VwGH Ra 2018/05/0285

VwGHRa 2018/05/028526.4.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, in der Revisionssache der G J in W, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 9. Juli 2018, LVwG‑151214/30/JS/FE, betreffend Kanalanschlussverpflichtung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Gemeinde O; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AbwasserentsorgungsG OÖ 2001 §2 Abs1 Z8
AVG §45 Abs2
AVG §52
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018050285.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Das Aufwandersatzbegehren der Oberösterreichischen Landesregierung wird abgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde O. vom 14. Oktober 2016, mit welchem sie verpflichtet worden war, das Gebäude F. 1 auf einem näher bezeichneten Grundstück unter Einhaltung der „Allgemeinen Bedingungen“ laut beiliegendem Schreiben des Reinhaltungsverbandes M. bis zum 31. Juli 2016 an die gemeindeeigene Kanalisationsanalage anzuschließen und die anfallenden Abwässer in diese einzuleiten, als unbegründet abgewiesen und der Spruch des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass die Revisionswerberin als Eigentümerin des Gebäudes auf dem gegenständlichen Grundstück die für den Anschluss an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage erforderlichen Einrichtungen bis zum 31. Juli 2018 gemäß § 12 Abs. 4 Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 ‑ Oö. AEG 2001 herzustellen habe. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

5 Begründend hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, nach den schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des beigezogenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen sei die Abwasserbeseitigungsanlage, insbesondere die dem Stand der Technik entsprechende Hauspumpleitung F. 2, in der Lage, die Abwässer auch aus dem Gebäudeobjekt F. 1 schadlos ableiten zu können. Das Wohngebäude der Revisionswerberin befinde sich etwa zehn Meter von diesem Kanalstrang entfernt. Diese öffentliche Kanalisationsanlage werde vom Reinhaltungsverband M. unter anderem für die Gemeinde O. zur kommunalen Abwasserentsorgung betrieben. Unstrittig sei, dass die Abwässer aus dem Objekt der Revisionswerberin nach Maßgabe der Einleitungsbedingungen des Reinhaltungsverbandes M. in die Kanalisation eingeleitet werden dürften. Die Revisionswerberin vertrete allerdings den rechtlich irrigen Standpunkt, dass ihr damaliger Widerspruch gegen die Errichtung einer (vormals geplanten) Hauspumpleitung F. 1 auf ihrem Grundstück im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren bedeute, auch nicht der Anschlusspflicht nach dem Oö. AEG 2001 zu unterliegen. Der Kanalanschluss ihres Objektes an die vom Reinhaltungsverband M. betriebene öffentliche Kanalisation im Bereich des Verbindungsschachtes der Hauspumpleitung F. 2 sei jedoch technisch möglich. Der Widerspruch der Revisionswerberin im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren habe darauf keinen Einfluss, weshalb das Objekt ex lege einer Anschlusspflicht unterliege. Die Hauspumpleitung F. 2 sei Teil der bewilligten und kollaudierten Abwasserbeseitigungsanlange des Reinhaltungsverbandes M., welcher die Abwasserentsorgung unter anderem für die Gemeinde O. betreibe, und stelle demnach unzweifelhaft eine öffentliche Kanalisationsanlage im Sinn der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 8 Oö. AEG 2001 dar.

6 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird zunächst vorgebracht, es fehle Rechtsprechung zur Frage „ob dann, wenn ein Objekt mehr als 150 m vom öffentlichen Gut entfernt ist, wenn auch weniger als 50 m von jener Hausleitungsführung, die auf einem Nachbargrundstück verläuft und die Gegenstand einer erteilten wasserrechtlichen Bewilligung ist, dieses Objekt der Anschlusspflicht an die öffentliche Kanalisation unterliegt“. Die Ansicht des Verwaltungsgerichtes, wonach eine wasserrechtliche Bewilligung die Entsorgungsleitung einer Hauskanalanlage im Rechtssinn zum Bestandteil der öffentlichen Kanalisation mache, würde die in § 12 Oö. AEG 2001 enthaltene Regelung grundlegend verändern. Diese Bestimmung sehe eine Anschlusspflicht nämlich [nur] bei weniger als 50 m Abstand zur öffentlichen Kanalisation vor. Die Ansicht des Verwaltungsgerichtes würde hingegen dazu führen, dass selbst hunderte Meter vom öffentlichen Gut entfernte Objekte anschlusspflichtig würden, wenn nur das wasserrechtliche Einreichprojekt ‑ wie hier ‑ gewissermaßen „vorsorglich“ zur Schaffung einer Anschlusspflicht auf Privatgrund ausgedehnt werde.

7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt dann, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa VwGH 22.10.2020, Ro 2020/05/0027 und 0028, mwN).

8 Dies ist hier der Fall: Gemäß der in § 2 Abs. 1 Z 8 Oö. AEG 2001 enthaltenen Begriffsbestimmung handelt es sich bei einer „öffentlichen Kanalisation“ um eine für Abwassereinleiter verfügbare Kanalisationsanlage, die von einer Körperschaft öffentlichen Rechts oder von einem in ihrem Auftrag handelnden Dritten betrieben wird. Die in der Revision vertretene Auffassung, lediglich auf öffentlichem Gut verlaufende Kanalstränge könnten eine „öffentliche Kanalisation“ darstellen, findet somit keine Deckung im insoweit klaren Gesetzeswortlaut. Das Verwaltungsgericht ging ‑ entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ‑ auch nicht auf Grund des Bestehens einer wasserrechtlichen Bewilligung, sondern in Würdigung der in § 2 Abs. 1 Z 8 Oö. AEG 2001 enthaltenen Kriterien vom Vorliegen einer öffentlichen Kanalisation aus, sodass das zur wasserrechtlichen Bewilligung erstattete Vorbringen ins Leere geht.

9 Die Revisionswerberin führt in der Zulässigkeitsbegründung weiters aus, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es ihr etwas tatsächlich Unmögliches vorgeschrieben habe. Das angefochtene Erkenntnis verpflichte die Revisionswerberin, zwischen Hausanschlussleitung und Hausanschlussschacht ein Gefälle von mindestens 1,5% herzustellen. Das Grundstück der Revisionswerberin steige in Richtung der Anschlussstelle jedoch erheblich an, weshalb die Einhaltung dieser Vorgabe unmöglich sei.

10 Mit diesem Vorbringen übersieht die Revisionswerberin, dass ihr mit dem angefochtenen Erkenntnis die Herstellung der für den Anschluss an die in Rede stehende Kanalisationsanlage erforderlichen Einrichtungen aufgetragen wurde. Welche Einrichtungen herzustellen sind bzw. dass die Abwassereinleitung durch Herstellung eines natürlichen Gefälles zu erfolgen habe, ergibt sich aus dem angefochtenen Erkenntnis hingegen nicht. Sollte daher der Ansicht der Revisionswerberin folgend der Anschluss mittels Herstellung eines Gefälles technisch unmöglich sein, bleibt es ihr unbenommen, diesen Anschluss auf andere, technisch mögliche Weise (wie etwa mittels Abwasserpumpe, wovon auch im eingeholten Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen ausgegangen wurde) vorzunehmen. Dementsprechend kommen die in den mit dem angefochtenen Erkenntnis für verbindlich erklärten „Allgemeinen Bedingungen“ des Reinhaltungsverbandes M. enthaltenen Bestimmungen betreffend die Abwassereinleitung bei natürlichem Gefälle, nur bei einer solchen Einleitung zum Tragen, nicht aber wenn die Einleitung auf andere Weise erfolgt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird daher insoweit nicht aufgezeigt.

11 Schließlich bringt die Revisionswerberin vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es seinem Erkenntnis ein Gutachten zugrunde gelegt habe, das nicht als schlüssiges und nachvollziehbares Gutachten anzusehen sei, weil es keine Auseinandersetzung mit den bestehenden örtlichen Verhältnissen beinhalte und die angewendeten Methoden und Berechnungen nicht vollständig offenlege.

12 Die Würdigung eines Sachverständigengutachtens ist Teil der Beweiswürdigung. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes ‑ zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist ‑ läge eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung etwa nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 6.11.2019, Ra 2017/05/0006, mwN). Eine derartige Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf. Der wasserbautechnische Amtssachverständige legte am Beginn seines Gutachtens dar, er habe für die Beurteilung den Ausführungslageplan und den Längenschnitt aus dem wasserrechtlichen Kollaudierungsoperat der H. GmbH herangezogen. Zudem gibt der Sachverständige in seinem Gutachten an, welche technischen Normen als einschlägig erachtet wurden, von welchen Annahmen er ausging und welche Berechnungsmethode verwendet wurde. Der Vorwurf, die bestehenden örtlichen Verhältnisse seien nicht berücksichtigt und die angewendeten Methoden und Berechnungen nicht offengelegt worden, trifft demnach nicht zu.

13 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

14 Das Kostenbegehren der Oberösterreichischen Landesregierung war abzuweisen, weil gemäß § 58 Abs. 1 VwGG jede Partei den ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Aufwand selbst zu tragen hat, soweit die §§ 47 bis 56 leg. cit. nicht anderes bestimmen. Einen Anspruch auf Ersatz des Aufwandes, der mit der Einbringung der Revisionsbeantwortung verbunden war, sehen die §§ 47 bis 56 VwGG in Ansehung einer Partei nach § 21 Abs. 1 Z 3 VwGG aber nicht vor (vgl. auch dazu VwGH 22.10.2020, Ro 2020/05/0027 und 0028, mwN).

Wien, am 26. April 2021

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte