VwGH Ra 2021/03/0030

VwGHRa 2021/03/003012.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Ö AG in W, vertreten durch die Tautschnig Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt, Villacher Straße 1A/7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 18. November 2020, Zl. KLVwG‑962/8/2020, betreffend eine Angelegenheit nach dem EisbG (belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan; mitbeteiligte Parteien: 1. G H in P und 2. Dr. S H in E), den Beschluss gefasst:

Normen

EisenbahnG 1957 §43 Abs1
EisenbahnG 1957 §44
EisenbahnG 1957 §45

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030030.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das ‑ im Säumnisweg zuständig gewordene ‑ Verwaltungsgericht den Antrag der Revisionswerberin auf bescheidmäßige Vorschreibung der „Beseitigung des verbotswidrigen und sicherheitsgefährdenden Zustandes“ im Bereich des Schlosses E gemäß § 44 EisbG als unbegründet ab; die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

2 Dem legte das Verwaltungsgericht ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ zusammengefasst Folgendes zu Grunde:

3 Am 10. August 2016 sei ein Teil einer Stützmauer des im Eigentum der Mitbeteiligten stehenden Schlosses E abgebrochen und zusammen mit anderem Material in Richtung der Bahntrasse der von der Revisionswerberin betriebenen Gbahn abgerutscht. Nach Einbringung des verfahrenseinleitenden Antrags der Revisionswerberin sei erst nach Einbringung der Säumnisbeschwerde vom behördlichen Amtssachverständigen eine Befundaufnahme durchgeführt worden. Dabei sei festgestellt worden, dass mit der Sanierung des Teilverbruchs der Bestandmauer, südlich der Schlosskirche, bereits begonnen worden sei: Es sei das Fundament gegossen und inklusive Vormauerung im Fels verankert worden. Die seitlich stehen gebliebenen Wandteile haben keine Verformung aufgewiesen. Durch das Abräumen des losen Materials und die Fundamentierung des Teilverbruchs bestehe „aus hochbautechnischer Sicht derzeit kein weiterer Handlungsbedarf“.

4 Die Revisionswerberin habe dazu im Rahmen des Parteiengehörs geltend gemacht, seit dem Vorfall vom 10. August 2016 sei von den Mitbeteiligten keinerlei Bewuchs ‑ weder auf der südlichen noch der östlichen Stützmauer, von der wohl die größte Gefahr für die Bahnlinie ausgehe ‑ beseitigt worden. Dies stelle schon für sich alleine eine verbotswidrige Handlung (iSd § 43 Abs. 1 EisbG) dar, weil Pflanzen auf der Mauer mit ihrem Wurzelwerk die Außenmauern sukzessive zerstörten. Zudem würden auch in dem Bereich, in dem das neu gegossene Fundament mit Ankerschrauben im Fels verankert worden sei, die Pflanzen ungestört weiterwachsen und die Natursteinmauer zerstören.

5 Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vom 24. September 2020 habe der Amtssachverständige eine ergänzende Stellungnahme abgegeben: Nach derzeitigem Stand bestehe „keine Gefahr durch herabbröckelndes Mauerwerk etc.“. Es sei das ganze lose Material am Berghang und von der Kirche talwärts beseitigt und als Erstmaßnahme ein Gitter angebracht worden, um herabstürzende Steine abzufangen. Grundsätzlich könne eine Gefährdung bzw. ein Herabstürzen von Steinen „nie ganz ausgeschlossen“ werden und erscheine eine Begehung des Mauerwerks einmal jährlich im Frühjahr erforderlich, wobei der Hang auf loses Material überprüft und dieses gegebenenfalls entfernt werden müsse. Die Entfernung der Bepflanzung erscheine nicht erforderlich, weil auch mit Bepflanzung lockeres Material festgestellt und beseitigt werden könne. Zwar treffe es zu, dass durch Pflanzen bzw. Wurzeln Steine und Mauerwerk gesprengt werden könnten, doch passiere dies erfahrungsgemäß über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten. Eine Verformung der Stützmauer sei nicht erkennbar.

6 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe der § 43 Abs. 1 und § 44 EisbG aus, die Bepflanzung anrainender Grundstücke könne eine sonstige gefährdende Handlung iSd § 43 Abs. 1 EisbG begründen, wenn sie den sicheren Betrieb der Eisenbahn gefährde.

7 Ausgehend vom Gutachten des hochbautechnischen Amtssachverständigen bestehe aber derzeit keine Gefahr durch abstürzendes Material und es sei mit dem Drahtgeflecht eine dauerhafte Sicherung errichtet worden. Auch wenn gegebenenfalls in mehreren Jahrzehnten mit durch die ‑ nicht etwa angesetzte, sondern von selbst aufgekommene ‑ Vegetation bedingten Schäden zu rechnen sei und eine Gefährdung durch herabstürzende Steine nie ganz ausgeschlossen werden könne, handle es sich dabei um „eine Naturgegebenheit“ und könne dies keine verbotswidrige Handlung des Grundeigentümers begründen.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - außerordentliche - Revision.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht zusammengefasst Folgendes geltend:

13 Das angefochtene Erkenntnis weiche von der „ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Bauverbotsbereich nach § 42 EisbG und zum § 43 Abs 1 ff EisbG“ ab (verwiesen wird auf VwGH 31.3.1982, 81/03/0213, 30.6.1999, 98/03/0335, und 22.11.2016, Ra 2016/03/0025). Diese Judikatur verfolge den Zweck, eine sichere und nachhaltige Beseitigung bzw. Hintanhaltung von Gefährdungen sicherzustellen. Dagegen verstoße das angefochtene Erkenntnis, indem es, trotz der auf das Gutachten des Amtssachverständigen gestützten Feststellungen zum bestehenden Zustand, wonach „eine Gefährdung bzw. ein Herabstürzen von Steinen nie ganz ausgeschlossen werden“ könne, den Antrag der Revisionswerberin abgewiesen habe.

14 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht die relevanten Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beachtet.

15 Ein Antrag nach § 44 EisbG ‑ wie er vorliegend von der Revisionswerberin gestellt worden war ‑ zielt auf die Beseitigung (u.a.) eines verbotswidrigen Verhaltens, also eines Verhaltens, das gegen die Vorschriften der §§ 42 EisbG (Bauverbotsbereich), 43 EisbG (Gefährdungsbereich) oder 43a EisbG (Feuerbereich) verstößt.

16 Die eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geltend machenden Ausführungen sind schon deshalb nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision darzutun, weil nicht dargelegt wird, dass der revisionsgegenständliche Sachverhalt vergleichbar wäre mit jenem, der den bezeichneten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs jeweils zu Grunde lag (VwGH 81/03/0213 betraf die Herstellung einer Rampe im Nahbereich einer bestehenden Bahnstromanlage, 98/03/0335 die Anlegung einer Baumkultur im Gefährdungsbereich einer Gleisanlage, Ra 2016/03/0025 die Anbringung eines Drahtzauns im Nahebereich einer Bahntrasse; der vorliegende Fall liegt schon wegen der zeitlichen Abfolge ‑ das Schloss E wurde lange vor der G‑Bahn errichtet, und damit nicht in einem schon bestehenden Bauverbots‑, Gefährdungs‑ oder Feuerbereich gebaut ‑ entscheidend anders).

17 Die Revision zeigt aber auch keinen Verstoß gegen die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gezogenen Leitlinien zur Bemessung des Gefährdungsbereichs und dem anzulegenden Maßstab bei Beseitigung eines verbotswidrigen Zustands auf: § 43 Abs. 1 EisbG verfolgt den Zweck, die dort genannten Gefährdungen auszuschließen und stellt derart auf eine sichere und nachhaltige Beseitigung bzw. Hintanhaltung dieser Gefährdungen ab; diese sollen „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ ausgeschlossen werden (vgl. nur etwa VwGH 5.9.2018, Ra 2018/03/0053). Wenn das Verwaltungsgericht den Umstand, dass in der gegebenen Konstellation (Errichtung einer Bahnlinie am Fuß eines Felssteilhangs samt darauf errichtetem jahrhundertealten Schloss) trotz der festgestellten Sicherungsmaßnahmen „ein Herabstürzen von Steinen nie ganz ausgeschlossen werden“ könne, als „Naturgegebenheit“ gewertet (und damit insoweit dem allgemeinen Lebensrisiko zugeordnet) und einen darauf gestützten Beseitigungsanspruch nach § 44 EisbG verneint hat, wurden von ihm die maßgeblichen Leitlinien nicht überschritten.

18 Nur der Vollständigkeit ist darauf zu verweisen, dass allfällige Gefährdungen durch natürlichen Pflanzenwuchs innerhalb des Gefährdungsbereichs einer Eisenbahnanlage vom EisbG dem Regime des § 45 EisbG zugewiesen werden (vgl. VwGH 14.11.2006, 2004/03/0024), aber keinen Beseitigungsanspruch nach § 44 EisbG begründen.

19 Nach dem Gesagten werden in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. März 2021

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