VwGH Ra 2019/17/0094

VwGHRa 2019/17/00944.1.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M D in U, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 3. Juli 2019, E 018/07/2018.024/014, übersetzt in die tschechische Sprache zu E 018/07/2018.024/012, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mattersburg),

Normen

GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2014/I/013
RHStRÜbk Eur 2005 Art5 Abs3
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019170094.L00

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4. Jänner 2018 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der vierfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erster Fall Glücksspielgesetz ‑ GSpG iVm § 9 Abs. 1 VStG für schuldig erkannt. Es wurden über ihn vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 30.000,‑ ‑ (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt, weil von der von ihm vertretenen Gesellschaft in der Zeit von 19. August 2016 bis 9. September 2016 in einem näher genannten Betrieb in M verbotene Ausspielungen veranstaltet worden seien.

2 Das Landesverwaltungsgericht Burgenland (LVwG) wies die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde ab (Spruchpunkt I.) und schrieb dem Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vor (Spruchpunkt II.). Weiters sprach das LVwG aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).

3 Dagegen wendet sich vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Liegen ‑ wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe ‑ trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. VwGH 30.8.2019, Ra 2019/17/0057).

8 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit zunächst geltend, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, weil dem Revisionswerber die Aufforderung zur Rechtfertigung entgegen dem Art. 5 Abs. 3 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 65/2005, ausschließlich in deutscher Fassung an seinen Wohnsicht in Tschechien übermittelt worden sei. Der Revisionswerber „spricht kein Deutsch“ und habe seinen Wohnsitz in Tschechien. Daher bilde das in die tschechische Sprache übersetzte Straferkenntnis die erste wirksame Verfolgungshandlung, dass allerdings außerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 1 erster Satz VStG ergangen sei.

9 Nach Art. 5 Abs. 3 erster Satz des genannten Übereinkommens ist bei Übersendung einer für eine Person, die sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union aufhält, bestimmten Verfahrensurkunde die Urkunde ‑ oder zumindest deren wesentlicher Inhalt ‑ in die Sprache oder in eine der Sprachen des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet der Empfänger sich aufhält, zu übersetzen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefasst ist, unkundig ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VwGH 17.6.2019, Ra 2019/02/0029). Dass im Revisionsfall der belangten Behörde solche Anhaltspunkte vorgelegen wären, ist dem Zulässigkeitsvorbringen aber nicht zu entnehmen, sodass schon aus diesem Grund keine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zukäme, vorliegt.

10 Die Revision bringt weiters vor, das LVwG hätte den (für den Revisionswerber günstigeren) dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG heranziehen müssen, weil die der Beurteilung als Wiederholungstat zugrunde gelegten Bestrafungen bei Begehung der Tat noch nicht rechtskräftig gewesen seien und die diesen zugrunde liegenden Handlungen schon in zeitlicher Hinsicht keine Vortaten im Sinne des § 52 Abs. 2 vierter Strafsatz GSpG darstellen könnten.

Damit erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch begründet.

11 Das LVwG hat der Bestrafung des Revisionswerbers den vierten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG zugrundegelegt.

12 § 52 Abs. 2 GSpG in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2014 ‑ AbgÄG 2014, BGBl. I Nr. 13/2014, lautet:

13 „Bei Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen ist für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe in der Höhe von 1 000 Euro bis zu 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 6 000 Euro bis zu 60 000 Euro zu verhängen.“

14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von einer „Wiederholung“ im Sinn dieser Gesetzesbestimmung nur dann gesprochen werden, wenn zumindest eine einschlägige Vorstrafe vorliegt. Nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes bestimmt die Einordnung der Vortat, ob ein „Wiederholungsfall“ im Sinn des zweiten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen höchstens drei Übertretungen) bzw. vierten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen mehr als drei Übertretungen) vorliegt. Der im Fall „der erstmaligen und weiteren Wiederholung“ vorgesehene vierte (und hinsichtlich der Strafhöhe strengste) Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG setzt die Bestrafung wegen einer Vortat nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG voraus, bezieht sich das strafsatzbestimmende Kriterium der Wiederholung doch auf die Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen (vgl. VwGH 17.2.2020, Ra 2018/17/0182, mwN).

15 Die Heranziehung des vierten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG kann aber nur mit dem Vorliegen von solchen Vorstrafen nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG begründet werden, die im Tatzeitraum bereits formell rechtskräftig waren (vgl. VwGH 21.1.2020, Ra 2019/09/0092, 0093).

16 Im angefochtenen Erkenntnis stützte das LVwG die Heranziehung des vierten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG auf die Feststellung des Vorliegens von vier einschlägigen verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen bzw. Straferkenntnisse, die in der Zeit zwischen 28. April 2017 und 17. Mai 2017 rechtskräftig geworden seien. Damit hat es aber im Revisionsfall seiner Entscheidung, bei der Strafbemessung den vierten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG heranzuziehen, ausschließlich solche Bestrafungen des Revisionswerbers, die im Zeitpunkt der Begehung der ihm angelasteten Tat noch nicht rechtskräftig waren, zugrunde gelegt.

17 Das LVwG hat damit die Rechtslage verkannt und das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

18 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

19 Im Übrigen (behaupteter Eintritt der Verfolgungsverjährung) war die Revision hingegen aus den oben dargelegten Gründen zurückzuweisen.

20 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 4. Jänner 2021

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