VwGH Ra 2018/04/0180

VwGHRa 2018/04/01808.9.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz‑Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des A H in N, vertreten durch die Kinberger‑Schuberth‑Fischer Rechtsanwälte GmbH in 5700 Zell am See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 16. August 2018, Zl. 405‑2/116/1/16‑2018, betreffend elektrizitätsrechtliche Bau‑ und Betriebsbewilligung und Einräumung eines Leitungsrechtes nach dem Salzburger Landeselektrizitätsgesetz 1999 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Salzburger Landesregierung; mitbeteiligte Partei: E OG in N), zu Recht erkannt:

Normen

ElektrizitätsG Slbg 1999 §52
ElektrizitätsG Slbg 1999 §52 Abs1
ElektrizitätsG Slbg 1999 §52 Abs2
StarkstromwegeG Stmk 1971 §3 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018040180.L00

 

Spruch:

Das Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Abweisung der Beschwerde gegen die erteilte elektrizitätsrechtliche Bau‑ und Betriebsbewilligung und die Einräumung eines Leitungsrechtes) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 1. Mit Eingabe vom 10. Juni 2016 beantragte die mitbeteiligte Partei die elektrizitätsrechtliche Bau‑ und Betriebsbewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer „Niederspannungsleitungs‑Hausanschlussleitung“ auf den Grundstücken 527/1, .78 und 347 in der Gemeinde N. Im Antrag wurde ausgeführt, dass zur Versorgung des Wohnhauses auf Grundstück 331/2 mit elektrischer Energie der dauernde Bestand der Leitungsanlage, ausgehend vom Kabelverteiler auf Grundstück 527/1 über die ‑ im Eigentum des Revisionswerbers stehenden ‑ Grundstücke 347 und .78, gegeben sein müsse.

2 2.1. Mit Bescheid vom 12. Februar 2018 erteilte die Salzburger Landesregierung (belangte Behörde) der mitbeteiligten Partei unter Vorschreibung von Auflagen die elektrizitätsrechtliche Bau‑ und Betriebsbewilligung für die beantragte Leitungsanlage auf den Grundstücken 347 und .78 (Spruchpunkte I.1. und I.2.). Der mitbeteiligten Partei wurde ein Leitungsrecht zu Lasten der beiden genannten Grundstücke eingeräumt, dem Revisionswerber Duldungspflichten auferlegt und ihm eine Entschädigungssumme zugesprochen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wies die belangte Behörde die Einwendungen und Anträge des Revisionswerbers als unbegründet ab, mit Spruchpunkt IV. wurde über die Verfahrenskosten abgesprochen. Unter einem stellte der Landeshauptmann von Salzburg fest, dass die elektrischen Anlagen den Erfordernissen des § 3 Elektrotechnikgesetz entsprechen (Spruchpunkt I.3.).

3 2.2. In der Begründung hielt die belangte Behörde fest, dass für das gegenständliche Niederspannungskabel angesichts der Begründung von Zwangsrechten eine Bewilligungspflicht gegeben sei. Allerdings beziehe sich die Bewilligungspflicht nur auf das über die Grundstücke .78 und 347 der KG N verlaufende Kabel, nicht aber auf andere Kabelabschnitte. Die Rüge des Revisionswerbers betreffend seine Weiderechte und Holzbezugsrechte auf dem Grundstück 527/1 und die in diesem Zusammenhang behauptete fehlerhafte Zustimmungserklärung der Ö AG als Grundeigentümerin sei daher irrelevant. Bewilligungsvoraussetzung sei unter anderem, dass die Leitungsanlage dem öffentlichen Interesse an der Versorgung der Bevölkerung oder zumindest eines Teiles derselben mit elektrischer Energie nicht widerspreche. Das gegenständliche Niederspannungskabel diene der Versorgung des Wohnhauses auf Grundstück 331/2 der KG N und somit eines Teiles der Bevölkerung mit elektrischer Energie. Der gegenständliche Leitungsabschnitt über die Grundstücke .78 und 347 der KG N stelle den kürzesten Trassenverlauf dar. Nach den Ausführungen des Amtssachverständigen für Elektrotechnik habe sich keine alternative Trassenführung ergeben.

4 3.1. Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 16. August 2018 als unbegründet ab (Spruchpunkt I.3.). Soweit sich die Beschwerde gegen den Abspruch über die Verfahrenskosten und gegen die Feststellung des Landeshauptmannes nach dem Elektrotechnikgesetz richtete, wurde sie zurückgewiesen (Spruchpunkte I.1. und I.2.). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig (Spruchpunkt II.).

5 3.2. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die mitbeteiligte Partei Verteilernetzbetreiberin gemäß der erteilten elektrizitätsrechtlichen Konzession für ein bestimmtes abgegrenztes Konzessionsgebiet sei. Das Grundstück 331/2 der KG N, auf dem sich das erwähnte Wohnobjekt befinde, liege im Konzessionsgebiet der mitbeteiligten Partei. Auf Antrag der Eigentümerinnen dieses Grundstückes sei mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 18. Dezember 2013 festgestellt worden, dass die mitbeteiligte Partei verpflichtet sei, das Wohnobjekt auf diesem Grundstück an das Verteilernetz anzuschließen. Das Grundstück werde von Grundparzellen, die alle im Eigentum des Revisionswerbers stünden, umschlossen, weshalb die Versorgung des Wohnhauses mit elektrischer Energie nur mit Leitungsanlagen möglich sei, die über Grundstücke des Revisionswerbers führen würden.

Mit Antrag vom 10. Juni 2016 habe die mitbeteiligte Partei um die elektrizitätsrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Leitung mit weniger als 1.000 Volt Betriebsspannung, beginnend vom Kabelverteiler über das im Eigentum der Ö AG stehende Grundstück 527/1 und die beiden Grundstücke .78 und 347 (alle KG N) des Revisionswerbers zur Versorgung des auf Grundstück 331/2 befindlichen Wohnhauses mit elektrischer Energie sowie die Einräumung eines Leitungsrechtes über die Grundstücke des Revisionswerbers angesucht. Für die Inanspruchnahme des Grundstückes 527/1 liege eine schriftliche Zustimmungserklärung der Ö AG als Bestandteil der Einreichunterlagen vor. Auf diesem Grundstück der Ö AG habe der Revisionswerber ein verbüchertes Heimweiderecht. Weiters sei der Antrag auf Einräumung eines Leitungsrechts über die beiden im Eigentum des Revisionswerbers stehenden Grundstücke .78 und 347 gestellt worden.

6 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht zunächst zum Umfang bzw. Gegenstand des Bewilligungsverfahrens aus, dass durch den angefochtenen Bescheid einerseits über den Bewilligungsantrag des bewilligungspflichtigen Teils der Anlage und andererseits über den Antrag auf Einräumung eines Leitungsrechtes abgesprochen worden sei. Bei der beantragten Leitungsanlage handle es sich um eine Leitung bis zu 1.000 Volt Betriebsspannung, weshalb die Anlage eigentlich von der Bewilligungspflicht ausgenommen sei. Nach der Rechtsprechung müsse aber auch für elektrische Leitungsanlagen bis 1.000 Volt eine Bewilligung erwirkt werden, wenn für das konkrete Vorhaben Leitungsrechte oder Enteignungen erforderlich seien. Die belangte Behörde habe offenbar hinsichtlich der gesamten Leitungsanlage eine Teilbarkeit des Vorhabens in einen bewilligungsfreien und in einen bewilligungspflichtigen Teil angenommen. Ob diese Beurteilung zu Recht erfolgt sei oder nicht, könne aus der Sicht des Revisionswerbers dahingestellt bleiben, weil hinsichtlich der Leitungsführung unter Berührung des Grundeigentums des Revisionswerbers und auf Grund der nicht erfolgten Zustimmung dazu jedenfalls eine Bewilligungspflicht für das Niederspannungskabel auf seinen Grundstücken .78 und 347 (beide KG N) gegeben sei. Eine Verletzung von Rechten des Revisionswerbers liege jedoch nicht vor, wenn die belangte Behörde von keiner (weiteren) Bewilligungspflicht der Leitungsanlage auf weiteren Grundflächen ausgegangen sei.

Die Errichtung der Leitungsanlage sei ‑ so das Verwaltungsgericht ‑ im öffentlichen Interesse an der Versorgung des auf dem Grundstück 331/2 befindlichen und bewohnten Hauses mit elektrischer Energie. Ob es sich bei diesem Wohnhaus um einen konsenslosen Bau handle, sei im Verfahren nicht als Vorfrage zu klären gewesen, weil nach den Bestimmungen des Salzburger Landeselektrizitätsgesetzes 1999 über die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bau‑ und Betriebsbewilligung für Leitungsanlagen die Erteilung einer entsprechenden Bewilligung nicht an die Versorgung eines gemäß dem Salzburger Baurecht rechtmäßig bestehenden Objektes mit elektrischer Energie geknüpft sei.

Hinsichtlich der vom Revisionswerber geltend gemachten Beeinträchtigung seines auf dem Grundstück 527/1 der Ö AG bestehenden dinglichen Weiderechts kam das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass dieses Beschwerdevorbringen ins Leere gehe, weil jener Teil der Leitungsanlage nicht Gegenstand eines Behördenverfahrens habe sein können. Die Ö AG als grundbücherliche Eigentümerin dieses Grundstückes habe ausdrücklich ihre schriftliche Zustimmung für die Grundbenutzung erteilt. Hinsichtlich dieser Grundfläche liege daher eine privatrechtliche Vereinbarung im Sinn des § 57 Abs. 2 lit. c LEG vor, weshalb die Einräumung eines Leitungsrechtes nicht erforderlich sei. Daraus ergebe sich, dass dieser Teil der Leitungsanlage auch keiner Bewilligungspflicht unterliege und daher nicht Gegenstand eines Behördenverfahrens gewesen sei. Der Revisionswerber müsse sich auf zivilrechtlichem Weg mit der Ö AG als Grundeigentümerin auseinandersetzen.

7 3. Gegen die Spruchpunkte I.3. und II. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten im eingeleiteten Vorverfahren jeweils eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, der Revision keine Folge zu geben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 1. Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit unter anderem vor, der Revisionswerber habe dingliche Rechte (Weiderechte) am Grundstück 527/1 der Ö AG geltend gemacht und aus diesem Grund beantragt, die elektrizitätsrechtliche Bau‑ und Betriebsbewilligung sowie die Einräumung eines Leitungsrechts zu versagen. Schon der Umstand, dass Eigentumsrechte bzw. andere dingliche Rechte (insbesondere Weiderechte) durch eine Leitung berührt würden, löse die Bewilligungspflicht aus. Das Verwaltungsgericht hätte sich nicht mit der Zustimmungserklärung (der Grundeigentümerin) begnügen dürfen, sondern die Interessen des Weideberechtigten wahren müssen und ihn mit seinen Ansprüchen nicht an die Ö AG verweisen dürfen.

9 Die Revision erweist sich in Hinblick auf dieses Vorbringen als zulässig und aus nachstehenden Gründen auch als begründet.

10 2.1. Nach § 52 Abs. 1 des Salzburger Landeselektrizitätsgesetzes 1999 (LEG), LGBl. Nr. 75/1999 in der Fassung LGBl. Nr. 81/2001, bedarf die Errichtung und Inbetriebnahme von Leitungsanlagen der Bewilligung der Landesregierung; ausgenommen von der Bewilligungspflicht sind unter anderem Leitungsanlagen bis zu 1.000 Volt Betriebsspannung (§ 52 Abs. 2 Z 1 leg. cit.).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zum insoweit im Wesentlichen gleichlautenden § 3 Abs. 2 Stmk Starkstromwegegesetz) gilt die Ausnahme von der Bewilligungspflicht nur insoweit, als nach dem Inhalt und dem Umfang des eingereichten Vorhabens keine Zwangsrechte begründet werden sollen. Sieht das entsprechende Vorhaben auch die Begründung von Zwangsrechten vor, erfordert die Ausführung dieses Vorhabens jedenfalls auch die Bewilligung dieses Vorhabens, weil die Prüfung der Voraussetzungen für die Begründung des erforderlichen Leitungsrechtes und dessen Ausübung durch den Bewilligungsbescheid bedingt ist (vgl. VwGH 2.4.2009, 2007/05/0244).

11 Gemäß § 57 Abs. 1 LEG sind jedem, der eine Leitungsanlage betreiben will, von der Landesregierung auf Antrag an Grundstücken einschließlich der Privatgewässer, der öffentlichen Straßen und Wege sowie des sonstigen öffentlichen Gutes Leitungsrechte einzuräumen, wenn und soweit dies durch die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer Leitungsanlage notwendig wird. Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist dem Antrag unter anderem dann nicht zu entsprechen, wenn über die Grundbenützung schon privatrechtliche Vereinbarungen vorliegen (lit. c).

12 2.2. Im vorliegenden Fall beantragte die mitbeteiligte Partei die elektrizitätsrechtliche Bau‑ und Betriebsbewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer „Niederspannungsleitungs‑Hausanschlussleitung“ mit einer Betriebsspannung von unter 1.000 Volt, die auf den Grundstücken 527/1, .78 und 347 (alle KG N) verlaufen und der Versorgung des auf Grundstück 331/2 (KG N) befindlichen Wohnhauses mit elektrischer Energie dienen soll.

Die belangte Behörde erteilte die beantragte elektrizitätsrechtliche Bau‑ und Betriebsbewilligung für die beantragte Leitungsanlage, allerdings ‑ wie aus dem Spruch des Bescheides vom 12. Februar 2018 und dessen Begründung klar hervorgeht ‑ ausschließlich auf den Grundstücken 347 und .78. Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Bewilligungspflicht nur für das über die Grundstücke .78 und 347 der KG N verlaufende Kabel, nicht aber für andere Kabelabschnitte (konkret jenen, der über das Grundstück 527/1 verläuft) gelte.

Das Verwaltungsgericht ließ die Frage, ob die von der belangten Behörde hier angenommene Teilbarkeit des Vorhabens in einen bewilligungsfreien und in einen bewilligungspflichtigen Teil zu Recht erfolgt sei, dahingestellt, weil hinsichtlich der Leitungsführung unter Berührung des Grundeigentums des Revisionswerbers (Grundstücke 347 und .78) jedenfalls eine Bewilligungspflicht für die Leitungsanlage gegeben sei und das Absehen von einer weiteren Bewilligungspflicht zu keiner Verletzung in Rechten des Revisionswerbers führe. Da für diesen Teil der Leitungsanlage keine Bewilligungspflicht bestehe und dieser Teil daher nicht Gegenstand eines Behördenverfahrens gewesen sei, gehe das Vorbringen des Revisionswerbers bezüglich seines dinglichen Weiderechts auf Grundstück 527/1 ins Leere.

13 2.3. Dabei verkennt das Verwaltungsgericht, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die den Grundeigentümern bereits im starkstromwegerechtlichen Baubewilligungsverfahren zuerkannte Parteistellung dem durch die elektrische Leitungsanlage Betroffenen die Geltendmachung des Einwandes ermöglicht, dass kein öffentliches Interesse daran bestehe, die geplante Leitung in einer seine Grundstücke berührenden Art oder wenigstens in der vorgesehenen Weise auszuführen. Im elektrizitätsrechtlichen Baubewilligungsverfahren wird nämlich bereits die Leitungsanlage (auch räumlich) festgelegt, wogegen es in der Frage der Einräumung von Zwangsrechten nur mehr um die Durchsetzung der festgesetzten Leitungsanlage geht. Dem Grundeigentümer kommt deshalb bereits im starkstromwegerechtlichen Baubewilligungsverfahren und nicht erst im Enteignungsverfahren Parteistellung zu (vgl. VwGH 20.7.2004, 2002/05/0081, mwN).

14 Insofern kann im vorliegenden Fall nicht die Rede davon sein, dass ein Absehen von einer weiteren Bewilligungspflicht zu keiner Verletzung in Rechten des Revisionswerbers führe könne. Folglich durfte es das Verwaltungsgericht nicht dahingestellt sein lassen, ob die von der belangten Behörde angenommene Teilbarkeit des Vorhabens in einen bewilligungsfreien und in einen bewilligungspflichtigen Teil zu Recht erfolgte oder nicht.

15 2.4. Wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt, erfolgte die von der belangten Behörde gegenständlich vorgenommene (und vom Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren nicht aufgegriffene) Einschränkung des beantragten Vorhabens zu Unrecht.

16 Wie im bereits genannten Erkenntnis VwGH 2007/05/0244 klargestellt, gilt die Ausnahme von der in § 52 Abs. 1 LEG normierten Bewilligungspflicht für „Leitungsanlagen bis 1.000 Volt Betriebsspannung“ (§ 52 Abs. 2 Z 1 leg. cit.) nur insoweit, als nach dem Inhalt und dem Umfang des eingereichten Vorhabens keine Zwangsrechte begründet werden sollen. Sieht das entsprechende Vorhaben auch die Begründung von Zwangsrechten vor, erfordert die Ausführung dieses Vorhabens jedenfalls auch die Bewilligung dieses Vorhabens.

17 § 52 LEG stellt dabei auf das geplante Vorhaben, also das vom Bewilligungswerber vorgelegte Leitungsanlagenprojekt ab (vgl. zum Vorhabensbegriff des Starkstromwegegesetzes 1968 etwa VfSlg. 19.456/2011). Inhalt und Umfang des Vorhabens werden durch den Willen des Projektwerbers, aber auch durch den funktionellen und räumlichen Zusammenhang bestimmt (vgl. zu dem im Gewerberecht geltenden Grundsatz der Einheit der Betriebsanlage und zur Unzulässigkeit der Genehmigung einzelner Betriebsanlagenteile etwa VwGH 28.4.2021, Ra 2021/04/0082 bis 0087, mwN, sowie zum Grundsatz der Unteilbarkeit eines Bauvorhabens im Baurecht etwa VwGH 22.1.2015, Ra 2014/06/0055, mwN).

18 Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass das zur Genehmigung beantragte Leitungsanlagenprojekt einer Hausanschlussleitung, das der Versorgung eines näher bestimmten Wohnhauses mit elektrischer Energie dient, als ein einheitliches Vorhaben im Sinn des § 52 LEG anzusehen ist. Für die Einheitlichkeit des Vorhabens spricht vor allem das von der mitbeteiligten Partei zur Genehmigung vorgelegte Projekt, aus dem der Umfang und der Zweck des Vorhabens klar hervorgeht, und damit keine Zweifel am funktionellen und räumlichen Zusammenhang bestehen.

Liegt ein einheitliches Vorhaben vor, hat dies nach § 52 LEG zur Konsequenz, dass die Notwendigkeit der Begründung eines Zwangsrechts zur Bewilligungspflicht des gesamten, vom Bewilligungswerber vorgelegten Leitungsanlagenprojektes führt. Zudem stünde eine ‑ letztlich grundstücksbezogene ‑ Betrachtungsweise, die in einem solchen Fall losgelöst vom vorgelegten Projekt bloß von einer Bewilligungspflicht einzelner Teile der Leitungsanlage ausgeht, vorliegend im Widerspruch zur Antragsbedürftigkeit der Bewilligung gemäß § 52 LEG (vgl. zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten unzulässig ist, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann, die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG I2 [2014] Rz. 38).

19 2.5. Ausgehend davon hätte das Verwaltungsgericht das Vorbringen des Revisionswerbers hinsichtlich seines, auf dem Grundstück 527/1 der Ö AG bestehenden dinglichen Weiderechts nicht schon damit abvotieren dürfen, dass der betreffende Teil der Leitungsanlage nicht Gegenstand eines Behördenverfahrens sein konnte.

20 3. Die angefochtene Entscheidung erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig. Das Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 8. September 2021

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