Normen
FrÄG 2017
FrPolG 2005 §46 Abs2 idF 2017/I/145
FrPolG 2005 §46 Abs2a idF 2017/I/145
FrPolG 2005 §46 Abs2b idF 2017/I/145
FrPolG 2005 §46 Abs3 idF 2017/I/145
FrPolG 2005 §46a Abs1 Z3 idF 2017/I/145
FrPolG 2005 §46a Abs3 Z2 idF 2017/I/145
FrPolG 2005 §46a Abs3 Z3 idF 2017/I/145
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210543.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet im November 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, der letztlich mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 15. Jänner 2016 zur Gänze abgewiesen wurde. Unter einem erging gegen den Revisionswerber ‑ verbunden mit der Feststellung der Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Indien ‑ eine Rückkehrentscheidung. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 28. April 2016 ab.
2 Da der Revisionswerber nicht im Besitz eines Reisedokumentes war, leitete das BFA in der Folge ein Verfahren zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes („Heimreisezertifikat“) ein, wofür der Revisionswerber am 13. September 2016 ein entsprechendes Formular ausgefüllt hatte.
3 Bei einer zur Erörterung seiner Ausreiseverpflichtung durchgeführten Einvernahme vor dem BFA am 7. November 2019 antwortete der Revisionswerber auf die Frage, ob er „einmal zur indischen Botschaft wegen Ausstellung eines Reisedokumentes gegangen“ sei, er sei „drei‑ oder viermal dort“ gewesen, zuletzt im Oktober 2019. Er habe „dort ein Formular ausgefüllt und werde angerufen“. Anschließend erklärte er sich einverstanden, neuerlich ein Formular für die indische Botschaft zwecks Erlangung eines Heimreisezertifikates auszufüllen. Danach wurde ihm mitgeteilt, dass für ihn bei der „zuständigen Botschaft“ ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates gestellt werde, womit sich der Revisionswerber ausdrücklich einverstanden erklärte. Er wurde nach dem Inhalt der Niederschrift aber auch aufgefordert, selbständig bei der Botschaft „wegen Erlangung eines Heimreisezertifikates“ vorzusprechen und „sämtliche Ladungen an die Behörde“ zu befolgen. Der Aktenlage zufolge wurde sodann am 5. Dezember 2019 verfügt, ein „HRZ‑Verfahren“ zu führen.
4 Mit Eingabe vom 19. Jänner 2020 beantragte der Revisionswerber die Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG, weil seine Abschiebung aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheine. Zur Begründung wurde insbesondere vorgebracht, der Revisionswerber habe mit der indischen Botschaft (mehrmals) Kontakt aufgenommen, ihm sei aber kein Reisedokument ausgestellt worden. Auch die behördlichen Bemühungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes für den Revisionswerber, an dessen Identitätsangaben sich im Asylverfahren „keine Zweifel ergeben“ hätten, seien bisher erfolglos verlaufen. Der „Mangel an Dokumenten“ und die „Hinderungsgründe an einer Ausreise“ lägen somit nicht in seinem Einflussbereich.
5 Diesen Antrag wies das BFA mit Bescheid vom 26. Juni 2020 gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 1 Z 3 FPG im Wesentlichen deshalb ab, weil der Revisionswerber keinen Nachweis darüber erbracht habe, mehrmals bei der Botschaft gewesen zu sein. Es wäre ihm aber zumutbar gewesen, sich ein Reisedokument bei der indischen Botschaft zu beschaffen und Österreich aus Eigenem zu verlassen.
6 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde zwar auf die vom BFA als maßgeblich angesehene Pflicht zum Nachweis für die behaupteten Bemühungen zur Ausstellung eines Reisedokumentes nicht konkret eingegangen. In diesem Zusammenhang wurde aber neuerlich ins Treffen geführt, die indische Botschaft habe weder dem Revisionswerber „direkt“ noch dem BFA ein (Ersatz‑)Reisedokument ausgestellt. Dazu verwies der Revisionswerber auf ein angeblich „notorisch bekanntes Faktum“, dass indische Staatsangehörige, die ohne Dokumente nach Österreich gekommen seien, „vor großen Schwierigkeiten“ stünden, wenn sie „über die Botschaft Dokumente beantragen“. Wenn es dem BFA „über geraume Zeit“ nicht möglich gewesen sei, „trotz festgestellter Identität“ ein Heimreisezertifikat zu erhalten, sei es nur naheliegend, dass die Bemühungen des Revisionswerbers, „persönlich“ einen Reisepass zu erhalten, auch nicht gefruchtet hätten. Im Übrigen wurde in der Beschwerde wiederholt auf die immer gleichlautenden, nicht angezweifelten Identitätsangaben des Revisionswerbers und sein kooperatives Verhalten in Bezug auf die Erlangung eines Heimreisezertifikates verwiesen und dazu die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
7 Diese Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. November 2020 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach es aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
Auch das BVwG ging davon aus, der Revisionswerber habe entgegen § 46 Abs. 2 zweiter Satz FPG nicht nachgewiesen, dass er sich zwecks Ausstellung eines Reisedokumentes an die für ihn zuständige Botschaft gewandt, sich somit um die Ausstellung eines Reisedokumentes aus Eigenem bemüht habe. Er habe auch keinen Nachweis darüber erbracht, dass ihm dies nicht möglich gewesen wäre. Schriftliche Nachweise für eine Vorsprache bei der indischen Botschaft ‑ so hielt das BVwG dazu im Rahmen der Beweiswürdigung fest ‑ seien nicht vorgelegt worden. Offenbar mit Bezug auf das in der Beschwerde ins Spiel gebrachte Erfordernis von Dokumenten warf das BVwG dem Revisionswerber im Übrigen noch vor, er habe nicht dargelegt, weshalb er nicht im Wege seiner Familienangehörigen in Indien zu Identitätsdokumenten hätte gelangen können. Der Revisionswerber wäre aber verpflichtet gewesen, sich seit dem rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens Mitte 2016 um seine Ausreise zu bemühen, was er jedoch unterlassen bzw. nicht nachgewiesen habe. Eine Duldung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG sei daher ausgeschlossen.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen hat:
9 Die Revision ist ‑ entgegen dem diesbezüglichen, jedoch gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden Ausspruch des BVwG ‑ unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zur Klarstellung in der Folge erörterter Rechtsfragen zulässig; sie ist auch berechtigt.
10 Der mit „Duldung“ überschriebene § 46a FPG lautet in der seit 1. November 2017 geltenden Fassung des FrÄG 2017 ‑ soweit im vorliegenden Fall relevant ‑ auszugsweise wie folgt:
„§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange
...
3.deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder
...
(2) ...
(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er
1.seine Identität verschleiert,
2.einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder
3.an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.
(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. ...“
11 Mit den zitierten Tatbeständen des § 46a Abs. 3 FPG stehen die sich aus § 46 Abs. 2a FPG ergebenden Mitwirkungspflichten im Zusammenhang. Diese Bestimmung und der Abs. 2b des § 46 FPG lauten seit den Änderungen durch das FrÄG 2017 wie folgt:
„§ 46. ...
(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA‑VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.
(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA‑VG gilt.“
12 Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf zu hinzuweisen, dass weder das BFA noch das BVwG davon ausgegangen sind, der Revisionswerber habe durch sein Verhalten einen der im § 46a Abs. 3 FPG genannten Tatbestände verwirklicht und es sei deshalb „jedenfalls“ davon auszugehen, er habe die Gründe für das Vorliegen eines tatsächlichen Abschiebungshindernisses selbst zu vertreten (siehe im Übrigen zum darüber hinaus notwendigen Kausalzusammenhang VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0078, v.a. Rn. 17). Vielmehr hat er durch Ausfüllen der Formulare zur Erlangung eines Heimreisezertifikates am 13. September 2016 und am 7. November 2019 den Mitwirkungspflichten im Sinne des § 46 Abs. 2a FPG entsprochen.
13 Das BFA und das BVwG haben die Annahme im Sinne des § 46a Abs. 3 FPG demnach (nur) auf eine Verletzung der sich aus § 46 Abs. 2 FPG ergebenden Verpflichtungen gegründet. Diese Bestimmung lautet in der durch das FrÄG 2017 abgeänderten Fassung auszugsweise wie folgt:
„§ 46. (1) ...
(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat ‑ vorbehaltlich des Abs. 2a ‑ bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA‑VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. ...“
14 Im Initiativantrag zum FrÄG 2017, 2285/A BlgNR 25. GP 56, wurden die Änderungen in dieser Bestimmung wie folgt erläutert, wobei hier eine auszugsweise Wiedergabe erfolgt:
„Ein Fremder, gegen den eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wurde, ist grundsätzlich mit dem Eintritt von deren Durchsetzbarkeit zur Ausreise verpflichtet (§§ 52 Abs. 8, 70 Abs. 1). ...
Das Gesetz setzt es als Regelfall voraus, dass der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig, also aus eigenem Antrieb und ohne begleitende Zwangsmaßnahmen seitens des Bundesamtes bzw. ‑ in dessen Auftrag ‑ der Landespolizeidirektion (§ 5 BFA‑VG), nachkommt. Dies folgt aus § 46 Abs. 1, wonach eine Abschiebung nur unter den darin genannten (alternativen) Voraussetzungen in Betracht kommt, sowie aus den Bestimmungen über die Ausreisefrist (§§ 55, 56) und den Durchsetzungsaufschub (§§ 70 Abs. 3 und 4, 71). Liegen nun im Einzelfall bestimmte faktische Ausreisehindernisse vor, wie sie insbesondere im Fehlen eines für die Ausreise erforderlichen Reisedokumentes bestehen können, so ist es auch Teil einer freiwilligen Erfüllung der Ausreiseverpflichtung, sich aus Eigenem um die Beseitigung dieser Ausreisehindernisse zu kümmern, im Falle eines nicht (mehr) vorhandenen Reisedokumentes also zB. dessen Neuausstellung bei der zuständigen ausländischen (Vertretungs‑)Behörde zu beantragen. Der vorgeschlagene Abs. 2 trägt dem Rechnung und sieht daher vor, dass ein zur Ausreise verpflichteter Fremder grundsätzlich angehalten ist, das im Fehlen eines Reisedokumentes regelmäßig gelegene Ausreisehindernis im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst zu beseitigen. ... Die Pflicht des Fremden nach dem vorgeschlagenen neuen Abs. 2 umfasst unter anderem die Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes bei der dafür zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) sowie die Erstattung sämtlicher dazu erforderlicher Angaben, insbesondere die wahrheitsgemäße Angabe der Identität und die Bekanntgabe allfälliger sonstiger erkennungsdienstlicher Daten. ...“
15 Vor diesem Hintergrund erachtet es der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich für gerechtfertigt, die Voraussetzungen für eine Duldung gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG für nicht gegeben anzusehen, wenn der Fremde der sich aus § 46 Abs. 2 FPG ergebenden Verpflichtung, das Bestehen eines Ausreise‑ und/oder Abschiebehindernisses in Form des Fehlens von gültigen Reisedokumenten aus Eigenem zu beseitigen, nicht nachgekommen ist (vgl. in diesem Sinn zuletzt VwGH 19.9.2019, Ra 2019/21/0073, Rn. 18). Das gilt jedenfalls dann, wenn dem Fremden die Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtung ‑ wie in dem zuletzt genannten Fall ‑ mit rechtskräftigem Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b FPG aufgetragen worden war. Damit wird der sachlich gebotene Gleichklang mit der insbesondere von § 46a Abs. 3 Z 2 und 3 FPG erfassten Verletzung der Mitwirkungspflichten nach § 46 Abs. 2a FPG erreicht (siehe dazu auch noch unten in Rn. 19).
16 Im gegenständlichen Fall wurde dem Revisionswerber zwar kein bescheidmäßiger Auftrag gemäß § 46 Abs. 2 iVm Abs. 2b FPG zur selbständigen Beschaffung eines Reisedokumentes und zur Erbringung eines diesbezüglichen Nachweises erteilt, er wurde jedoch im Rahmen der Niederschrift vom 7. November 2019 aufgefordert, selbständig bei der Botschaft „wegen Erlangung eines Heimreisezertifikates“ vorzusprechen. Nun ist die gegenständliche Konstellation aber dadurch gekennzeichnet, dass vom BFA gleichzeitig ‑ jedenfalls seit Dezember 2019 wieder ‑ ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Revisionswerber geführt wird. Die gesetzliche Grundlage bietet hierfür der in Rn. 11 zitierte Abs. 2a des § 46 FPG, wonach das BFA jederzeit ermächtigt ist, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde das für die Abschiebung notwendige Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument einzuholen und der Fremde daran im erforderlichen Umfang mitzuwirken hat. Zum Verhältnis dieser Verpflichtung des Fremden zu jener nach Abs. 2 der genannten Bestimmung wurde in den in Rn. 14 genannten Gesetzesmaterialien (aaO. 57) zu § 46 Abs. 2a FPG Folgendes klargestellt:
„Die weitere Anpassung des ersten Satzes dahingehend, dass das Bundesamt nicht verpflichtet, sondern ermächtigt ist, die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde zu beschaffen, erfolgt vor dem Hintergrund des vorgeschlagenen neuen Abs. 2, auf dessen Erläuterungen verwiesen wird. Nach geltender Rechtslage ist es ausschließlich die Aufgabe des Bundesamtes, um die Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes bei der ausländischen Behörde anzusuchen und die hierfür notwendigen Daten zu übermitteln; eine daneben bestehende Verpflichtung des Fremden, außerhalb einer Amtshandlung des Bundesamtes aus Eigenem bei der ausländischen Behörde ein (Ersatz‑)Reisedokument zu beschaffen, ist vom geltenden Abs. 2 nicht gedeckt (VwGH 23.03.2017, Ro 2017/21/0005, Rz. 13). Demgegenüber sieht die vorgeschlagene Neufassung des Abs. 2 nunmehr vor, dass der Fremde ‑ vorbehaltlich der Ermächtigung des Bundesamtes nach Abs. 2a ‑ verpflichtet ist, sich eine für die (freiwillige) Ausreise erforderliche Bewilligung, insbesondere ein taugliches Reisedokument, selbst zu beschaffen und sämtliche dafür erforderliche Handlungen aus Eigenem zu setzen. Um insoweit keine einander widersprechenden Pflichten des Fremden ‑ einerseits zur Mitwirkung an einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Beschaffung der für die Abschiebung erforderlichen Bewilligung und andererseits zur eigenständigen Beschaffung eines Reisedokumentes außerhalb einer solchen Amtshandlung ‑ zu normieren, wird die bisherige (ausschließliche) Pflicht des Bundesamtes als Ermächtigung ausgestaltet.
Die Ermächtigung des Bundesamtes gemäß dem vorgeschlagenen Abs. 2a besteht grundsätzlich neben der eigenständigen Verpflichtung des Fremden gemäß Abs. 2. Dabei darf das Bundesamt jederzeit an die zuständige ausländische Behörde zum Zweck der Beschaffung einer Bewilligung für die Abschiebung herantreten; insbesondere ist es nicht erforderlich, dass der Fremde zunächst selbst gemäß Abs. 2 tätig wird, um sich ein Reisedokument zu beschaffen, und die Bemühungen des Fremden ergebnislos verlaufen sein müssen. Vielmehr steht es jederzeit im Ermessen des Bundesamtes, dem Fremden entweder die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes aufzutragen oder aber (sofort) gegenüber der ausländischen Behörde gemäß Abs. 2a tätig zu werden. Dies wird durch das Wort ‚jederzeit‘ in Satz 1 des vorgeschlagenen Abs. 2a klargestellt.“
17 Daran knüpfen folgende Erläuterungen zum Abs. 2 (aaO. 56) an, die sich auf die dort enthaltene Parenthese „vorbehaltlich des Abs. 2a“ beziehen:
„Wie auch in den Erläuterungen zu Abs. 2a festgehalten, besteht zwischen der Pflicht des Fremden zur eigenständigen Beschaffung eines Reisedokumentes und seiner Pflicht zur Mitwirkung an der Vorbereitung der Abschiebung durch das Bundesamt (Abs. 2a) insofern ein Rangverhältnis, als die zuerst genannte Pflicht nur dann zu erfüllen ist ‑ und dem Fremden nur dann mit Bescheid gemäß dem vorgeschlagenen Abs. 2b auferlegt werden kann ‑, wenn das Bundesamt von seiner Ermächtigung gemäß dem vorgeschlagenen Abs. 2a nicht Gebrauch gemacht hat. Dies soll mit der Wortfolge ‚vorbehaltlich des Abs. 2a‘ zum Ausdruck gebracht werden.“
18 Die Gesetzesmaterialien (v.a. der vorletzte Satz der in Rn. 16 zitierten Passage und die in Rn. 17 wiedergegebenen Erläuterungen) lassen keinen Zweifel, dass für den Fremden keine parallelen (laut dem letzten Satz des ersten Absatzes der in Rn. 16 zitierten Materialien: „einander widersprechenden“) Mitwirkungspflichten nach § 46 Abs. 2 FPG und nach § 46 Abs. 2a FPG bestehen sollen, mag dann auch von einem „grundsätzlichen“ Nebeneinander dieser Pflichten die Rede sein. Macht daher das BFA ‑ wie im vorliegenden Fall schon im Herbst 2016 und auch aktuell im Dezember 2019 ‑ von der Ermächtigung zur Führung eines amtswegigen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nach § 46 Abs. 2a FPG Gebrauch und ist der Revisionswerber seiner diesbezüglichen Mitwirkungspflicht nachgekommen, so bestand für ihn keine zusätzliche Verpflichtung, im Sinne des § 46 Abs. 2 FPG aus Eigenem bei der indischen Botschaft die Ausstellung eines Reisedokumentes zu beantragen und dafür einen Nachweis zu erbringen. Dem Revisionswerber durfte daher ‑ insoweit sind die Gesetzesmaterialien ebenfalls eindeutig ‑ auch kein diesbezüglicher Auftrag, der sich im Übrigen missverständlich auf die „Erlangung eines Heimreisezertifikates“ bezog und keinen Hinweis auf eine diesbezügliche Nachweispflicht enthielt, erteilt werden. In dieser Konstellation konnte daher die angenommene Nichterfüllung der sich aus § 46 Abs. 2 FPG ergebenden Verpflichtungen, die das BFA und das BVwG dem Revisionswerber zum Vorwurf machten, nicht zur Versagung einer Karte für Geduldete führen.
19 Abschließend ist in diesem Zusammenhang noch auf Folgendes hinzuweisen:
Dem Fremden wird zwar zumeist ‑ wie auch im vorliegenden Fall ‑ schon im Hinblick auf die Notwendigkeit, ein entsprechendes Formular mit den Identitätsangaben auszufüllen, die (beabsichtigte) Führung eines behördlichen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bekannt sein, aber er wird regelmäßig keine Kenntnis von dessen Stand und von seiner (erfolglosen) Beendigung haben. So kann auch den dem Verwaltungsgerichtshof gegenständlich vorgelegten Akten nicht entnommen werden, ob und wann das im Herbst 2016 eingeleitete Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Revisionswerber beendet wurde, und ob das im Dezember 2019 eingeleitete diesbezügliche Verfahren neu begonnen wurde oder ob es sich insoweit nur um eine Urgenz samt Übermittlung eines aktuell ausgefüllten Formulars mit den Identitätsangaben des Revisionswerbers handelt. Ebenso wird der Fremde nicht wissen, ob das BFA beabsichtigt, von seiner Ermächtigung nach § 46 Abs. 2a FPG gar nicht Gebrauch zu machen und ihn daher die gesetzliche Verpflichtung nach § 46 Abs. 2 FPG zur eigeninitiativen Besorgung eines Reisepasses trifft. Demzufolge wird es in der Regel eines diesbezüglichen konkreten Auftrags (samt Hinweis auf die Nachweispflicht) ‑ entweder in Form eines Bescheides nach § 46 Abs. 2b FPG oder im Rahmen einer Niederschrift oder sonst in Form einer entsprechenden Belehrung ‑ durch das BFA bedürfen, um dem Fremden bei dessen Nichtbefolgung einen Vorwurf im Sinne des § 46a Abs. 3 FPG machen zu können, die tatsächliche Unmöglichkeit seiner Abschiebung beruhe auf von ihm zu vertretenden Gründen. Wie bereits in Rn. 18 dargelegt und wie nochmals zu betonen ist, darf eine solche Aufforderung nach der geltenden Gesetzeslage aber nur dann ergehen, wenn kein behördliches Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates im Sinne des § 46 Abs. 2a FPG anhängig ist.
20 Das wurde vom BVwG verkannt, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
21 Von der in der Revision beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 und 6 VwGG abgesehen werden.
22 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 30. April 2021
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