European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019130125.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, der eine 50%ige Behinderung aufgrund von Psoriasis hat, machte für das Jahr 2016 außergewöhnliche Belastungen (vor allem für Kurkosten am Toten Meer und für orthomolekulare/alternativ‑medizinische Präparate) geltend. Für das Jahr 2017 beantragte er als außergewöhnliche Belastungen im Wesentlichen den Abzug der Aufwendungen für orthomolekulare/alternativ-medizinische Präparate.
2 Das Finanzamt berücksichtigte bei der Veranlagung 2016 als außergewöhnliche Belastungen lediglich den Freibetrag wegen eigener Behinderung, weil die angeforderten Unterlagen nicht eingelangt waren.
3 Gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 erhob der Revisionswerber Beschwerde. Er legte das Schreiben seiner behandelnden Dermatologin vor, das er damals seinem Ansuchen an die SVA für eine Kur am Toten Meer vorgelegt habe. Darin bestätige und begründe die Ärztin die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit einer jährlichen Kur am Toten Meer. Zudem legte er eine Stellungnahme des behandelnden Immunologen vor, der die medizinische Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit einer permanenten Therapie zur Stärkung des Immunsystems mithilfe orthomolekularer Präparate bestätige.
4 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab und führte aus, dass unter anderem Kurkosten für ärztlich verordnete Kuren und Kosten für Medikamente, die im Zusammenhang mit der Behinderung stünden, neben den Pauschbeträgen geltend gemacht werden könnten, jedoch im Zweifelsfall durch ärztliche Verordnung nachzuweisen seien. Im gegenständlichen Fall liege für die Kur am Toten Meer nur eine Empfehlung vor, der Nachweis für die ärztliche Begleitung sowie die kur‑typischen Behandlungsleistungen sei nicht erbracht worden, auch sei nicht nachgewiesen worden, dass ein Kostenersatz durch die SVA erfolgt sei. Damit liege keine Verordnung über den Kuraufenthalt vor. Hinsichtlich der Heilmittel begründete das Finanzamt die Abweisung damit, dass Kosten für alternativ‑medizinische Produkte nur dann als Krankheitskosten zu berücksichtigen seien, wenn vor Beginn der Behandlung eine ärztliche Verordnung vorliege.
5 In seinem Vorlageantrag führte der Revisionswerber aus, dass er die Kur am Toten Meer bei der SVA mit einem Ansuchen seiner behandelnden Dermatologin beantragt habe. Dieses Kuransuchen sei höher zu bewerten, als eine ärztliche Verordnung oder dieser zumindest gleichgestellt. Hinsichtlich der kur‑typischen Behandlungsleistungen verweise er auf die Position der Rechnung über die Benützung des sogenannten Solariums des Medical Centers seines Hotels. Dies sei ein ausschließlich für Psoriasispatienten zugänglicher abgeschlossener Bereich für die Sonnenkur. Wenn die SVA die Kosten für eine derartige Kur übernehme, müsse er eine ärztliche Begleitung akzeptieren, die für ihn aber völlig nutzlos sei. Die Kur bestehe darin, sich bis zu 6 Stunden täglich in die Sonne zu legen und mehrfach Meer-Bäder zu nehmen. Eine ärztliche Begleitung sei dabei absolut unnötig. Er wisse aufgrund von ca. 20 Kuren innerhalb der letzten 30 Jahre am Toten Meer selbst sehr gut, was er brauche und was er zu tun habe. Da er im Jahr 2016 diese Kosten selbst zu tragen gehabt habe, hätte ihn diese wertlose „Leistung“ zusätzlich Geld gekostet. Die SVA habe die Kur nicht aus medizinischen, sondern aus finanziell‑administrativen Gründen abgelehnt. Hinsichtlich der immunologischen Präparate weise er darauf hin, dass sein Immunologe explizit bestätigt habe, dass er seit 2007 bei ihm in Behandlung sei, jegliche Therapie mit diesen Präparaten vor Beginn abgesprochen worden sei und er diese Präparate aufgrund seiner Empfehlung laufend einnehme. Dies sei qualitativ einer Verordnung gleichzusetzen.
6 Das Bundesfinanzgericht wies mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde als unbegründet ab. Es führte aus, dass in Bezug auf die alternativ‑medizinischen Präparate, bei denen es sich im Wesentlichen um verschiedenste Vitaminpräparate handeln würde, die vom Revisionswerber vorgelegte Bestätigung des praktischen Arztes nach ihrem gesamten Inhalt keine konkrete Beschreibung der Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des Revisionswerbers darstelle. Sie sei keine ärztliche Verordnung im Sinne einer konkreten Medikation mit bestimmten Präparaten in einer bestimmten Behandlungsintensität. Es werde lediglich ausgeführt, dass die „Stärkung des Immunsystems durch orthomolekulare oder ähnliche Präparate wesentlich und notwendig“ sei. Damit könnten die Kosten für diese Präparate nicht als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden.
7 Hinsichtlich der beantragten Kosten für den Aufenthalt am Toten Meer scheitere deren Anerkennung als außergewöhnliche Belastung an mehreren Aspekten. Die SVA habe in der Ablehnung der Übernahme der Kosten ausgeführt, dass es dem Revisionswerber zumutbar sei, (vergleichbare) ambulante Therapien in Anspruch zu nehmen. Das Bundesfinanzgericht gehe auf Grund der Ausführungen der SVA davon aus, dass die Therapien mit ähnlichem Erfolg, aber deutlich geringerem Kostenaufwand, im Inland in Anspruch genommen werden könnten. Damit stelle die Kur im Ausland zwar eine von der SVA freiwillig in größeren Abständen (zweimal in fünf Jahren) übernommene Leistung zur Heilbehandlung dar. Dem stünden jedoch offenkundig vergleichbare Kuren im Inland gegenüber, die ambulant wahrgenommen werden könnten. Zudem sei festzuhalten, dass der Revisionswerber ausdrücklich angeführt habe, dass er keine ärztliche Begleitung bzw. Betreuung während seines Aufenthaltes am Toten Meer in Anspruch genommen habe. Wenn er ausführe, dass diese ärztliche Betreuung nur Kosten verursacht und keinen Nutzen gehabt hätte, so könne dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Unabhängig davon, wie dies der Patient wahrnehme, stelle der geregelte medizinisch vorgegebene und fachkundig überwachte Ablauf der Therapien bei einem solchen Aufenthalt den wesentlichen Unterschied zu einer Urlaubsreise dar.
8 Bei der Veranlagung für das Jahr 2017 berücksichtigte das Finanzamt ebenfalls nur den Freibetrag aufgrund eigener Behinderung. Der Revisionswerber erhob Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017. Das Finanzamt setzte das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesfinanzgerichts zur Einkommensteuer 2016 aus. Nach Ergehen dieses ‑ mit der Revision ebenfalls angefochtenen ‑ Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts setzte das Finanzamt das Beschwerdeverfahren 2017 fort und gab mit Beschwerdevorentscheidung der Beschwerde teilweise statt. Der Revisionswerber stellte einen Vorlageantrag.
9 Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde in einem hier nicht relevanten Punkt Folge und verwies in seiner Begründung hinsichtlich der alternativ‑medizinischen Präparate auf das den Revisionswerber betreffende Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts zur Einkommensteuer 2016.
10 Gegen diese beiden Erkenntnisse richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es gebe noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob die jährliche, seit Jahrzehnten immer gleiche ärztlich verordnete Heilbehandlung, die der an Schuppenflechte leidende Patient genau kenne und sich daran halte, dennoch die ununterbrochene Anwesenheit der Ärzte und Betreuer erfordere. Die SVA bewillige wiederholt die gleiche Kur am Toten Meer in Kenntnis fehlender (weil nicht notwendiger) ärztlicher Aufsicht und Betreuung. Das Bundesfinanzgericht habe ohne Ermittlungsverfahren und Gelegenheit zur Stellungnahme einen überraschenden Sachverhalt angenommen und damit gegen das Überraschungsverbot verstoßen. Die bloße Vermutung, irgendeine Behandlung im Inland könne eine ärztlich verordnete Kur am Toten Meer ersetzen, widerspreche wissenschaftlichen Erkenntnissen der Dermatologie und allgemein bekanntem Wissen. Das Bundesfinanzgericht zitiere zwar Judikatur zu medizinisch indizierten Aufwendungen, weiche aber im Ergebnis davon ab. § 93 Abs. 2 BAO und § 58 Abs. 1 AVG erforderten im Bescheid den Spruch, zu dessen ausreichender Bestimmtheit der Verweis auf Beilagen nicht genüge. Der Spruch hätte die Einkommensteuer beziffern müssen. Das Beiblatt enthalte handschriftliche Ausbesserungen und Ergänzungen. Ob eine derartige Verweisung zulässig sei, scheine vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht entschieden worden zu sein.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Dieser Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
Alternativ-medizinische Präparate:
14 Gemäß § 28 Abs. 3 VwGG hat die Revision, wenn das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen hat, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig ist, auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision). In den „gesonderten“ Gründen zur Zulässigkeit der Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG ist daher konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 19.5.2021, Ra 2020/15/0064, mwN).
15 Das diesbezügliche Zulässigkeitsvorbringen erschöpft sich in dem Vorwurf, das Bundesfinanzgericht habe zwar Judikatur zitiert, sei im Ergebnis aber davon abgewichen.
16 Es reicht nicht aus, ohne jede Konkretisierung, aus welchen Gründen das angefochtene Erkenntnis von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, pauschal eine Abweichung von der ständigen Rechtsprechung zu behaupten. Ein allgemein gehaltenes Vorbringen zeigt nicht konkret auf, warum gerade die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vorlägen (vgl. VwGH 16.10.2014, Ra 2014/16/0024, mwN).
Zu § 93 Abs. 2 BAO:
17 Soweit die Revision moniert, im Spruch des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts (Anm.: zur Einkommensteuer 2017) sei die Einkommensteuer nicht beziffert und auf ein Beiblatt verwiesen worden, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Beiblatt, auf das im Spruch des Bescheides verwiesen wird, einen Bestandteil dieses Bescheides darstellt (vgl. VwGH 29.1.2015, 2012/15/0007; 16.12.2010, 2007/16/0188). Dies gilt auch für Beiblätter, auf die im Spruch eines Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts verwiesen wird.
Kosten für den Kuraufenthalt:
18 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist zum Nachweis der Zwangsläufigkeit eines Kuraufenthalts die Vorlage eines vor Antritt der Kur ausgestellten ärztlichen Zeugnisses, aus dem sich die Notwendigkeit und Dauer der Reise sowie das Reiseziel ergeben, erforderlich. Nicht jeder auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Kuraufenthalt führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Der Begriff „Kur“ erfordert ein bestimmtes, unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung durchgeführtes Heilverfahren. Die Aufwendungen für den Kuraufenthalt müssen zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die der Behandlung dienende Reise zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig und eine andere Behandlung nicht oder kaum Erfolg versprechend ist (vgl. VwGH 22.12.2004, 2001/15/0116).
19 Die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung kommt weiters nur in Betracht, wenn die Reise nach ihrem Gesamtcharakter ein Kuraufenthalt, d.h. mit einer nachweislich kurgemäß geregelten Tages‑ und Freizeitgestaltung, ist und nicht bloß ein Erholungsaufenthalt, welcher der Gesundheit letztlich auch förderlich ist (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2017/15/0049).
20 Das Bundesfinanzgericht hat festgestellt, dass der Revisionswerber keine ärztliche Begleitung bzw. Betreuung während seines Aufenthaltes am Toten Meer in Anspruch genommen hat sowie keine kurgemäß geregelte Tages‑ und Freizeitgestaltung vorgelegen ist. Angesichts der dargestellten Rechtsprechung kann der Verwaltungsgerichtshof dem Bundesfinanzgericht nicht entgegentreten, wenn es davon ausgegangen ist, dass erst der geregelte medizinisch vorgegebene und fachkundig überwachte Ablauf der Therapien bei einem solchen Aufenthalt den wesentlichen Unterschied zu einer Urlaubsreise bzw. einem Erholungsaufenthalt darstellt. Dies gilt auch in jenen Fällen, bei denen ein Steuerpflichtiger die betreffenden Therapien schon seit Jahren durchführt und daher weiß, welche Anwendungen er in Anspruch nehmen muss (vgl. etwa die Vorbringen bei VwGH 30.4.2019, Ra 2017/15/0049, 24.9.2008, 2006/15/0120, und 22.12.2004, 2001/15/0116).
21 Wenn die Revision ausführt, dass die SVA die gleiche Kur in Kenntnis fehlender ärztlicher Aufsicht und Betreuung wiederholt bewilligt habe, ist darauf zu verweisen, dass der Revisionsweber in seinem Vorlageantrag selbst vorgebracht hatte, dass er eine ärztliche Begleitung akzeptieren müsse, wenn die SVA die Kosten für eine derartige Kur übernehme. Auch aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass bei dem im Jahr 2017 von der SVA bewilligten Kuraufenthalt eine stationäre Klimatherapie „nach Plan“ und offenkundig unter Aufsicht einer Ärztin stattgefunden hat.
22 Ob das Bundesfinanzgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass eine gleichwertige Behandlung im Inland möglich gewesen wäre, kann bei dem Ergebnis dahingestellt bleiben. Das Bundesfinanzgericht hat zutreffend das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung aufgrund Fehlens einer nachweislich kurgemäß geregelten Tages- und Freizeitgestaltung sowie ärztlicher Begleitung verneint.
23 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 12. November 2021
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