VwGH Ro 2021/15/0001

VwGHRo 2021/15/000116.11.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des F S in A, vertreten durch das Advokaturbüro J, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 4. August 2020, Zl. RV/1100246/2017, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer und Einkommensteuer jeweils für die Jahre 2007 bis 2009 sowie 2011 und 2012, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §116 Abs1
BAO §207 Abs2
EStG 1988 §1 Abs2
EStG 1988 §2
KStG 1988 §1
SteuerAbk Liechtenstein 2014 Art10
SteuerAbk Liechtenstein 2014 Art14 Abs1
SteuerAbk Liechtenstein 2014 Art14 Abs2
SteuerAbk Liechtenstein 2014 Art2 Abs2
SteuerAbk Liechtenstein 2014 Art5
SteuerAbk Liechtenstein 2014 Art6
SteuerAbk Liechtenstein 2014 Art8
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021150001.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Aus dem Bericht vom 7. Februar 2017 betreffend eine beim ‑ in Österreich ansässigen ‑ Revisionswerber durchgeführte Außenprüfung sowie der Niederschrift über die Schlussbesprechung ergibt sich:

2 Mit Urkunde vom 16. Dezember 2004 wurde die liechtensteinische H Stiftung (im Folgenden Stiftung) mit einem Stiftungsvermögen von 30.000 SFR errichtet. Der Stiftungszweck lautete „Die Verwaltung des Stiftungsvermögens zur Unterstützung von Angehörigen bestimmter Familien, die durch ein Beistatut festgelegt ist.“ Den Feststellungen des Prüfers zufolge sei das Beistatut (erst) 2011 errichtet worden und der Revisionswerber wirtschaftlich Berechtigter und Erstbegünstigter der Stiftung.

3 Am 23. November 2004 wurde die liechtensteinische E Anstalt (im Folgenden Anstalt) in das Öffentlichkeitsregister in Liechtenstein eingetragen; sie betreibt ab Februar 2005 ein operatives Unternehmen in Liechtenstein. Inhaber der Gründerrechte der Anstalt und damit deren wirtschaftliche Eigentümerin ist die Stiftung.

4 Die Anstalt tätigte Ausschüttungen an die Stiftung, und zwar im Jahr 2007 eine Ausschüttung von ca. 306.000 € und im Jahr 2008 eine Ausschüttung von ca. 1,003.000 €. Die ausgeschütteten Beträge gewährte die Stiftung der Anstalt als verzinsliche Darlehen.

5 Es liegt eine an die Stiftung gerichtete „Bescheinigung über die Nachversteuerung durch Einmalzahlung“ gemäß Artikel 8 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Bereich der Steuern, BGBl III 301/2013 (in der Folge: Steuerabkommen), der LGT Bank Vaduz vom 30. Mai 2014 vor. Die Einmalzahlung wurde auf der Basis des jeweiligen Kapitalbestandes am Konto per 31. Dezember 2003, 31. Dezember 2011 und 31. Dezember 2013 mit 4.413 € berechnet; in der Bescheinigung ist als „betroffene Person“ (iSd Steuerabkommens) der Revisionswerber genannt.

6 Der Prüfer ging davon aus, dass die Stiftung in Österreich als steuerlich „transparent“ zu behandeln sei. Bei der Stiftung sei ab der Errichtung im Dezember 2004 bis zum Jahr 2011 keine Festlegung von konkreten Begünstigten vorgelegen. Der Stiftungszweck habe in der „Unterstützung von Angehörigen bestimmter Familien“ bestanden, es sei aber erst im Jahr 2011 ein Beistatut erlassen worden, in welchem erstmals eine Familie bzw. Person als Begünstigte benannt worden sei. Die Stiftung sei daher mit einer österreichischen Stiftung nicht vergleichbar, weil es an einer konkretisierten Begünstigtenregelung fehle. Zudem lägen nach Ansicht des Prüfers Indizien dafür vor, dass ein (zumindest mündlicher) Mandatsvertrag existiere.

7 Die Liechtensteinische Anstalt mit Gründerrechten sei einer österreichischen juristischen Person des Privatrechts, einer GmbH, vergleichbar. Da die Stiftung nicht einer österreichischen Körperschaft vergleichbar sei („fehlende konkrete Begünstigtenregelung“) und daher als transparent zu beurteilen sei, müssten die Ausschüttungen der Anstalt an die Stiftung sowie die Verzinsung der von der Stiftung an die Anstalt gewährten Darlehen (Rückgewährung der Ausschüttungen als Darlehen) dem Revisionswerber als Einkünfte aus Kapitalvermögen zugerechnet werden. Dem Einwand betreffend die Abgeltungssteuerbescheinigung der LGT Bank halte der Prüfer entgegen, dass keine Hinweise darauf vorlägen, dass die in Rede stehenden Ausschüttungen der Anstalt auf jenem Bankkonto eingegangen seien, für welches die LGT‑Bank die Bestätigung ausgestellt habe. Außerdem treffe es zwar zu, dass aufgrund des Steuerabkommens österreichische Steuern, die vor dem 1. Jänner 2014 entstanden seien, als abgegolten zu betrachten seien. Für die Abgeltungswirkung sei aber „der abgeltungswirksame Betrag (das relevante Kapital) maßgeblich“, das sei der Kapitalstand bei der LGT‑Bank zum 31. Dezember 2011 (hier: 26.866,45 €) zumal der Kapitalstand zum 1. Jänner 2014 (0 €) niedriger gewesen sei. Die Abgeltungswirkung sei daher auf den Betrag von 26.866,45 € beschränkt.

8 Dem Einwand des Revisionswerbers, das Darlehen der Stiftung an die Anstalt stelle ein eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen dar, halte der Prüfer entgegen, dass der (die Anstalt betreffende) Bericht der Revisionsstelle für das Jahr 2011 keinen Hinweis auf eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen enthalte.

9 Die Zinsen (von bis zu ca. 100.000 € pro Jahr) seien in den Bilanzen der Anstalt 2008, 2009, 2011 und 2012 als Aufwand verbucht worden. Finanzielle Schwierigkeiten der Anstalt hätten sich erst in der zweiten Jahreshälfte 2011 aufgrund eines „Italienprojektes“ ergeben.

10 Das Finanzamt nahm in Bezug auf den Revisionswerber die Einkommensteuerverfahren 2007 bis 2009, 2011 und 2012 wieder auf und erließ den Prüfungsfeststellungen entsprechende neue Sachbescheide sowie Bescheide betreffend Anspruchszinsen.

11 Gegen die genannten Wiederaufnahme‑ und Sachbescheide erhob der Revisionswerber Beschwerde. Er brachte vor, die Stiftung sei seit ihrer Gründung im Jahr 2004 als intransparente Stiftung zu qualifizieren. Es gebe keinen Mandatsvertrag, der eine Weisungsbindung der Stiftung bzw. des Stiftungsrates an Instruktionen des Stifters oder eines Begünstigten vorsehe. Auch sei der Stifter zu keinem Zeitpunkt Mitglied des Stiftungsrates und auch nicht berechtigt gewesen, den Stiftungsrat abzuberufen.

12 Zudem sei zu beachten, dass der 2013 erfolgte Abschluss des Steuerabkommens eine Regularisierung zahlreicher von Österreichern in Liechtenstein gehaltenen Vermögensstrukturen zum Ziel habe. Aufgrund der Intransparenz der Stiftung und aufgrund der Abgeltungssteuerbescheinigung der Bank sei das Finanzamt nicht berechtigt, die im Prüfungsbericht angeführten Ausschüttungen und angefallenen Zinsen ertragsteuerlich zum Nachteil des Revisionswerbers der Einkommensteuer zu unterziehen.

13 In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung führte das Finanzamt u.a. aus, die Wiederaufnahme der Verfahren sei darauf gestützt worden, dass der die Anstalt und die Stiftung betreffende Tatsachenkomplex, wie er im Außenprüfungsbericht beschrieben sei, bei Erlassung der Erstbescheide nicht bekannt gewesen sei.

14 Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

15 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und führte hinsichtlich der Wiederaufnahme aus, es werde auf die hinreichende Begründung der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

16 Was die Einkommensteuer anlange, stelle sich die Frage, ob die Stiftung entsprechend der in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Kriterien intransparent sei oder ob die Transparenzfiktion des Art. 2 Abs. 2 lit. a des Steuerabkommens gelte.

17 Der Zweck der Stiftung habe ursprünglich gelautet: „Die Verwaltung des Stiftungsvermögens zur Unterstützung von Angehörigen bestimmter Familien, die durch ein Beistatut festgelegt ist.“ Erst mit Beschluss vom 20. März 2009 seien die Statuten neu gefasst und dabei der Stiftungszweck folgendermaßen festgelegt worden: „Zweck der Stiftung ist die Bestreitung der Kosten der Erziehung und Bildung, der Ausstattung und Unterstützung, des Lebensunterhalts im Allgemeinen und die wirtschaftliche Förderung im weitesten Sinn von Begünstigten sowie die Verfolgung ähnlicher Zwecke. Zu den Begünstigten zählen der Stifter und mit ihm durch Eheband, Verwandtschaft, Schwägerschaft, Freundschaft oder auf andere Art und Weise verbundene Personen nach Maßgabe der Beistatuten [...].“

18 Das Steuerabkommen regle in Art. 2 Abs. 2 lit. a, dass für Zwecke des Teils 2 dieses Abkommens (für Besteuerungszeiträume vor dem 1. Jänner 2014) in Liechtenstein verwaltete Vermögensstrukturen stets als transparent zu behandeln seien. Für Zwecke von Teil 3 und 4 des Abkommens (für Besteuerungszeiträume ab 1. Jänner 2014) seien die in Liechtenstein verwalteten Vermögenstrukturen hingegen gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. b des Steuerabkommens intransparent, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt seien:

„- Weder der Stifter noch ein Begünstigter oder eine diesen nahestehende Person sind Mitglied im Stiftungsrat oder in einem Gremium, dem Weisungsbefugnisse gegenüber dem Stiftungsrat zustehen;

- Es besteht kein Abberufungsrecht des Stiftungsrats durch den Stifter, einen Begünstigten oder eine diesen nahestehende Person ohne wichtigen Grund;

- Es besteht kein ausdrücklicher oder konkludenter Mandatsvertrag.“

19 Aus Art. 2 Abs. 2 lit. a des Steuerabkommens ergebe sich also, dass eine in Liechtenstein verwaltete Vermögensstruktur (insbesondere Stiftung) für Zwecke der Nachversteuerung für die Vergangenheit vor 2014 stets als transparent zu behandeln sei; es sei also auf die dahinter stehenden natürlichen Personen (Nutzungsberechtigten) zu blicken, sofern diese am 31. Dezember 2011 einen Wohnsitz in Österreich hätten. Wegen dieser Anordnung im Steuerabkommen komme nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts ein „Intransparenztest“, wie er im österreichischen innerstaatlichen Recht anzuwenden sei, nicht zum Zuge.

20 Der „Widerstreit“ zwischen Transparenzfiktion laut Steuerabkommen und behaupteter Intransparenz spiegle sich auch u.a. in zwei Gutachten wider, die in der anhängigen Finanzstrafsache beim Landesgericht vorgelegt worden seien. In dem vom Revisionswerber vorgelegten Gutachten werde u.a. darauf verwiesen, dass die Transparenz aufgrund des Steuerabkommens eine echte Rückwirkung darstellen und gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstoßen würde; die Frage nach der Transparenz sei daher in Österreich nach einem klassischen Typenvergleich zu prüfen, der dazu führe, dass die gegenständliche Stiftung als intransparent zu beurteilen sei. Ein vom Landesgericht eingeholtes Gutachten komme zu dem Schluss, dass die Stiftung aufgrund ihrer ursprünglichen Satzung, sollte die Existenz des Beistatutes aus dem Jahr 2004 nicht geglaubt werden, eine „Selbstzweckstiftung“ gewesen sei, welche aufgrund eines Typenvergleichs als transpartent beurteilt werden müsste. Der Ansicht dieses zweiten Gutachtens zufolge wäre diesfalls dann erst mit der Statutenänderung vom 20. März 2009 eine als intransparent zu beurteilende Stiftung entstanden. Sollte aber im Rahmen der Beweiswürdigung anerkannt werden, dass das mit 16. Dezember 2004 datierte, erstmals beim Landesgericht am 17. Mai 2018 vorgelegte Beistatut tatsächlich bereits ab 2004 existiert habe, wäre auch nach Ansicht des Zweitgutachtens die Stiftung ab ihrer Errichtung als intransparent zu beurteilen.

21 Für das Bundesfinanzgericht sei allerdings entscheidend, dass Art. 2 Abs. 2 lit. a des Steuerabkommens anordne, in Liechtenstein verwaltete Stiftungen für Zwecke von Teil 2 dieses Steuerabkommens für Zeiträume vor 2014 als transparent zu werten (hinsichtlich ihres Einkommens und Vermögens).

22 Zum Steuerabkommen gebe es die Konsultationsvereinbarung zwischen Österreich und Liechtenstein vom 27. November 2013, in der festgelegt werde, die in Rede stehende Transparenzfiktion des Steuerabkommens nur für die Fälle der Einmalzahlung anzuwenden, während für Fälle der freiwilligen Meldung gemäß Art. 10 des Steuerabkommens die Qualifikation nach den Kriterien des österreichischen innerstaatlichen Rechts zu erfolgen habe.

23 Das Bundesfinanzgericht halte in diesem Zusammenhang den Umstand für wesentlich, dass der Revisionswerber die Entscheidung zur Nachversteuerung von Vermögenswerten im Sinne von Teil 2 des Steuerabkommens im Wege der Einmalzahlung gemäß Art. 8 des Abkommens getroffen habe. Durch seine Entscheidung für die Einmalzahlung laut dem Steuerabkommen [gemeint hinsichtlich des Kontos bei der LGT‑Bank] müsse der Revisionswerber die damit verbundenen Rechtsfolgen ‑ seien sie vorteilhaft, seien sie nachteilig ‑ für sich gelten lassen. Das sei zum einen der Vorteil der Wahrung der Anonymität, zum anderen der Nachteil der Transparenzfiktion gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. a des Steuerabkommens. Allerdings könne die Einmalzahlung nur in Bezug auf den (geringen) Betrag betreffend das betroffene Bankkonto der Stiftung Wirkungen entfalten.

24 Das Vorbringen des Revisionswerbers, wonach kein Mandatsvertrag bestanden habe und er keine Zeichnungsberechtigung über das Bankkonto der Stiftung gehabt habe, erweise sich damit als irrelevant, weshalb die hiezu angebotenen Beweise nicht aufzunehmen seien.

25 Für das Bundesfinanzgericht ergebe sich eine Einschränkung des Anwendungsbereiches der Transparenzfiktion aus der Konsultationsvereinbarung vom 27. November 2013, nach welcher die Transparenzfiktion nur auf Fälle der anonymen Einmalzahlung anzuwenden sei, während die Fälle der freiwilligen Meldung nach den Kriterien des österreichischen Rechts zu behandeln seien. Eine gänzliche Nichtanwendung des Abkommens auf intransparente (Ermessens‑)Stiftungen ergebe sich aber daraus nicht.

26 Der Revisionswerber berufe sich auf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahr 2015 (VwGH 25.2.2015, 2011/13/0003; 25.3.2015, 2012/13/0033; 30.6.2015, 2012/15/0165), denen Festsetzungen von Steuern bzw. ein Sicherstellungsauftrag aus Zeiträumen vor Inkrafttreten des Steuerabkommens zugrunde lägen und bei denen der Verwaltungsgerichtshof nicht auf die Transparenzfiktion des Steuerabkommens abgestellt habe. Dem halte das Bundesfinanzgericht entgegen, dass die in diesen Fällen mit Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsentscheidungen des UFS in den Jahren 2010 und 2012 erlassen worden waren, also vor dem Zustandekommen des Steuerabkommens. Das BFG komme daher zu dem Schluss, dass die Intransparenzkriterien, wie sie sich aus den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahr 2015 ableiten ließen, für die vorliegende Sachlage nicht relevant seien. Die angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes beträfen nämlich Berufungsentscheidungen vor Inkrafttreten des Steuerabkommens oder fänden nur im Falle einer Option zur freiwilligen Meldung nach Art. 10 des Steuerabkommens Anwendung oder bezögen sich überhaupt nur auf Teil 3 und 4 des Steuerabkommens, also auf Besteuerungszeiträume ab dem 1. Jänner 2014.

27 Die Stiftung gelte sohin für Zwecke von Teil 2 des Steuerabkommens gemäß dessen Art. 2 Abs. 2 lit. a und der gegenständlich vorliegenden Option für die Einmalzahlung in Bezug auf das Konto bei der LGT‑Bank als transparente Vermögensstruktur mit der Konsequenz, dass das Stiftungsvermögen und die daraus generierten Einkünfte dem Revisionswerber zuzurechnen seien. Die Abgeltungswirkung der Einmalzahlung der LGT‑Bank umfasse nur das relevante Kapital laut Bescheinigung vom 30. Mai 2014, das seien 26.866,45 €, auf die eine Einmalzahlung von 4.413 € entfalle. Hinsichtlich der in den Streitjahren bewirkten Ausschüttungen und Zinsen, die über dieses relevante Kapital hinausgingen und somit von der Abgeltungswirkung nicht erfasst seien, sei daher von einer Steuerpflicht des Revisionswerbers auszugehen.

28 Aber selbst wenn die Transparenzfiktion gemäß dem Steuerabkommen im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden wäre ‑ wovon das BFG ausdrücklich nicht ausgehe ‑ wäre für den Beschwerdeführer, zumindest für den Zeitraum 2007 bis 20. März 2009, wie nachstehend erläutert, nichts zu gewinnen:

29 Der Staatsgerichtshof des Fürstentums Liechtenstein (StGH) habe mit Urteil vom 18. November 2003 ausgesprochen, dass eine Stiftungsurkunde zumindest erkennen lassen müsse, wie das Stiftungsvermögen zu verwenden sei und wer die Adressaten der Zweckverwirklichung seien; widrigenfalls sei eine Stiftung nicht rechtswirksam errichtet. Eine reine Selbstzweckstiftung ‑ also eine Stiftung, die ausschließlich Vermögen verwalte und Gewinne dauerhaft thesauriere, ohne sie jemals auszuschütten ‑ sei nicht zulässig. Der konkrete Stiftungszweck sei das Herzstück der Stiftung (Hinweis auf Hosp in Arnold/Ludwig, Stiftungshandbuch, 2. Aufl., 2014, 296, Rz 18/11).

30 Bis zur Präzisierung ihres Zwecks im Jahr 2009 wäre nach dem Gesagten die Stiftung als unzulässige Selbstzweckstiftung einzustufen gewesen.

31 Laut dem 2011 errichteten Beistatut sei der Revisionswerber Erstbegünstigter der Stiftung. Im Mai 2018 sei dem Landesgericht im Rahmen des gegen den Revisionswerber (betreffend die gegenständliche Einkommensteuer) geführten Finanzstrafverfahrens ein bisher unerwähntes Beistatut, datierend aus dem Jahr 2004, überreicht worden, das als Erstbegünstigten den Revisionswerber und als Zweitbegünstigte dessen Ehefrau anführe. Im Hinblick darauf, dass ein solches Beistatut im gesamten vorherigen Verfahren niemals erwähnt worden sei und das Beistatut vom 7. Jänner 2011 keinen Hinweis darauf enthalten, dass ein vorher bestehendes Beistatut abgeändert werde, gelange das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung zu dem Schluss, dass das im Mai 2018 erstmals thematisierte und vorgelegte, mit 16. Dezember 2004 datierte Beistatut nachträglich ‑ zeitnah zur Vorlage im Mai 2018 ‑ konzipiert und rückdatiert worden sei, um eine Einstufung der Stiftung als unzulässige Selbstzweckstiftung (zumindest im Zeitraum 2004 bis zur Statutenneufassung im Jahr 2009) zu verhindern.

32 Zur ergänzend in der Beschwerde eingewendeten Verjährung führte das Bundesfinanzgericht aus, die Staatsanwaltschaft habe dem Revisionswerber mit Anklageschrift die Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung betreffend die in Rede stehenden Gewinnausschütten und Zinszahlungen der Jahre 2007 bis 2009 sowie 2011 und 2012 zur Last gelegt. Der Revisionswerber habe gegen die Anklageschrift Einspruch erhoben; dieser Einspruch sei mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 13. Dezember 2017 abgewiesen worden. Mittlerweile sei auch ein mündlich verkündetes und noch nicht in Schriftform vorliegendes Urteil des Landesgerichtes ergangen, mit welchem der Revisionswerber der Abgabenhinterziehung schuldig erkannt worden sei. Gegen dieses Urteil sei Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet. Das Bundesfinanzgericht erachte sich an den „bescheidmäßigen Ausspruch des Oberlandesgerichtes“ (Abweisung des Einspruchs gegen die Anklageschrift) gebunden. Soweit daher zu beurteilen sei, ob im Hinblick auf das Streitjahr 2007 bereits Verjährung eingetreten sei, werde dies verneint. Die zehnjährige Verjährungsfrist hinsichtlich der hinterzogenen Abgaben habe erst am 31. Dezember 2017 geendet; alle gegenständlich in Beschwerde gezogenen Bescheide stammten vom 9. Februar 2017.

33 Das Bundesfinanzgericht sprach weiters aus, dass die Revision zulässig sei. Das Steuerabkommen sei nicht Thema der vom Revisionswerber zur Stützung seiner Argumentation zitierten Judikate des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahr 2015 gewesen. Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich für Zwecke von Teil 2 des Steuerabkommens mit der Transparenzfiktion gemäß dessen Art. 2 Abs. 2 lit. a ‑ in Konkurrenz zu den aus der bisherigen Rechtsprechung bekannten Intransparenzkriterien ‑ auseinandersetze, bestehe nicht.

34 Die Revisionswerberin erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 24. November 2020, E 3152/2020‑5, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In Bezug auf die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine mit Art. 2 Abs. 2 lit. a des Steuerabkommens rückwirkend angeordnete Annahme der Transparenz verweist der Verfassungsgerichtshof im angeführten Beschluss darauf, dass das Abkommen den Nachweis des Bestehens der Intransparenz im Rahmen der freiwilligen Meldung nicht ausschließe.

35 Die sodann erhobene ordentliche Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

36 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

37 Das Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Bereich der Steuern samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen, BGBl III 301/2013 (Steuerabkommen), definiert in Art. 2 Abs. 1 lit. e zwei Arten von Zahlstellen, denen das Abkommen Pflichten auferlegt. Das sind einerseits die Bankzahlstellen (Ziffer i) und andererseits die Organzahlstellen (Ziffer ii). Letztere (in den ErlRV 2151 BlgNR 26. GP  9 kurz als „Treuhänder“ bezeichnet) sind in Liechtenstein ansässige natürliche und juristische Personen nach liechtensteinischem Recht, die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit regelmäßig Vermögenswerte von Dritten entgegennehmen, halten, anlegen, übertragen oder lediglich Erträge nach Art. 18 Abs. 1 des Steuerabkommens leisten oder absichern; zudem nach dem Treuhändergesetz zugelassene natürliche und juristische Personen und Träger einer Bewilligung nach Art. 180a PGR, sofern sie Mitglied des Verwaltungsorgans einer Vermögensstruktur sind.

38 Art. 6 des Steuerabkommens regelt das Verhältnis zwischen Zahlstellen nach Art. 2 Abs. 1 lit. e Z i und ii wie folgt:

„Zahlstellen gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e Ziffer ii sind bei betroffenen Personen gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe i für die Durchführung der Verpflichtungen nach Teil 2 dieses Abkommens verantwortlich. Von liechtensteinischen Zahlstellen gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e Ziffer i erhobene Einmalzahlungen werden auf den Gesamtbetrag der Einmalzahlung angerechnet.“

39 Betroffene Personen gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. i Z i des Steuerabkommens sind insbesondere die in Österreich ansässigen natürlichen Personen, „die an den Vermögenswerten einer transparenten Vermögensstruktur [insbesondere Stiftung] im Sinne des [Art. 2] Absatz 2 nutzungsberechtigt“ sind.

40 Art. 2 Abs. 2 des Steuerabkommens lautet auszugsweise:

„Ungeachtet anderer Bestimmungen dieses Abkommens gilt Folgendes:

a) In Liechtenstein verwaltete Vermögensstrukturen gelten für die Zwecke von Teil 2 dieses Abkommens stets als transparent bezüglich ihres Einkommens und Vermögens.

b) In Liechtenstein verwaltete Vermögensstrukturen mit Persönlichkeit gelten für Zwecke von Teil 3 und Teil 4 dieses Abkommens als intransparent, wenn [...]“

41 Das Steuerabkommen legt somit fest, dass in Bezug auf in Liechtenstein verwaltete Vermögensstrukturen (insbesondere Stiftungen) für die Durchführung von Teil 2 des Steuerabkommens die Organzahlstelle verantwortlich ist, wobei von Bankzahlstellen (für Bankkonten) erhobene Steuerbeträge auf den Gesamtbetrag der von der Organzahlstelle abzuwickelnden Zahlungen anzurechnen sind. Es ist also der liechtensteinische Treuhänder für die Durchführung der Verpflichtungen nach Art. 6 des Steuerabkommens (Regularisierung für die Vergangenheit) verantwortlich (vgl. Hosp/Langer, ZFS 2013, 8; Twardosz, ÖBA 2013, 158, 159). Dabei erfasst das Steuerabkommen gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. f (von bestimmten; hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen) das gesamte von der liechtensteinischen Organzahlstelle verwaltete, im In‑ oder Ausland belegene Vermögen nach Art. 4 Abs. 1 lit. g des liechtensteinischen Vermögensverwaltungsgesetzes.

42 Teil 2 des Steuerabkommens regelt die Nachversteuerung für die Vergangenheit (Zeiträume vor dem Jahr 2014) wie folgt:

43 Gemäß Art. 5 Abs. 1 des Steuerabkommens muss bei entsprechendem Österreichbezug für sämtliche Vermögenswerte, die von liechtensteinischen Organzahlstellen verwaltet werden, entweder die Nachversteuerung durch Einmalzahlung vorgenommen oder die Ermächtigung zur freiwilligen Meldung gewährt werden. Liechtensteinische Zahlstellen erheben gemäß Art. 8 Abs. 1 des Steuerabkommens per Stichtag 3 (iSd Art. 2 Abs. 1 lit. k, also per 31. Mai 2014) eine Einmalzahlung auf die bei ihnen verbuchten oder verwalteten Vermögenswerte der betroffenen Person.

44 Gemäß Art. 8 Abs. 4 und 5 des Steuerabkommens überweist die liechtensteinische Zahlstelle die erhobenen Einmalzahlungen an die zuständige liechtensteinische Behörde und diese leitet die Einmalzahlungen an die zuständige österreichische Behörde weiter.

45 Gemäß Art. 8 Abs. 6 des Steuerabkommens gelten mit der vollständigen Gutschrift der Einmalzahlung auf dem bei der liechtensteinischen Zahlstelle dafür eingerichteten Abwicklungskonto die österreichischen Erbschaftssteuer- und Schenkungssteueransprüche, die Ansprüche auf die gemeinschaftlichen Bundesabgaben gemäß § 8 Abs. 1 erster Satz erster und dritter Fall des österreichischen Finanzausgleichsgesetzes 2008 (Einkommensteuer, Umsatzsteuer), die österreichischen Stiftungseingangssteueransprüche und die österreichischen Versicherungssteueransprüche, die aus den ‑ auf den entsprechenden Konten und Depots verbuchten bzw. verwalteten ‑ Vermögenswerten entstanden sind, nach Maßgabe näherer Regelungen des Steuerabkommens als abgegolten.

46 Gemäß Art. 10 Abs. 1 des Steuerabkommens entfällt die Erhebung der Einmalzahlung nach Art. 8, wenn die betroffene Person ihre liechtensteinische Zahlstelle spätestens per Stichtag 3 (31. Mai 2014) schriftlich ermächtigt, die Informationen nach Art. 10 Abs. 2 des Steuerabkommens an die zuständige österreichische Behörde zu melden (so genannte „Freiwillige Meldung“).

47 Art. 14 des Steuerabkommens regelt ergänzend:

„1. Erhebt die liechtensteinische Zahlstelle die Einmalzahlung nach Artikel 8 aufgrund eines Berechnungs‑ oder Abwicklungsfehlers nicht in vollständiger Höhe, so kann die liechtensteinische Zahlstelle der betroffenen Person den fehlenden Betrag [...] nachbelasten. Die liechtensteinische Zahlstelle bleibt gegenüber der zuständigen liechtensteinischen Behörde jedenfalls zur entsprechenden Nachleistung verpflichtet. [...]

2. In Fällen von Absatz 1 tritt für die betroffene Person die Wirkung nach Artikel 8 Absatz 6 auch ein, wenn die betroffene Person den Berechnungs‑ oder Abwicklungsfehler ohne grobes Verschulden nicht erkannt hat. Wird der Berechnungs- oder Abwicklungsfehler nach Absatz 1 korrigiert, tritt die Wirkung nach Artikel 8 Absatz 6 in jedem Fall ein.

3. Ist die Einmalzahlung ohne rechtlichen Grund bezahlt worden, so hat die betroffene Person gegenüber der zuständigen österreichischen Behörde einen Anspruch auf Erstattung der Einmalzahlung.“

48 Aus den Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Erkenntnisses ergibt sich, dass die Organzahlstelle (liechtensteinischer Treuhänder) in Bezug auf die gegenständliche Stiftung keine Einmalzahlung vorgenommen hat. Es ist nicht festgestellt worden, dass der Revisionswerber gegenüber der Organzahlstelle eine Ermächtigung zur freiwilligen Meldung iSd Art. 10 des Steuerabkommens erteilt hätte. Dem Steuerabkommen hätte es entsprochen, wenn die Organzahlstelle in Bezug auf das Vermögen der Stiftung, zu welchem auch die Gründerrechte (Beteiligung) an der Anstalt wie auch die Darlehensforderungen (bzw. nach Ansicht des Revisionswerbers eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen) gehören, eine Einmalzahlung vorgenommen hätte. Tatsächlich ist die Organzahlstelle dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Lediglich die Bankzahlstelle hat in Bezug auf ein Bankkonto eine geringe Einmalzahlung geleistet, welche die Organzahlstelle auf die von ihr abzuwickelnde Zahlung hätte anrechnen können. Offenkundig hat die Organzahlstelle auch keine Nachbelastung der Einmalzahlung nach der Regelung des Art. 14 Abs. 1 des Steuerabkommens vorgenommen.

49 Teil 2 des Steuerabkommens normiert eine Regularisierung für Zeiträume vor dem Jahr 2014, und zwar primär in Form der Einmalzahlung (Steuerabgeltung und Amnestie unter Wahrung der Anonymität, vgl. ErlRV Seite 2), aber mit der Optionsmöglichkeit zur Offenlegung in Form einer freiwilligen Meldung.

50 Die Einmalzahlung bemisst sich sowohl für die bei Bankzahlstellen verbuchten Vermögenswerten als auch bei den von Organzahlstellen verwalteten Vermögenwerten in Abhängigkeit vom jeweiligen Vermögensstand zu bestimmten Stichtagen nach pauschalen Kriterien. Für Zwecke der Einmalzahlungen unterstellt das Abkommen daher auch in Bezug auf die vom Abkommen betroffenen (von liechtensteinischen Organzahlstellen verwalteten) Stiftungen die Zurechnung der Einkünfte und des Vermögens an eine natürliche Person. Solcherart geht das Abkommen auch davon aus, dass die Einmalzahlung u.a. die in der Vergangenheit angefallene Einkommensteuer einer natürlichen Person abgilt.

51 Die in Art. 2 Abs. 2 des Steuerabkommens normierte zwingende Transparenz von Stiftungen bezieht sich sohin bloß auf die Berechnung der Einmalzahlung (vgl. Jirousek, ÖStZ 2013, 63). Dies bringen auch die Erläuterungen deutlich zum Ausdruck (ErlRV 2151 BlgNR 24. GP  11). Dort heißt es nämlich:

„Für Zwecke der Nachversteuerung von Vermögenswerten durch Einmalzahlung gelten sämtliche in Lichtenstein verwaltete Vermögensstrukturen stets als transparent; eine Überprüfung hinsichtlich Transparenz beziehungsweise Intransparenz anhand dieser Kriterien hat deshalb im Hinblick auf Teil 2 dieses Abkommens nicht zu erfolgen.“

52 Zur Verdeutlichung wurde zudem iSd Art. 48 des Steuerabkommens die Konsultationsvereinbarung zwischen den zuständigen Behörden Österreichs und Liechtensteins mit folgendem Inhalt abgeschlossen:

„Die in Art. 2 Abs. 2 Bst. a des Abkommens festgelegte Transparenzfiktion gilt nur für Fälle der Einmalzahlung. Bei Meldungen entsprechend Art. 10 des Abkommens bzw. einer allfälligen daraus folgenden Selbstanzeige im Sinne des Art. 11 des Abkommens ist die Transparenzfiktion für die Qualifikation der Vermögenstruktur in Österreich nicht anwendbar. Hier erfolgt die Qualifikation der Vermögensstruktur (insbes. der Stiftung) nach den Kriterien, die im österreichischen innerstaatlichen Recht herangezogen werden.“

53 Kommt es nicht zur pauschalen Einmalzahlung, sondern wird die Einkommensteuer von den österreichischen Behörden nach dem in der BAO vorgegebenen Verfahren vorgeschrieben, erfolgt die Zurechnung der Einkünfte nach den dem EStG 1988 zugrundeliegenden Zurechnungsgrundsätzen. Im Rahmen der Ermittlung des (Welt‑)Einkommens einer in Österreich unbeschränkt steuerpflichtigen Person iSd § 1 Abs. 2 EStG 1988 zum Zwecke der bescheidmäßigen Vorschreibung der Jahreseinkommensteuer für einen Ausschnitt dieses Einkommens abweichende Zurechnungsvorschriften zu normieren, entspricht nicht dem Inhalt und Zweck des Steuerabkommens. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem ‑ die Begünstigte einer liechtensteinischen Stiftung betreffenden ‑ Erkenntnis vom 25. Februar 2015, 2011/13/0003, ausgesprochen, dass für die Einkünftezurechnung nicht zwischen Inlands‑ und Auslandssachverhalten unterschieden wird.

54 Im gegenständlichen Fall, bei dem es um die Gewinnausschüttung aus einer Beteiligung der Stiftung, nämlich den Gründerrechten an einer operativen liechtensteinischen Anstalt, sowie um Zinszahlungen dieser Anstalt geht, hätte das Steuerabkommen eine auf das Stiftungsvermögen abgestellte, von der Organzahlstelle abzuwickelnde Einmalzahlung oder ‑ im Falle einer entsprechenden Option des Revisionswerbers ‑ eine von der Organzahlstelle vorzunehmende freiwillige Meldung vorgesehen. Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass die Organzahlstelle keine dieser vom Steuerabkommen vorgeschriebenen Vorgangsweisen vorgenommen hat. Das Vorliegen der Voraussetzungen der Regelung von Art. 14 Abs. 2 des Steuerabkommens, nach welcher (bei Fehlen groben Verschuldens des Revisionswerbers) unter Umständen die Wirkungen der Einmalzahlung nach Art. 8 Abs. 6 des Steuerabkommens eingetreten wären, hat das Bundesfinanzgericht nicht angenommen (ebenso nicht das Vorliegen von Willensmängeln bei der Abgabe oder Nichtabgabe der Option zur freiwilligen Meldung, wie sie im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8.6.2020, E 1492/2019, angesprochen wurden).

55 Mangels der im Steuerabkommen (bei Fehlen der Option zur freiwilligen Meldung) vorgesehenen, auf das gesamte Stiftungsvermögen abstellenden Einmalzahlung (iSd Art. 8 oder gegebenenfalls Art. 14 Abs. 1 und 2 des Steuerabkommens) entfaltet das Steuerabkommen keine Auswirkung auf die in Österreich vorzuschreibende Einkommensteuer. Solcherart haben die österreichischen Behörden die Einkünftezurechnung nach den Grundsätzen des innerstaatlichen Steuerrechts vorzunehmen. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24. April 2018, Ro 2017/13/0004, betreffend Einkommensteuer 2000 bis 2007 über eine Revision gegen eine im Jahr 2016 (also nach dem Inkrafttreten des Steuerabkommens) ergangene Beschwerdeentscheidung des Bundesfinanzgerichts die Prüfung der Zurechnung der Einkünfte einer liechtensteinischen Stiftung ausschließlich nach den Grundsätzen des EStG 1988 vorgenommen.

56 Indem das Bundesfinanzgericht die Einkünftezurechnung und Steuervorschreibung auf Art. 2 Abs. 2 des Steuerabkommens stützt, hat es die Rechtslage verkannt, und zwar sowohl in Bezug auf die Einkommensteuer als auch in Bezug auf die ‑ ausschließlich auf Umstände der hier strittigen Einkünftezurechnung gestützte ‑ Wiederaufnahme der Verfahren nach § 303 Abs. 1 BAO.

57 Das Bundesfinanzgericht begründet seine Entscheidung (für den Zeitraum 2007 bis 20. März 2009) alternativ aber auch mit einer nicht auf das Steuerabkommen abstellenden Argumentation: Basierend auf der Sachverhaltsfeststellung, dass zum 20. März 2009 eine Statutenänderung erfolgt ist und erstmals im Jahr 2011 ein Beistatut für die Stiftung erlassen worden ist, ging das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die Stiftung nach ihrer ursprünglichen (bis zum 20. März 2009 bestehenden) Satzung dem Stiftungsrat zu weitgehende Freiheit über die Verwendung oder Thesaurierung des Stiftungsvermögens eingeräumt hat, er also das Vermögen auch dauerhaft hätte thesaurieren können. Das Bundesfinanzgericht schließt daraus, in einem solchen Ausnahmefall gelte die liechtensteinische Stiftung zivilrechtlich nicht als Körperschaft; vielmehr handle es sich um eine nicht anzuerkennende „Selbstzweckstiftung“.

58 Nun ist es in der Tat für die Zurechnung von Einkünften aus Gewinnausschüttungen und Zinszahlungen aus der Beteiligung der Stiftung relevant, ob die Stiftung, deren wirtschaftliches Eigentum an der Anstalt im gegenständlichen Fall nicht in Streit steht, aus der Sicht des österreichischen Ertragsteuerrechts als Körperschaft zu beurteilen ist. Diese Beurteilung erfolgt bei nach ausländischem Recht errichteten Rechtsgebilden nach dem so genannten Typenvergleich (vgl. VwGH 30.6.2021, Ro 2018/13/0011).

59 Dabei ist zunächst die gesellschaftsrechtliche Struktur des konkreten ausländischen Rechtsgebildes zu ermitteln. Anschließend wird das ausländische Rechtsgebilde in seiner konkreten Ausgestaltung mit dem Typus jener inländischen Körperschaft verglichen, die dem ausländischen Gebilde (am ehesten) ähnlich ist (vgl. VwGH 13.1.2021, Ro 2018/13/0003; HohenwarterMayr in Lang u.a., KStG2, § 1 Tz 65a; Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr, KStG, § 1 Tz 264).

60 Zum offenen Katalog der Indizien für die Vergleichbarkeit gehört u.a. auch die „Rechtsfähigkeit und Rechtspersönlichkeit der Körperschaft nach der ausländischen Rechtsordung“ (vgl. HohenwarterMayr in Lang u.a., KStG2, § 1 Tz 66). Auf dieses Element beschränken sich die Ausführungen des Bundesfinanzgerichts, wenn sie auf das Kapitel „Stiftungszweck“ im Abschnitt „Grundlagen der liechtensteinischen Stiftung“ von Hosp in Arnold/Ludwig, Stiftungshandbuch2, 296, verweisen und gestützt darauf die Rechtspersönlichkeit der konkreten liechtensteinischen Stiftung verneinen.

61 Der Liechtensteinische OGH hat mit Beschluss vom 17. Juli 2003, 1 CG 2002.262, die mangelnde Rechtspersönlichkeit einer konkreten liechtensteinischen Stiftung, deren Zweck im Wesentlichen als Anlage und Verwaltung von Vermögen formuliert war, festgestellt, weil gegen die Voraussetzung der bestimmten Bezeichnung eines zulässigen Stiftungszwecks, die bereits in der damals in Geltung stehenden Fassung von Art. 552 des liechtensteinischen PGR vorgegeben war, verstoßen worden sei. Diesen Beschluss hat der liechtensteinische Staatsgerichtshof (StGH) mit Urteil vom 18. November 2003, StGH 2003/65, aufgehoben, weil der Beschluss die Stiftung in durch die Verfassung gewährleisteten Rechten verletzt hat. Das damalige liechtensteinische Öffentlichkeitsregisteramt hatte nämlich im Juni 1993 für die damals betroffene Stiftung zwei Amtsbestätigungen über die Hinterlegung der Stiftungsurkunden ausgestellt, weshalb die Stiftung wie auch Dritte in ihrem Vertrauen auf das Entstandensein der Stiftung zu schützen seien. Die neue Rechtsprechung des liechtensteinischen OGH, wie sie sich aus dem Beschluss vom 17. Juli 2003 ergibt, könne daher erst für zukünftige Fälle Geltung haben. Der StGH beschränkte also die neue Rechtsprechung des OGH auf künftige Fälle (vgl. dazu Heiss, LJZ 2004, 80). Zugleich wies er darauf hin, dass das Registeramt seiner Prüfpflicht nach Art. 554 PGR nachzukommen und gegebenenfalls weitere Unterlagen als die Stiftungsurkunde anzufordern habe. Für das Registeramt bestehe nach dem genannten Art. 554 PGR (mit LGBl 2008/220 ab 1. April 2009 aufgehoben) bei der Hinterlegung einer Stiftungsurkunde eine Art von Prüfungspflicht (Rn 2.3. der Entscheidungsgründe von StGH 2003/65); sollte es dieser Prüfungspflicht nicht nachkommen können, weil die vorgelegten Urkunden nicht ausreichten und weitere nicht eingeholt werden könnten, habe es die Hinterlegung zu verweigern und keine amtliche Bestätigung über das Bestehen der Stiftung auszustellen.

62 In Liechtenstein erfolgte mit dem Gesetz vom 26. Juni 2008 über die Abänderung des Personen‑ und Gesellschaftsrechts, LGBl 2008/220, eine Revision des Stiftungsrechts mit Wirkung ab 1. April 2009. In Teil II (Übergangsbestimmungen) dieses Gesetzes wird in Art. II die Möglichkeit der rechtlichen Sanierung von Altstiftungen, die vor dem 31. Dezember 2003 errichtet wurden und deren Stiftungszweck im Hinblick auf die Begünstigten nicht ausreichend bestimmt ist, geregelt. Da spätestens mit der Publikation des genannten Urteils des StGH vom 18. November 2003 die Rechtslage betreffend die Konkretisierung des Stiftungszwecks bekannt gewesen sein musste, räumt das Gesetz lediglich Stiftungen, die vor 2004 errichtet worden sind, die Sanierungsmöglichkeit ein (siehe hierzu Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein Nr. 13/2008, Art. 2 ‑ Anpassung an das neue Recht, Seite 132 ff).

63 Im gegenständlichen Fall liegt für die Stiftung eine Amtsbestätigung des Amts für Justiz, Fürstentum Liechtenstein, Handelsregister, vor, in welcher bestätigt wird, dass die Hinterlegung der Stiftung am 7. Dezember 2005 erfolgt ist.

64 Ob es dem Bundesfinanzgericht als relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften anzulasten ist, dass es die vom Revisionswerber angebotenen Beweise dafür, dass bereits 2004 ein Beistatut mit dem Revisionswerber als Begünstigten erstellt worden ist, nicht aufgenommen hat ‑ auch der Betriebsprüfer hatte den Revisionswerber für den Prüfungszeitraum als den Begünstigten der Stiftung gewertet ‑ kann im gegenständlichen Fall aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben:

65 Im Rahmen des Typenvergleichs stellt die Beurteilung eines Rechtsgebildes nach der ausländischen Rechtsordnung lediglich eines von vielen Indizien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung dar; der Typenvergleich endet nicht mit dieser. Es bedarf eines breiteren Vergleichs der Strukturelemente des ausländischen Gebildes mit Körperschaften des österreichischen Rechts. Erst wenn das Bundesfinanzgericht einen vollständigen Typenvergleich durchgeführt hat, kann beurteilt werden, ob die gegenständliche Stiftung aus der Sicht des österreichischen Ertragsteuerrecht ausnahmsweise nicht als Körperschaft einzustufen ist.

66 Das Bundesfinanzgericht hat seiner Begründungspflicht nicht entsprochen, weil dem angefochtenen Erkenntnis keine hinreichende Überlegungen zum Typenvergleich ‑ gegebenenfalls in Auseinandersetzung mit den im Akt befindlichen Gutachten ‑ zu entnehmen sind.

67 In Bezug auf die Verjährungfrist des § 207 Abs. 2 BAO ist das Bundesfinanzgericht für das Jahr 2007 von hinterzogener Einkommensteuer ausgegangen. Die Hinterziehung hält das Bundesfinanzgericht deshalb für erwiesen, weil das Oberlandesgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 13. Dezember 2017 den Einspruch des Revisionswerbers gegen die Anklageschrift abgewiesen hat.

68 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei Beurteilung der Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 BAO die Frage der Hinterziehung als Vorfrage eigenständig zu prüfen, solange keine rechtskräftige (verurteilende) Strafentscheidung vorliegt (VwGH 19.3.2003, 2002/16/0190). Die Abweisung eines Einspruchs gegen die Anklageschrift stellt keine Verurteilung dar. Das Bundesfinanzgericht hätte daher eigenständig prüfen und begründen müssen, warum hinterzogene Abgaben iSd § 207 Abs 2 BAO vorliegen.

69 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 16. November 2021

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