Normen
AVG §68 Abs1
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §38
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020170025.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 21. Juli 2017 wurde der Revisionswerber als Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der U.s.r.o. der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild Glücksspielgesetz ‑ GSpG iVm § 9 Abs. 1 VStG mit einem Glücksspielgerät schuldig erkannt. Es wurde über ihn gemäß „§ 52 Abs. 2, 1. Fall“ GSpG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 5.000,‑ ‑ (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Weiters wurde ihm ein Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens vorgeschrieben. Begründend führte die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg zur Strafbemessung (u.a.) aus, es seien diverse Vormerkungen als erschwerend gewertet worden.
2 Mit Erkenntnis vom 16. Oktober 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde ab. Es verpflichtete den Revisionswerber zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3 Mit Erkenntnis vom 1. April 2019, Ra 2018/17/0230, hob der Verwaltungsgerichtshof dieses Erkenntnis im Umfang seines Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, es liege in Bezug auf die Strafsanktionsnorm ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung vor, sodass sich dem (damals) angefochtenen Erkenntnis nicht eindeutig entnehmen lasse, welcher Strafrahmen angewendet worden sei. Im Übrigen wurde die gegen das Erkenntnis vom 16. Oktober 2018 erhobene Revision zurückgewiesen.
4 Das LVwG wies mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde des Revisionswerbers, „soweit sie sich gegen das Ausmaß der verhängten Strafe richtet“, neuerlich ab. Es berichtigte die Strafsanktionsnorm auf „§ 52 Abs. 2 zweiter Fall GSpG“ (Spruchpunkt 1.). Das LVwG erlegte dem Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auf (Spruchpunkt 2.) und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3.).
5 Dagegen wendet sich vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 12. September 2019, Rs. C‑64/18 u.a., Maksimovic u.a., wird angesichts der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 52 Abs. 2 zweiter Strafsatz GSpG keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt (vgl. dazu ausführlich VwGH 14.9.2020, Ro 2020/17/0015, wonach das Unionsrecht auch in Bezug auf § 52 Abs. 2 zweiter Strafsatz GSpG der uneingeschränkten Anwendung des GSpG nicht entgegensteht).
10 Die Revision bringt zur Zulässigkeit weiters vor, dem angefochtenen Erkenntnis sei nicht zu entnehmen, ob die vom LVwG der Anwendung des zweiten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG zugrunde gelegten „vier einschlägigen Vormerkungen“ zum maßgeblichen Tatzeitpunkt bereits formell rechtskräftig gewesen seien.
11 Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch begründet.
12 Das LVwG hat der Bestrafung des Revisionswerbers nunmehr ausdrücklich den zweiten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG zugrunde gelegt.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von einer „Wiederholung“ im Sinn dieser Gesetzesbestimmung nur dann gesprochen werden, wenn zumindest eine einschlägige Vorstrafe vorliegt. Nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes bestimmt die Einordnung der Vortat, ob ein „Wiederholungsfall“ im Sinn des zweiten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen höchstens drei Übertretungen) bzw. vierten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen mehr als drei Übertretungen) vorliegt (vgl. VwGH 4.1.2021, Ra 2019/17/0094, mwN). Der im Fall „der erstmaligen und weiteren Wiederholung“ vorgesehene zweite Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG setzt nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes die Bestrafung wegen einer Vortat nach dem ersten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG voraus, bezieht sich das strafsatzbestimmende Kriterium der Wiederholung in diesem Fall doch auf die Übertretung des Abs. 1 Z 1 leg. cit. mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen (vgl. VwGH 17.2.2020, Ra 2018/17/0182, mwN). Maßgeblich sind dabei „Vorstrafen“, die im Tatzeitraum bereits formell rechtskräftig waren (vgl. VwGH 8.6.2020, Ra 2020/17/0029, mwN).
14 Im Hinblick auf den angewendeten Strafsatz verweist das LVwG im angefochtenen Erkenntnis lediglich darauf, dass der Revisionswerber „vier einschlägigen Vormerkungen nach § 52 Abs. 2 erster Fall GSpG aus der Zeit von 2015 bis 2017“ aufweise und dass „somit ein Wiederholungsfall“ vorliege. Ob die Strafen im vorliegenden Tatzeitraum bereits formell rechtskräftig waren, ist dem angefochtenen Erkenntnis aber nicht zu entnehmen.
15 Das angefochtene Erkenntnis entzieht sich insoweit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit; es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
16 Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das übrige Revisionsvorbringen (zum Verhältnis von verhängter Geld‑ und Ersatzfreiheitsstrafe) einzugehen.
17 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. März 2021
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
