VwGH Ra 2021/02/0012

VwGHRa 2021/02/00128.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Mag. D in R, vertreten durch Mag. Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 54, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 9. November 2020, LVwG‑S‑655/001‑2020, betreffend Übertretung des ASchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya), den Beschluss gefasst:

Normen

ArbeitsmittelV 2000 §17 Abs1
ASchG 1994 §130 Abs1 Z16
B-VG Art133 Abs4
EURallg
VwGG §34 Abs1
31989L0391 Arbeitnehmer-RL Sicherheit Gesundheitsschutz
31989L0391 Arbeitnehmer-RL Sicherheit Gesundheitsschutz Art16 Abs1
32009L0104 Arbeitnehmer-RL Sicherheit Gesundheitsschutz 02te
32009L0104 Arbeitnehmer-RL Sicherheit Gesundheitsschutz 02te Art2 litb

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020012.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 24. Februar 2020 wurde der Revisionswerberin vorgeworfen, es als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der D GmbH zu verantworten zu haben, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin am 6. März 2019 in der Arbeitsstätte R die Verpflichtungen betreffend die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt habe, weil durch den Arbeitnehmer B Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten bzw. Arbeiten zur Beseitigung von Störungen am Lastenaufzug durchgeführt worden seien, obwohl sich das Arbeitsmittel (Lastenaufzug) im Betrieb befunden habe. Es seien keine geeigneten Maßnahmen (z.B. Arbeitsmittel stromlos setzen) gesetzt worden, um ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten des Arbeitsmittels zu verhindern. Wegen der Verletzung des § 17 Abs. 1 Arbeitsmittelverordnung (AM‑VO) iVm. § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG wurde über die Revisionswerberin gemäß § 130 Abs. 1 ASchG eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.660,‑ ‑ (Ersatzfreiheitsstrafe 33 Stunden) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben.

2 Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) wies die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und verpflichtete die Revisionswerberin zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens. Weiters sprach es aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3 Das LVwG führte u.a. aus, dass der Arbeitnehmer B am 6. März 2019 an seiner Arbeitsstätte beim Lastenaufzug Nachschau gehalten habe, weil die mit dem Lastenaufzug transportierten Säcke beschädigt gewesen seien. Der Lastenaufzug sei in Betrieb gewesen. Im Krankenhaus habe der Mitarbeiter von einer Kontrolle des Antriebs- bzw. Hebegurtes des Aufzuges gesprochen, ein Sachverständiger habe nicht klären können, was zu überprüfen gewesen sei. Das Strafverfahren gemäß § 88 Abs. 1 StGB sei eingestellt worden. Es seien nach näher dargestellter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur konkrete Arbeiten vom Schutzumfang des ASchG umfasst, sondern auch Vorarbeiten oder die Besichtigung von Bereichen, wo gearbeitet werden solle. Die Art der Überprüfung sei unter § 17 Abs. 1 AM‑VO zu subsumieren, zumal die Säcke durch einen Fehler im Aufzugboden beschädigt worden seien und dieser Mangel zu reparieren gewesen sei.

4 Zum Vorwurf des Vorliegens einer Doppelbestrafung führte das LVwG u.a. aus, in der Einstellungsbegründung der Staatsanwaltschaft K werde die vorgeschriebene Nach- bzw. Umrüstung des Aufzuges sowie die nicht stattgefundene wiederkehrende Prüfung des Lastenaufzuges als nicht unfallkausal herangezogen. Der Umstand, dass die für allenfalls notwendige Reparaturarbeiten vorangegangene Nachschau bei laufendem Betrieb vorgenommen worden sei, sei von der Staatsanwaltschaft K offensichtlich nicht geprüft und in die Einstellungsbegründung aufgenommen worden. Es sei unbestritten, dass der Lastenaufzug zur Tatzeit in Betrieb gewesen und nicht abgeschaltet worden sei. Die Gefahr einer Doppelbestrafung sei nicht gegeben.

5 Das LVwG bejahte das Vorliegen der subjektiven Tatseite und begründete seine Strafbemessung.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurück- in eventu die Abweisung der Revision, jedoch keinen Aufwandersatz.

8 Die Revision erweist sich als unzulässig:

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 In diesen gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber im Falle der behaupteten Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall jedoch dennoch anders entschieden hat (vgl. VwGH 12.2.2020, Ra 2020/11/0005, mwN).

13 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG: gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche Gründe anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2014/19/0175, mwN).

14 Die in der Zulassungsbegründung zunächst aufgeworfenen Rechtsfragen hinsichtlich der behaupteten Abweichung von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einerseits zur Angabe der richtigen Fundstelle im Spruch eines Straferkenntnisses sowie andererseits zum Doppelbestrafungsverbot versagen schon deshalb jeweils als Zulässigkeitsgrund, weil dazu in den Revisionsgründen nichts mehr ausgeführt wird (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2014/06/0038; VwGH 20.5.2015, Ra 2014/19/0175; VwGH 25.1.2019, Ra 2018/20/0483; VwGH 16.12.2019, Ra 2019/05/0310, jeweils mwN).

15 Darüber hinaus wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, der Spruch des Straferkenntnisses stehe mit den Feststellungen in Widerspruch; es gebe keine Feststellungen zur Durchführung einer Prüfung oder von Wartungsarbeiten, es sei vielmehr nicht zu ermitteln gewesen, was am Lastenaufzug zu überprüfen gewesen wäre. Der Spruch enthalte auch keine konkreten Angaben bezüglich des Tatvorwurfes, es sei für die Revisionswerberin nicht nachvollziehbar, was ihr konkret vorgeworfen werde, der Tatbestand des § 17 Abs. 1 AM‑VO sei nicht verletzt worden. Der Arbeitnehmer habe lediglich Nachschau halten wollen, weshalb der Spruch vermissen lasse, welche konkreten Maßnahmen die Revisionswerberin zu setzen gehabt hätte, um den Arbeitsunfall zu verhindern. Eine Nachschau stelle kein Gefahrenpotential dar. Das LVwG sei daher von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 18.10.2012, 2012/04/0020) abgewichen.

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind maßgebliche Gesichtspunkte bei der Konkretisierung der Tat die Wahrung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und die Vermeidung der Gefahr einer Doppelbestrafung. Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist ‑ unter Rechtsschutzüberlegungen ‑ dann entsprochen, wenn im Spruch des Strafbescheides dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (VwGH 3.2.2020, Ra 2019/02/0172 ‑ 0173, mwN).

17 Angesichts des konkreten Spruches des Straferkenntnisses der belangten Behörde wird mit diesem Vorbringen kein Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aufgezeigt.

18 Das ASchG dient, wie auch die AM‑VO, unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 89/655/EWG (nunmehr 2009/104/EG ) über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG ). Der Richtlinie 2009/104/EG geht es wiederum insbesondere um den Arbeitnehmerschutz bei der „Benutzung von Arbeitsmitteln“, worunter gemäß Art. 2 lit. b der Richtlinie alle ein Arbeitsmittel betreffenden Tätigkeiten verstanden werden, wie An- oder Abschalten, Gebrauch, Transport, Instandsetzung, Umbau, Instandhaltung und Wartung, einschließlich insbesondere Reinigung (vgl. näher VwGH 15.4.2016, Ra 2016/02/0058, mwN).

19 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung wird angesichts der vom LVwG ‑ wenn auch disloziert ‑ getroffenen Feststellungen, dass vom Lastenaufzug Beschädigungen ausgingen, „eine Überprüfung“ stattgefunden habe und der Mangel am Aufzug zu beheben gewesen sei (S 13 des angefochtenen Erkenntnisses), keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

21 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 8. März 2021

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