte Kanalisation der Gemeinde L. als Indirekteinleiterin im Sinn des § 1 Abs. 3 Z 1 Indirekteinleiterverordnung (IEV) anzusehen.
5 Zum objektiven Tatbestand des § 137 Abs. 2 Z 5 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) führte das Verwaltungsgericht aus, auf Basis der Ausführungen der Amtssachverständigen für Chemie stehe fest, dass die S. GmbH bei der Einleitung von Abwässern den in § 3 Z 1 iVm. Anlage B IEV festgelegten Schwellenwert für Tagesfrachten des gefährlichen Abwasserinhaltsstoffes Adsorbierbare organisch gebundene Halogene (AOX) von gegenständlich 2,75 g/d rechnerisch um 77,25 g/d überschritten habe. Daher sei die Indirekteinleitung gemäß § 2 Abs. 2 Z 2 IEV der Bewilligungspflicht unterlegen. Eine derartige Bewilligung für die Indirekteinleitung liege nicht vor und werde vom Revisionswerber auch nicht behauptet.
6 Dem Vorbringen des Revisionswerbers, dass ausschließlich die Gemeinde L. die Übertretung zu verantworten habe, sei § 137 Abs. 2 Z 5 WRG 1959 entgegenzuhalten, der bereits nach dem Wortlaut denjenigen in die Verantwortung nehme, der die bewilligungspflichtige Indirekteinleitung vorgenommen habe. Im gegenständlichen Verfahren gehe es nicht um eine allfällige Übertretung des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheids (des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 24. November 2000) durch die Gemeinde L., sondern um die Indirekteinleitung ohne erforderliche Bewilligung durch die S. GmbH.
7 Der objektive Tatbestand des § 137 Abs. 2 Z 5 WRG 1959 sei demnach erfüllt, weil die S. GmbH ohne Bewilligung eine gemäß § 32b WRG 1959 iVm. § 2 Abs. 2 Z 2 IEV bewilligungspflichtige Indirekteinleitung vorgenommen habe.
8 Zum Vorbringen des Revisionswerbers, wonach der Spruch des behördlichen Straferkenntnisses vom 16. Oktober 2020 mangels Angabe der konkreten AOX‑Werte, mit welchen der Schwellenwert jeweils überschritten worden sei, nicht ausreichend konkretisiert worden sei, hielt das Verwaltungsgericht fest, dass es darauf auf Basis des verwaltungsstrafrechtlich vorgeworfenen Verhaltens nicht ankomme. Der Tatvorwurf liege in der bewilligungspflichtigen Indirekteinleitung, ohne eine erforderliche Bewilligung zu besitzen. Um wie viel die Überschreitung des Schwellenwertes, welcher letztlich zur Bewilligungspflicht geführt habe, erfolgt sei, sei insofern nicht mehr relevant. Gleiches gelte für die zugrundeliegende Berechnungsmethode der Schwellenwertüberschreitung.
9 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht ‑ mit für den vorliegenden Revisionsfall nicht relevanten Ausführungen zu § 9 Abs. 2 VStG ‑ damit, es sei keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu beurteilen gewesen, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Weder weiche die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehle es an einer Rechtsprechung.
10 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
11 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird zunächst vorgebracht, entgegen der ‑ näher zitierten ‑ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass der Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 16. Oktober 2020 nicht ausreichend konkretisiert sei. In § 2 Abs. 2 Z 2 IEV werde als Voraussetzung für das Entstehen der Bewilligungspflicht einer Indirekteinleitung eine Überschreitung des Schwellenwertes im Sinn des § 3 IEV gefordert. Die Überschreitung des Schwellenwertes bilde daher ein Tatbestandsmerkmal der §§ 137 Abs. 2 Z 5 und 32b WRG 1959 iVm. §§ 2 f IEV. Der im Spruch des Straferkenntnisses vorgehaltene Tatvorwurf, der Revisionswerber habe eine bewilligungspflichtige Indirekteinleitung vorgenommen, erschöpfe sich aber lediglich in der Wiedergabe des gesetzlichen Tatbestands, zumal der (allgemein) zu überschreitende Schwellenwert und der verwirklichte Lebenssachverhalt, also die (konkrete) Überschreitung des Schwellenwerts und deren Ausmaß, nicht umschrieben würden. Dem Revisionswerber sei hierdurch jede Möglichkeit genommen worden, sein inkriminiertes Verhalten den Tatbestandsmerkmalen der verletzten Verwaltungsvorschrift zuzuordnen.
13 Bereits aus diesem Grund erweist sich die Revision als zulässig und begründet.
14 Nach § 44a Z 1 VStG ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird. Die Umschreibung der Tat hat nach ständiger hg. Rechtsprechung bereits im Spruch - und nicht erst in der Begründung - so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist, und sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist (vgl. VwGH 16.12.2021, Ra 2020/02/0225, mwN).
15 Nach dem ‑ von der belangten Behörde der Bestrafung des Revisionswerbers zu Grunde gelegten ‑ § 137 Abs. 2 Z 5 WRG 1959 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ohne Bewilligung oder entgegen einer solchen (unter anderem) eine gemäß § 32b WRG 1959 bewilligungspflichtige Indirekteinleitung vornimmt.
16 Nach § 32b WRG 1959 sind Indirekteinleitungen grundsätzlich bewilligungsfrei (vgl. dazu näher VwGH 26.2.1998, 98/07/0003). Allerdings bestimmt die auf der Grundlage des § 32b Abs. 5 WRG 1959 erlassene IEV jene Indirekteinleitungen, die insbesondere im Hinblick auf ihre Gefährlichkeit einer wasserrechtlichen Bewilligung (im Anzeigeverfahren nach § 114 WRG 1959) bedürfen. Dabei knüpft die Bewilligungspflicht - differenziert nach öffentlichen oder privaten Kanalisationen ‑ an Typus und Menge des Abwassers im Verhältnis zur Vorfluterkläranlage an (vgl. Lindner in Oberleitner/Berger, WRG4 [2018] § 32b Rz 6).
17 Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, dass die S. GmbH im inkriminierten Tatzeitraum eine Indirekteinleitung in die wasserrechtlich bewilligte, öffentliche Kanalisation der Gemeinde L. vorgenommen hat.
18 Nach § 2 Abs. 2 IEV unterliegt eine solche Indirekteinleitung in eine öffentliche Kanalisation der wasserrechtlichen Bewilligungspflicht, wenn das Abwasser der Indirekteinleitung aus einem in Anlage A IEV genannten Herkunftsbereich (oder aus einem Teilbereich desselben) stammt (Z 1) oder ein für das Abwasser in Betracht kommender Schwellenwert gemäß § 3 IEV überschritten (nicht eingehalten) wird (Z 2).
19 § 137 Abs. 2 Z 5 WRG 1959 wird in Hinblick auf eine Indirekteinleitung in eine öffentliche Kanalisation somit erst dann übertreten, wenn eine solche Indirekteinleitung aufgrund des Herrührens ihres Abwassers aus einem in Anlage A IEV genannten Herkunfts(teil)bereich (§ 2 Abs. 2 Z 1 IEV) oder aufgrund des Überschreitens bzw. Nichteinhaltens eines für das Abwasser in Betracht kommenden Schwellenwerts gemäß § 3 IEV (§ 2 Abs. 2 Z 2 IEV) durch die Indirekteinleitung der wasserrechtlichen Bewilligungspflicht unterliegt und eine Bewilligung nicht vorliegt oder nicht eingehalten wird. Auf dem Boden des § 44a Z 1 VStG ist es somit erforderlich, im Spruch des Straferkenntnisses (auch) den im konkreten Fall relevanten Herkunftsbereich des eingeleiteten Abwassers oder die Schwellenwertüberschreitung durch das eingeleitete Abwasser genau zu umschreiben. Nur so wird die Zuordnung der dem Beschuldigten zur Last gelegten bewilligungslosen oder bewilligungsmissachtenden Indirekteinleitung zu § 137 Abs. 2 Z 5 WRG 1959 in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht.
20 Wie der Revisionswerber zutreffend ausführt, erschöpft sich der Spruch des behördlichen Straferkenntnisses vom 16. Oktober 2020 lediglich im Vorwurf, die S. GmbH habe „eine bewilligungspflichtige Indirekteinleitung (AOX) in eine öffentliche Kanalisation vorgenommen, ohne über eine wasserrechtliche Bewilligung zu verfügen“, womit nur der Wortlaut des § 137 Abs. 2 Z 5 WRG 1959 wiedergegeben wird. Damit wird der Spruch des Straferkenntnisses ‑ den das Verwaltungsgericht infolge Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers übernommen hat ‑ dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG jedenfalls nicht gerecht, weil die vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall für relevant erachtete Schwellenwertüberschreitung für Tagesfrachten des gefährlichen Abwasserinhaltsstoffes von AOX durch die Indirekteinleitung der S. GmbH gemäß § 3 Z 1 iVm. Anlage B IEV, die erst die Bewilligungspflicht der Indirekteinleitung nach § 2 Abs. 2 Z 2 IEV auslöste - darin nicht enthalten ist.
21 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seiner Inhalts aufzuheben. Auf das übrige Revisionsvorbringen war nicht näher einzugehen.
22 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
23 Die Vollziehung des WRG 1959 erfolgt in mittelbarer Bundesverwaltung. Kostenersatzpflichtiger Rechtsträger im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG ist daher der Bund (vgl. VwGH 17.11.2020, Ra 2018/07/0487, mwN). Für die darüber hinaus begehrte Zuerkennung von Aufwandersatz an den Revisionswerber durch das Land Oberösterreich fehlt jede Rechtsgrundlage (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2016/12/0072).
Wien, am 21. Juni 2022
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