Normen
BAO §115 Abs1
BAO §167 Abs2
BAO §31
BAO §34
BAO §45
BAO §45 Abs1
BAO §45 Abs2
EStG 1988 §30 Abs1
EStG 1988 §30b Abs2
EStG 1988 §30b Abs4
EStG 1988 §30b Abs5
EStG 1988 §30c Abs4
EStG 1988 §31
EStG 1988 §34
EStG 1988 §45 Abs2
KStG 1988 §21 Abs3 Z4
KStG 1988 §24 Abs2
KStG 1988 §5 Z6
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019150046.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es die Körperschaftsteuer betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Bei der mitbeteiligten Partei, einer im Sinne der §§ 34 ff BAO gemeinnützigen und nach § 4a Abs. 2 Z 3 EStG 1988 spendenbegünstigten Körperschaft im Bereich der Kinder- und Jugendfürsorge, wurde eine Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer stellte fest, die mitbeteiligte Partei habe im Jahr 2013 geerbte Grundstücke veräußert und die Veräußerungserlöse steuerfrei belassen. Die steuerfreie Veräußerung der Grundstücke wäre nur möglich, wenn diese Betriebsvermögen eines unentbehrlichen Hilfsbetriebes darstellten. Ein unentbehrlicher Hilfsbetrieb sei jener, von einer begünstigte Zwecke verfolgenden Körperschaft geführte wirtschaftliche Geschäftsbetrieb, der in seiner Gesamtrichtung auf die Erfüllung der definierten begünstigten Zwecke eingestellt sei (§ 45 Abs. 2 lit. a BAO), ohne den die begünstigten Zwecke nicht erreichbar seien (§ 45 Abs. 2 lit. b BAO) und der zu abgabepflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb trete, als dies bei Erfüllung des Zweckes unvermeidbar sei (§ 45 Abs. 2 lit. c BAO). Die geerbten Grundstücke würden für die Erfüllung der begünstigten Zwecke, für die die Mitbeteiligte eintrete, nicht benötigt und daher veräußert. Sie seien keinem begünstigten Hilfsbetrieb, sondern der allgemeinen Sphäre der mitbeteiligten Partei zuzurechnen, woraus sich eine abgabenrechtliche Behandlung analog zu privaten Grundstücksveräußerungen im Sinne des § 30 EStG 1988 ergebe.
2 Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ am 12. Jänner 2016 einen Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2013, in welchem es die Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen mit 591.152,88 € und die darauf entfallende Körperschaftsteuer (unter Berücksichtigung der an das Finanzamt abgeführten Immobilienertragsteuer von 1.050 €) mit 146.738 € festsetzte.
3 Die mitbeteiligte Partei brachte gegen den im Anschluss an die Außenprüfung ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 2013 Beschwerde ein.
4 Das Finanzamt erließ am 7. November 2017 eine Beschwerdevorentscheidung und änderte den Körperschaftsteuerbescheid 2013 ‑ zum Nachteil der mitbeteiligten Partei ‑ insoweit ab, als es die Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen für das Jahr 2013 mit 600.135,52 € und die darauf entfallende Körperschaftsteuer mit 148.984,00 € festsetzte.
5 Die mitbeteiligte Partei beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und brachte im Vorlageantrag auf das Wesentliche zusammengefasst vor, im Revisionsfall greife die Steuerbefreiung gemäß § 21 Abs. 3 Z 4 KStG 1988, weil die gesamte Tätigkeit der mitbeteiligten Partei einen unentbehrlichen Hilfsbetrieb (Zweckverwirklichungsbetrieb) iSd § 45 Abs. 2 BAO darstelle, der in nur einer Buchhaltung abgebildet werde. Um diesen Betrieb führen zu können, seien öffentliche Gelder, Spenden und Erbschaften notwendig. Das Wirken der mitbeteiligten Partei werde mit ihrem Namen derart stark in Verbindung gebracht, dass Spenden an eine allgemeine Sphäre auszuschließen seien. Erbschaften, die in Geld oder in Sachvermögen bestünden, würden von der mitbeteiligten Partei zunächst als Umlaufvermögen des unentbehrlichen Hilfsbetriebes verbucht und stellten dessen notwendiges Betriebsvermögen dar. Für die Tätigkeit der mitbeteiligten Partei verwendbare Vermögensgegenstände oder Grundstücke würden in weiterer Folge in das Anlagevermögen übertragen. Alle anderen Vermögensgegenstände würden sofort verkauft, weil die finanziellen Mittel für den unentbehrlichen Hilfsbetrieb notwendig seien. Die Übertragungen von Grundstücken im Erbwege erfolge ausschließlich dazu, die Arbeit im Zweckerfüllungsbetrieb der mitbeteiligten Partei zu ermöglichen.
6 Am 1. Februar 2018 erging ein ‑ von der Abgabenerklärung der mitbeteiligten Partei abweichender ‑ Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2014, mit welchem das Finanzamt die Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen für das Jahr 2014 mit 433.874,00 € und die darauf entfallende Körperschaftsteuer (unter Berücksichtigung der an das Finanzamt abgeführten Immobilienertragsteuer von 39.480 €) mit 68.989,00 € festsetzte.
7 Die mitbeteiligte Partei erhob auch gegen diesen Bescheid Beschwerde.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden gegen die Körperschaftsteuer 2013 und 2014 Folge und änderte die angefochtenen Bescheide dahin ab, dass es die Körperschaftsteuer 2013 unter Anrechnung der entrichteten Immobilienertragsteuer mit minus 1.050 € und Körperschaftsteuer 2014 mit minus 39.480 € festsetzte; zudem wurde über Anspruchszinsen abgesprochen. Nach Schilderung des Verfahrensganges traf das Bundesfinanzgericht die Sachverhaltsfeststellung, dass der mitbeteiligten Partei u.a. im Jahr 2013 aus dem Verkauf von 16 Liegenschaften Einnahmen in Höhe von 2,330.928,62 € und im Jahr 2014 aus dem Verkauf von 12 Liegenschaften Einnahmen in Höhe von 2,805.100 € zugeflossen seien. Die Liegenschaften seien der mitbeteiligten Partei, welche über eine eigene Abteilung verfüge, um potentielle Erblassende davon zu überzeugen, sie im Testament als Erbin einzusetzen, vererbt und veräußert worden. Die Veräußerungserlöse seien für die Erfüllung der begünstigten Zwecke erforderlich und würden auch dafür verwendet.
9 Das Bundesfinanzgericht traf weiter die Sachverhaltsfeststellung, dass die unterschiedlichen, die Kinder- und Jugendfürsorge betreffenden Tätigkeiten der Mitbeteiligten einen einzigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb iSd § 45 Abs. 2 BAO darstellten, der gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken diene. Die zur Erfüllung des Vereinszwecks erforderlichen Mittel würden laut den Statuten u.a. aufgebracht durch Tagsätze der Jugendwohlfahrtsbehörden, staatliche Unterstützungen für Familien, Zuschüsse und Subventionen öffentlicher und privater Stellen, Erträgnisse aus dem Vermögen des Vereins, freiwillige Zuwendungen (wie Spenden und Nachlässe) sowie Erträge aus wirtschaftlichen Einrichtungen des Vereins, soweit dies mit den Bestimmungen der §§ 34 ff BAO vereinbar sei.
10 Im Abschnitt „Beweiswürdigung“ führt das Bundesfinanzgericht aus, die dem Mitbeteiligten zugewendeten und in den Streitjahren veräußerten Liegenschaften seien dem unentbehrlichen Hilfsbetrieb zuzuordnen. Die Zuwendungen (Erbschaften, Schenkungen) seien durch diesen Betrieb veranlasst, diesem dienlich und damit Betriebseinnahmen. Die Gewinne aus der Veräußerung der Liegenschaften gehörten folglich ebenfalls zum unentbehrlichen Hilfsbetrieb. Dies ergebe sich aus Folgendem:
11 Die gesamte Tätigkeit der mitbeteiligten Partei sei nach der Satzung und tatsächlich auf die Erfüllung der begünstigten Zwecke und den Betrieb der dafür erforderlichen Einrichtungen ausgerichtet und stelle einen einheitlichen Zweckverwirklichungsbetrieb (unentbehrlicher Hilfsbetrieb iSd § 45 Abs. 2 BAO) dar. Neben den Tätigkeiten im Zweckverwirklichungsbetrieb entfalte die mitbeteiligte Partei ‑ abgesehen von der Mitgliederbetreuung und der Durchführung der Mitgliederversammlung ‑ praktisch keine Aktivitäten. Dass die mitbeteiligte Partei sonstige außerbetriebliche Aktivitäten entfalte oder sonstiges außerbetriebliches Vermögen habe, dem die zugewendeten Liegenschaften zuzuordnen wären, habe das Finanzamt trotz Außenprüfung nicht festgestellt. Es gehe davon aus, dass die Liegenschaften für sich, ohne jeglichen Bezug zum Zweckverwirklichungsbetrieb außerbetriebliches Vermögen darstellten.
12 Der Feststellung des Finanzamts, ein Zusammenhang der geerbten Liegenschaften mit dem unentbehrlichen Hilfsbetrieb der mitbeteiligten Partei sei nicht gegeben, könne nicht gefolgt werden, auch nicht dem Argument, dass ein Zusammenhang nur dann gegeben wäre, wenn die Liegenschaften für die Erfüllung der begünstigten Zwecke verwendet würden. Die mitbeteiligte Partei sei von Spenden und Zuwendungen (Schenkungen und Erbschaften) abhängig, für die sie mit den für die Zweckverwirklichung erforderlichen Einrichtungen werbe. Dadurch sei sie der Öffentlichkeit auch bekannt. Schon daraus ergebe sich, dass mittels Schenkungen und Erbschaften erfolgende Geld- und Sachzuwendungen, also auch jene der gegenständlichen Liegenschaften, dem betrieblichen Bereich der mitbeteiligten Partei zuzurechnen, durch diesen veranlasst und aufgrund der Vermögensmehrung dem einheitlichen Zweckverwirklichungsbetrieb tatsächlich dienlich seien. Weiters sei davon auszugehen, dass diese Vermögensmehrung von den Spendenden so gewollt sei und zwar nicht nur dann, wenn diese eine konkrete Widmung für eine betriebliche Einheit verfügten (z.B. Verwendung der Liegenschaft für den Betrieb einer Einrichtung). Spendende, die den Betrieb der mitbeteiligten Partei wahrnähmen, wollten den Betrieb mit ihrer Zuwendung stärken. Anhaltspunkte dafür, dass diese ihre Liegenschaft nicht dem Zweckverwirklichungsbetrieb zuwenden wollten, seien nicht erkennbar. Zu Recht weise die mitbeteiligte Partei darauf hin, dass nur der allumfassende unentbehrliche Hilfsbetrieb öffentlich wahrgenommen werde und demzufolge Spenden in einen anderen Bereich auszuschließen seien. Außerhalb des Zweckverwirklichungsbetriebes gebe es nur Mitgliederversammlungen und Aufsichtsratssitzungen, in welchen die ideologischen Parameter sowie die mildtätigen Zielsetzungen festgelegt würden. Für das Bundesfinanzgericht bestehe kein Zweifel, dass die Spendenden mit dem Vererben der Liegenschaften den betrieblichen Bereich der mitbeteiligten Partei fördern wollten. Dieser Wunsch zeige sich auch bei einer vom Finanzamt erwähnten Liegenschaft, die vom Erblasser mit einer Zweckwidmung versehen worden sei. Auch wenn die mitbeteiligte Partei den Wunsch des Erblassers nicht habe vollständig umsetzen können, ihn aber mit einer der Zweckwidmung nahestehenden Lösung erfüllt habe, ändere dies nichts an der Tatsache, dass der Erblasser ausdrücklich die Zuwendung in den unentbehrlichen Hilfsbetrieb im Auge gehabt habe und nicht die Förderung einer allgemeinen Vereinssphäre. Hervorzuheben sei zudem die vom Finanzamt nicht bestrittene Tatsache, dass die Einnahmen aus der Veräußerung der vererbten Liegenschaften ausschließlich im unentbehrlichen Hilfsbetrieb verwendet worden seien und der Betrieb ohne diese Einnahmen nicht möglich wäre.
13 Wenn die Zuwendung der Liegenschaften durch den unentbehrlichen Hilfsbetrieb der mitbeteiligten Partei veranlasst sei und die Liegenschaften dem Betrieb als Vermögenswert dienten, gehörten sie zum Betriebsvermögen dieses Betriebes. Der für (steuerbefreite) Betriebseinnahmen erforderliche wirtschaftliche Bezug zum unentbehrlichen Hilfsbetrieb liege vor. Wenn aber die Zuwendungen der „gespendeten“ Liegenschaften ‑ wie alle anderen von der mitbeteiligten Partei bezogenen Spenden und Zuwendungen ‑ betrieblich veranlasste Einnahmen des unentbehrlichen Hilfsbetriebes seien, sei die Veräußerung dieser Grundstücke ebenfalls diesem Betrieb zuzurechnen. Veräußerungsgewinne gehörten daher zum unentbehrlichen Hilfsbetrieb und nicht zur außerbetrieblichen Sphäre der mitbeteiligten Partei.
14 In dem an die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung anschließenden Abschnitt „rechtlicher Beurteilung“ führt das Bundesfinanzgericht auf der Basis des von ihm als erwiesen angenommenen Sachverhalts, wonach die Liegenschaften, die der mitbeteiligten Partei in den Jahren 2013 und 2014 vererbt worden seien, zum Vermögen des unentbehrlichen Hilfsbetriebes (Zweckverwirklichungsbetrieb) gehörten und damit auch die Gewinne aus der Veräußerung der Grundstücke diesem Betrieb zuzurechnen seien, sodann aus: Da die Liegenschaften nicht dazu bestimmt gewesen seien, dem Betrieb dauerhaft zu dienen, bestehe gemäß § 30a Abs. 3 Z 1 EStG 1988 keine Verpflichtung zum Steuerabzug. Für die im Rahmen des unentbehrlichen Hilfsbetriebes anfallenden Gewinne bestehe nach § 45 Abs. 2 BAO keine Abgabepflicht. Eine beschränkte Steuerpflicht nach § 21 Abs. 3 KStG 1988 (in sinngemäßer Anwendung des § 21 Abs. 2 KStG 1988) könne demzufolge nicht vorliegen.
15 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil im Wege der Beweiswürdigung zu klären gewesen sei, ob Gewinne aus der Veräußerung von Liegenschaften dem unentbehrlichen Hilfsbetrieb des Vereines oder der außerbetrieblichen Sphäre zuzurechnen seien.
16 Gegen dieses Erkenntnis, soweit es die Körperschaftsteuer betrifft, wendet sich die außerordentliche Revision des Finanzamts. Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, zu der das Finanzamt Stellung genommen hat.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 Die Revision ist zulässig und begründet.
19 § 1 KStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 22/2012) lautet auszugsweise:
„Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht
§ 1. (1) Körperschaftsteuerpflichtig sind nur Körperschaften.
(2) Unbeschränkt steuerpflichtig sind Körperschaften die im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz (§ 27 der Bundesabgabenordnung) haben. (...)
(3) Beschränkt steuerpflichtig sind:
(...)
3. Körperschaften im Sinne des Abs. 2, soweit sie nach § 5 oder nach anderen Bundesgesetzen von der Körperschaftsteuerpflicht befreit sind, mit ihren Einkünften im Sinne des § 21 Abs. 2 und 3. Dies gilt auch für den Fall einer umfassenden Befreiung.“
20 Nach § 5 Z 6 KStG 1988 (in der auch für den Streitzeitraum maßgeblichen Stammfassung) sind Körperschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 KStG 1988, die der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke nach Maßgabe der §§ 34 bis 47 der Bundesabgabenordnung dienen, von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht befreit.
21 § 45 BAO in der für die Streitjahre geltenden Fassung BGBl. Nr. 151/1980 lautet:
„§ 45. (1) Unterhält eine Körperschaft, die die Voraussetzungen einer Begünstigung auf abgabenrechtlichem Gebiet im übrigen erfüllt, einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 31), so ist sie nur hinsichtlich dieses Betriebes abgabepflichtig, wenn er sich als Mittel zur Erreichung der gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecke darstellt. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eine Abweichung von den im Gesetz, in der Satzung, im Stiftungsbrief oder in der sonstigen Rechtsgrundlage der Körperschaft festgelegten Zwecken nicht eintritt und die durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erzielten Überschüsse der Körperschaft zur Förderung ihrer gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecke dienen. Dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugehöriges Vermögen gilt je nach der Art des Betriebes als Betriebsvermögen oder als land- und forstwirtschaftliches Vermögen, aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erzielte Einkünfte sind wie Einkünfte aus einem gleichartigen in Gewinnabsicht geführten Betrieb zu behandeln.
(2) Die Abgabepflicht hinsichtlich des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes entfällt, wenn dieser sich als ein zur Erreichung des begünstigten Zweckes unentbehrlicher Hilfsbetrieb darstellt. Dies trifft zu, wenn die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sind:
a) Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb muß in seiner Gesamtrichtung auf Erfüllung der gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecke eingestellt sein.
b) Die genannten Zwecke dürfen nicht anders als durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erreichbar sein.
c) Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb darf zu abgabepflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb treten, als dies bei Erfüllung der Zwecke unvermeidbar ist.
(3) Unterhält eine Körperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, auf den weder die Voraussetzungen des Abs. 1 noch jene des Abs. 2 zutreffen, so findet § 44 Anwendung.“
22 § 31 BAO lautet:
„Eine selbständige, nachhaltige Betätigung, die ohne Gewinnabsicht unternommen wird, ist wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinn der Abgabenvorschriften, wenn durch die Betätigung Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die Betätigung über den Rahmen einer Vermögensverwaltung (§ 32) hinausgeht.“
23 § 21 Abs. 2 und 3 KStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2013 lauten auszugsweise:
„(2) Bei beschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 2 und 3 erstreckt sich die Steuerpflicht auf Einkünfte, bei denen die Steuer durch Steuerabzug erhoben wird. Dies gilt nicht
(...)
3. für Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988, für Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen im Sinne des § 27 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988 und für Einkünfte aus Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes 1988, die
(...)
- einem von der unbeschränkten Steuerpflicht befreiten Steuerpflichtigen im Rahmen eines ebenfalls steuerbefreiten Betriebes (beispielsweise § 45 Abs. 2 der Bundesabgabenordnung)
nachweislich zuzurechnen sind.
(...)
(3) Bei Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 2 und 3 erstreckt sich die Steuerpflicht auch auf:
(...)
4. Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen gemäß § 30 des Einkommensteuergesetzes 1988. Abs. 2 Z 3 und die §§ 30b und 30c des Einkommensteuergesetzes 1988 sind sinngemäß anzuwenden.“
24 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. September 2000, 98/14/0227, ausgesprochen hat, ist ein unentbehrlicher Hilfsbetrieb iSd § 45 Abs. 2 BAO („Zweckverwirklichungsbetrieb“) nur dann anzunehmen, wenn die entfaltete Tätigkeit für sich die unmittelbare Zweckerfüllung ist, wenn die Tätigkeit also Teil des ideellen Zweckes ist, im Zweck gelegen ist, im Zweck aufgeht. Der Zweck der Körperschaft muss sich mit dem Zweck der Unterhaltung des Geschäftsbetriebes decken und in ihm selbst unmittelbar seine Erfüllung finden. Es dürfen sich begünstigter Zweck und wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nicht voneinander trennen lassen. Ein unentbehrlicher Hilfsbetrieb liegt vor, wenn der Zweck der Körperschaft nur durch den Geschäftsbetrieb verwirklicht werden kann.
25 Beim unentbehrlichen Hilfsbetrieb fallen also die wirtschaftliche Tätigkeit der Körperschaft und die Verwirklichung des begünstigten Zwecks zusammen, weil der begünstigte Zweck der Körperschaft nicht ohne die wirtschaftliche Tätigkeit und nicht anders als durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erreicht werden kann (vgl. nochmals VwGH 27.9.2000, 98/14/0227). Ein Betrieb, der nur als Geldbeschaffungsquelle für die Erfüllung des begünstigten Zweckes dient, kann hingegen nicht als unentbehrlicher Hilfsbetrieb angesehen werden (VwGH 22.9.2005, 2001/14/0037; 30.10.2001, 98/14/0006; vgl. idS auch Renner in Baldauf/Renner/Wakounig, Die Besteuerung der Vereine, C184, mwN; sowie Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 4. Aufl., Rz 6.111 und Rz 6.213, mwN).
26 Entbehrliche Hilfsbetriebe im Sinn des § 45 Abs. 1 BAO sind solche, die in ihrer Gesamtheit auf die Förderung der begünstigten Ziele der Körperschaft eingestellt sind, wobei der ideelle Vereinszweck auch anders als durch diese betriebliche Tätigkeit erreicht werden kann. Sie dienen den begünstigten Zwecken, ohne vom ideellen Zweck mitumfasst zu sein (VwGH 27.9.2000, 98/14/0227). Sie sind somit Mittel zum Zweck der Förderung der Ziele der Körperschaft, aber nicht ‑ wie unentbehrliche Hilfsbetriebe ‑ Elemente des Zweckes selbst (Stoll, BAO‑Kommentar 492).
27 Ob die Betätigungen eines Vereins die Voraussetzungen eines (oder allenfalls mehrerer) Geschäftsbetriebe iSd § 31 iVm § 45 BAO erfüllen, ist ‑ entgegen der Auffassung des Bundesfinanzgerichts ‑ nicht eine durch Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung abschließend zu klärende Frage. Das Vorliegen wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe ergibt sich vielmehr erst aus der rechtlichen Beurteilung der erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen. Gleiches gilt für die Frage, ob Wirtschaftsgüter einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind bzw. zu welchem von mehreren Geschäftsbetrieben sie gehören und somit in welchem Geschäftsbetrieb Gewinne aus der Veräußerung der Wirtschaftsgüter anfallen.
28 Die mitbeteiligte Partei ist gemeinnützig im Bereich der Kinder- und Jugendfürsorge tätig und betreibt zur Erbringung dieser gemeinnützigen Tätigkeiten einen Geschäftsbetrieb (allenfalls mehrere Geschäftsbetriebe), der auch mit der Erwirtschaftung von dafür erhaltenen Entgelten (wohl von der öffentlichen Hand) verbunden ist und unstrittig als notwendiger Geschäftsbetrieb iSd § 45 Abs. 2 BAO eingestuft wird.
29 Den Sachverhaltsfeststellungen des Bundesfinanzgerichts ist zu entnehmen, dass die mitbeteiligte Partei weiters jährlich eine große Anzahl von Grundstücken veräußert, die aus Erbschaften stammen, welche zuvor professionell eingeworben wurden. Das Verkaufen von Grundstücken stellt weder eine gemeinnützige Tätigkeit noch eine unmittelbare Verfolgung des ideellen Zweckes der mitbeteiligten Partei dar. Deren gemeinnützige Betätigung liegt im Bereich der Kinder- und Jugendfürsorge; es besteht kein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang zwischen der Erbringung der Fürsorgetätigkeiten und dem Verkauf der Grundstücke. Die Verkäufe dienen lediglich der (zusätzlichen) Mittelbeschaffung für den begünstigten Zweck. Auch wenn die erwirtschafteten finanziellen Mittel für die Entfaltung der gemeinnützigen Tätigkeit eingesetzt werden, dienen die Verkäufe der Finanzierung und damit lediglich mittelbar der Erfüllung der begünstigten Zwecke.
30 Die im kontinuierlichen Verkauf von Grundstücken (samt der gegebenen Einwerbung von Grundstückserbschaften) bestehende wirtschaftliche Betätigung bildet, so sie als nachhaltig einzustufen ist, einen eigenständigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Dieser ist kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb iSd § 45 Abs. 2 BAO, stellt doch das Verkaufen von Grundstücken keine gemeinnützige Betätigung dar. Ein Betrieb, der nur als Geldbeschaffungsquelle für die Erfüllung des begünstigten Zweckes dient, kann nicht als unentbehrlicher Hilfsbetrieb angesehen werden (vgl. nochmals VwGH 22.9.2005, 2001/14/0037). Der Mittelbeschaffungsbetrieb bildet ‑ wegen der Unterschiede in der Betätigung ‑ auch keinen unselbständigen Teil eines bestehenden Zweckverwirklichungsbetriebes iSd § 45 Abs. 2 BAO.
31 Bilden die Grundstücksverkäufe der Mitbeteiligten einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb iSd § 45 Abs. 1 BAO, kommt die Steuerbefreiung nach § 5 Z 6 KStG iVm §§ 34 ff BAO nicht in Betracht. Die Besteuerung der Grundstücksgeschäfte erfolgt dann nach § 7 Abs. 2 KStG 1988 iVm § 4 Abs. 3a EStG 1988. Für betriebliche Grundstücksveräußerungen entfaltet die Immobilienertragsteuer keine Abgeltungswirkung (vgl. Zorn/Varro in Doralt et al, EStG, § 4 Tz 215, sowie Bodis/Hammerl, a.a.O., § 30b Tz 12). Unter welchen Voraussetzungen bei Grundstücksveräußerungen von der Immobilienertragsteuer (und den besonderen Vorauszahlungen iSd § 30b Abs. 4 EStG 1988) abgesehen werden konnte, regeln § 30b Abs. 5 und § 30c Abs. 4 EStG 1988.
32 Sollte die im Verkauf von Grundstücken (samt der Einwerbung von Grundstückserbschaften) bestehende wirtschaftliche Betätigung im gegenständlichen Fall nicht als nachhaltig einzustufen sein, würde dadurch kein eigenständiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 31 BAO) gebildet. Auch in diesem Fall ist aber die rechtliche Zuordnung der Grundstücksgeschäfte zu einem bestehenden Zweckverwirklichungsbetrieb iSd § 45 Abs. 2 BAO nicht möglich, weil die begünstigte Zwecke iSd §§ 34 ff BAO verwirklichende Betätigung einerseits und der Verkauf von Grundstücken andererseits inhaltlich nicht übereinstimmen (vgl. auch Renner in Lachmayer/Strimitzer/Vock (Hrsg), KStG 1988, § 5 Tz 497 ff); anderes gilt nur für jene Grundstücke, die unmittelbar der Erfüllung des begünstigten Zwecks (etwa im Wege der Beherbergung von zu betreuenden Personen) dienen.
33 Spenden und Erbschaften gehen einer gemeinnützigen Körperschaft im allgemeinen Bereich zu. Das ergibt sich schon daraus, dass die Hingabe der gespendeten oder vererbten Wirtschaftsgüter in keinem Gegenleistungsverhältnis zu vom Verein erbrachten Leistungen steht und in der Regel kein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang mit einer vom Zweckverwirklichungsbetrieb ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit vorliegt (vgl. Hammerl/Fuchs in RdW 11/2020, 875, 877, auch mit Hinweisen auf Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 7.56 ff).
34 Gemäß § 30 Abs. 1 EStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 112/2012) sind private Grundstücksveräußerungen die Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Bei nach § 5 Z 6 KStG 1988 steuerbefreiten Körperschaften ergibt sich die Steuerpflicht für die Veräußerung von Grundstücken, die kein Betriebsvermögen darstellen, aus § 21 Abs. 3 Z 4 KStG 1988. Mit der Entrichtung der Immobilienertragsteuer in der korrekten Höhe gilt die Körperschaftsteuer aus privaten Grundstücksgeschäften als abgegolten (vgl. § 24 Abs. 2 KStG 1988 sowie § 21 Abs. 3 Z 4 KStG 1988 iVm § 30b Abs. 2 EStG 1988).
35 Dieses die Grundstücke betreffende Besteuerungsergebnis entspricht auch dem System der mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, im Bereich des EStG 1988 und des KStG 1988 eingeführten universellen Ertragsbesteuerung von Grundstücksveräußerungen: Verkauft der Spendende das Grundstück, um Geld zu widmen, fällt beim Spendenden ImmoESt an; widmet der Spendende hingegen das Grundstück, damit es der Verein veräußert, kommt es bei diesem zur Ertragsbesteuerung.
36 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich nach dem Gesagten als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 26. Mai 2021
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