Normen
B-VG Art133 Abs4
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §47
VwGVG 2014 §47 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021170025.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 10. Oktober 2019 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der E GmbH wegen des näher umschriebenen Veranstaltens verbotener Ausspielungen im Zeitraum vom 26. Oktober 2018 bis 21. Februar 2019 zweier Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz ‑ GSpG schuldig erkannt. Es wurden über ihn gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 52 Abs. 2 zweiter Strafsatz GSpG zwei Geldstrafen in der Höhe von je € 5.000,‑ ‑ (sowie zwei Ersatzfreiheitsstrafen von je 168 Stunden) verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in Höhe von € 1.000,‑ ‑ festgesetzt.
2 2.1. Die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung schriftlich erlassenen Erkenntnis ‑ unter Ergänzung des Spruches durch Angabe des Kontrollzeitpunktes und des „ersten Deliktsfall[es]“ der verletzten Rechtsvorschrift des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG sowie durch Anführung der Fassungen der im Spruch des Straferkenntnisses zitierten verletzten Rechtsvorschriften und der Strafsanktionsnorm ‑ als unbegründet ab, setzte einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von € 2.000,‑ ‑ fest und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
3 2.1. Eine Begründung für die Unterlassung der Verkündung der Entscheidung findet sich weder im Verhandlungsprotokoll noch im Erkenntnis.
4 3.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 3.2. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, die Revision kostenpflichtig zurück‑, in eventu abzuweisen.
6 4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 4.1. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision u.a. vor, das LVwG habe es entgegen näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ohne nähere Begründung unterlassen, das angefochtene Erkenntnis nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu verkünden. Eine offensichtliche Unmöglichkeit der sofortigen Verkündung sei nicht ersichtlich.
8 Die Revision erweist sich aus diesem Grund als zulässig und begründet:
9 4.2. Gemäß § 47 Abs. 4 letzter Satz VwGVG sind in Verfahren in Verwaltungsstrafsachen nach dem Schluss der Verhandlung der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden.
10 4.3. Die Verkündung der Entscheidung direkt nach der Verhandlung stellt den gesetzlichen, wenn auch in der Praxis nicht immer umsetzbaren, Regelfall dar. Ist eine anschließende Verkündung nicht möglich, etwa wegen der Komplexität der Sach- oder Rechtslage, hat die Entscheidung schriftlich zu ergehen (vgl. VwGH 18.12.2020, Ra 2020/03/0073; 26.5.2020, Ra 2018/11/0195, jeweils mwN). Bedarf die Fällung des Erkenntnisses (etwa die Beweiswürdigung) reiflicher Überlegung, so kann das Verwaltungsgericht von der sofortigen Verkündung Abstand nehmen, andernfalls belastet die rechtswidrige Unterlassung der Verkündung durch das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. zum Ganzen auch VwGH 21.7.2020, Ra 2020/02/0011; 12.5.2020, Ra 2019/10/0193, 0194, jeweils mwN).
11 4.4. Im Revisionsfall hat das LVwG weder nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung noch im schriftlichen Erkenntnis begründet, warum es ihm nicht möglich (gewesen) sei, das Erkenntnis nach Schluss der Verhandlung sofort zu beschließen und zu verkünden. Eine solche Begründung wäre ‑ infolge ihrer Einzelfallbezogenheit ‑ im Regelfall, wenn sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgt, nicht revisibel. Im Revisionsfall ist auch nicht offensichtlich, dass die Verkündung des Spruches des Erkenntnisses und seiner wesentlichen Begründung nach dem Schluss der Verhandlung nicht möglich gewesen wäre (vgl. VwGH 8.10.2020, Ra 2020/02/0178, mwN).
12 4.5. Der von der belangten Behörde zitierte, zu § 29 Abs. 2 VwGVG ergangene, Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 2020, Ra 2020/11/0039, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen, weil es sich im vorliegenden Fall um ein Verwaltungsstrafverfahren handelt und § 47 Abs. 4 letzter Satz VwGVG maßgeblich ist.
13 4.6. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zu § 47 Abs. 4 letzter Satz VwGVG hat das LVwG durch das unbegründete Unterlassen der Verkündung des Erkenntnisses nach Schluss der mündlichen Verhandlung in einer Verwaltungsstrafsache das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
14 5. Hinsichtlich der vom LVwG durchgeführten Strafbemessung ist weiters darauf hinzuweisen, dass gemäß § 52 Abs. 2 zweiter Strafsatz GSpG von einem Strafrahmen von € 3.000,‑ ‑ bis € 30.000,‑ ‑ pro Glücksspielgerät auszugehen ist. Das LVwG bestätigte pro Gerät die Verhängung einer Geldstrafe von € 5.000,‑ ‑ sowie einer Ersatzfreiheitsstrafe von 168 Stunden, also 7 Tagen, mithin der Hälfte der jeweils möglichen Ersatzfreiheitsstrafe. Eine Begründung für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafen in dieser Höhe ist dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch jedenfalls dann, wenn zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und jener der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ein erheblicher, nach dem Verhältnis zur Höchststrafe zu bemessender Unterschied besteht, dafür eine Begründung erforderlich (vgl. näher VwGH 24.1.2019, Ra 2018/17/0209, mwN).
15 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 9. April 2021
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