VwGH Ra 2019/21/0073

VwGHRa 2019/21/007319.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des G S in K, vertreten durch Dr. Peter Krassnig, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Lidmanskygasse 39, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. Februar 2019, W191 2206967-1/2E, betreffend Karte für Geduldete (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §46 Abs2 idF 2017/I/145
FrPolG 2005 §46 Abs2b
FrPolG 2005 §46a Abs1 Z3
FrPolG 2005 §46a Abs3 Z3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210073.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach seiner Einreise ins Bundesgebiet am 20. Dezember 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit (in Rechtskraft erwachsenem) Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 22. Juli 2014, verbunden mit einer Rückkehrentscheidung und der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Indien, vollinhaltlich abgewiesen. 2 Der Revisionswerber verblieb in Österreich, wo ein für ihn beantragtes Heimreisezertifikat trotz mehrerer Urgenzen im Jahr 2015 nicht ausgestellt wurde.

3 Am 18. März 2016 wurde dem Revisionswerber, auf Grundlage der Voraussetzungen nach § 46a Abs. 1 Z 3 FPG, eine Karte für Geduldete ausgestellt. Eine Verlängerung für ein weiteres Jahr erfolgte am 17. März 2017.

4 Am 21. Februar 2018 beantragte der Revisionswerber neuerlich die Verlängerung der Duldungskarte gemäß § 46a Abs. 5 FPG. 5 Mit Mandatsbescheid vom 25. Juli 2018 trug das BFA dem Revisionswerber daraufhin gemäß § 46 Abs. 2 und 2b FPG auf, bei der Indischen Botschaft in Wien ein Reisedokument einzuholen, bei Ausstellung des Reisedokuments dieses dem BFA vorzulegen und diesem die Erfüllung des eben genannten Auftrags binnen vier Wochen nachzuweisen.

6 Mit Eingabe vom 20. August 2018 teilte der (anwaltlich vertretene) Revisionswerber dem BFA hiezu mit, versucht zu haben, sich ein Reisedokument zu beschaffen (ohne Nennung eines Datums), was allerdings nicht gelungen sei. Die Indische Botschaft habe ihm schon deshalb kein Ersatzreisedokument ausgestellt, weil er nicht im Besitz eines Lichtbildausweises sei.

7 Mit Bescheid vom 20. September 2018 wies das BFA daraufhin den Antrag auf Verlängerung der Karte für Geduldete vom 21. Februar 2018 gemäß § 46a Abs. 5 iVm Abs. 1 Z 3 FPG ab. 8 Begründend verwies das BFA auf die Änderung der Rechtslage seit der Erteilung und Verlängerung der Karte für Geduldete. Nunmehr sei der Revisionswerber gemäß § 46 Abs. 2 FPG verpflichtet, selbst ein Reisedokument bei der zuständigen Botschaft zu besorgen. Mit dem erwähnten Mandatsbescheid vom 25. Juli 2018 sei er an diese Pflicht erinnert worden. Dennoch sei er seiner Mitwirkungspflicht in keinem Punkt nachgekommen. Auch habe er keine Bestätigung der Botschaft vorgelegt, dass er sich erfolglos um die Ausstellung eines Reisedokuments bemüht oder versucht hätte, entsprechende Dokumente (etwa von Angehörigen auf postalischem Weg) zu besorgen. Es bestehe kein Nachweis dafür, dass er zwecks Ausstellung eines Reisedokuments bzw. Feststellung seiner Identität überhaupt mit der Indischen Botschaft in Wien Kontakt aufgenommen habe. Die faktische Unmöglichkeit der Abschiebung sei somit dem Revisionswerber zuzurechnen. Da der Revisionswerber an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht ausreichend mitgewirkt habe (§ 46a Abs. 3 Z 3 FPG) und demnach die Voraussetzungen der Duldung gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG nicht weiter vorlägen, sei der Antrag auf Verlängerung der Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 5 FPG abzuweisen.

9 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, in der er vor allem das Unterbleiben von Ermittlungen der Behörde zur geltend gemachten Erfolglosigkeit des ihm erteilten Auftrags rügte. Eine Anfrage an die Indische Botschaft hätte ergeben, dass er einen entsprechenden Antrag "wohl" gestellt hätte, ihm aber ein Reisepass nicht ausgestellt werde.

10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 1. Februar 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde gemäß § 46a FPG als unbegründet ab. Es erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

11 Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber habe kein indisches Reisedokument vorgelegt und weder in seiner Stellungnahme noch in der Beschwerde nachvollziehbar dargestellt, dass er sich um die Ausstellung eines solchen Dokuments bemüht und die Behörde dessen Ausstellung verweigert hätte. Insoweit habe er keine Bestätigung vorgelegt, sodass es bei bloßen Behauptungen geblieben sei. Infolge Nichterfüllung der dem Revisionswerber treffenden Pflicht, aus eigenem ein Reisedokument zu beantragen, sowie wegen Unterlassung des entsprechenden Nachweises gegenüber dem BFA sei dessen (in Rn. 8 dargestellte) rechtliche Argumentation nicht zu beanstanden; die Beschwerde sei als unbegründet abzuweisen.

12 Die dagegen erhobene Revision erweist sich als unzulässig:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

14 In dieser Hinsicht rügt der Revisionswerber die Nichterledigung der von ihm in seiner Beschwerde beantragten Einholung einer Auskunft der Indischen Botschaft, "wonach (er) um Ersatzdokumente angesucht hätte", eine "entsprechende Antwort" aber nicht erteilt bzw. die entsprechenden Papiere nicht ausgestellt worden seien, als Mangel des Verfahrens vor dem BVwG. 15 § 46 Abs. 2 FPG (idF des FrÄG 2017) lautet auszugsweise:

"(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen.

..."

Der Initiativantrag zum FrÄG 2017, 2285/A BlgNR 25. GP  56, führt zu dieser Bestimmung u.a. aus:

"Satz 2 sieht vor, dass der Fremde die Erfüllung seiner Pflichten dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen hat. Die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes und die Erstattung der dazu erforderlichen Angaben gemäß Abs. 2 erfolgt im Zusammenwirken zwischen dem Fremden und der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat), also ohne direkte Einbeziehung des Bundesamtes. Das Bundesamt hat daher ein Interesse daran, über die diesbezüglichen Maßnahmen des Fremden und deren Erfolg unterrichtet zu sein, zumal die Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß Abs. 2 nicht nur zur Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, einschließlich der Beugehaft, führen kann, sondern auch für die Prüfung der Zulässigkeit einer (späteren) Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen ist ..."

16 Der Revisionswerber übersieht bei seiner Mängelrüge, dass der ihm - im Einklang mit der eben dargestellten Rechtslage - erteilte Auftrag vom 25. Juli 2018 (laut Rn. 5) umfasste, im Fall der Erfolglosigkeit der Antragstellung vor der Indischen Botschaft jedenfalls diese Antragstellung nachzuweisen. Dass ihm die Erbringung eines derartigen Nachweises nicht möglich sei, hat der Revisionswerber, anders als in der Revision angedeutet, aber in seiner Beschwerde - nicht einmal das Datum einer Antragstellung bei der Indischen Botschaft präzisierend - gar nicht behauptet. 17 Die vom BVwG hieraus beweiswürdigend gezogene Folgerung, eine Kontaktaufnahme des Revisionswerbers mit der Indischen Botschaft in Wien zwecks Ausstellung eines Reisedokuments habe nicht stattgefunden, erweist sich als schlüssig.

18 Im Hinblick darauf durfte das BVwG, ohne dass weitere Erhebungen erforderlich gewesen wären, von einer Verletzung der Mitwirkungspflicht des Revisionswerbers, der dem (in Rn. 5) genannten, ihm vom BFA erteilten Auftrag nach § 46 Abs. 2b FPG nicht nachgekommen war, iSd § 46a Abs. 3 Z 3 FPG ausgehen. Auf dieser Basis ist fallbezogen auch der gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG gezogene Schluss des BVwG, dass die Abschiebung aus tatsächlichen, allerdings vom Fremden zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint, sodass die Voraussetzungen der Duldung nach dieser Gesetzesstelle nicht weiter vorliegen, vertretbar (vgl. dazu etwa VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0078, Rn. 9 und 17, mwN). 19 Insgesamt zeigt der Revisionswerber somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, weshalb die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

Wien, am 19. September 2019

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte